Das ist ein geheimnisvoller Bibliothekar, dieser Tankred. Mönch und doch nicht, ausgebildet im Waffenhandwerk, der Sohn eines Adligen? So nach und nach erfahren wir seine Geschichte, doch zu Beginn muss er den Bücherschatz retten. Er versteckt ihn im Glockenturm des Klosters Prüm in der Eifel. Dann muss er fliehen.* Wir schreiben das Jahr 882 nach Christi Geburt. Es ist Januar und ziemlich kalt.
Tankred hat eine Schwester namens Judith, von deren Verbleib momentan weder sein Bruder noch sein Vater wissen. Er sucht sie in Aachen, doch findet er sie dort nicht. So reist wer weiter nach Koblenz und bis Trier, parallel zu den Normannen, die die Eifel mit ihren Raubzügen überziehen. Begleitet wird er zeitweise von einem windigen Burschen, dessen Profession so eine Art Reliquien-Betrug ist.
Wird er seine Schwester finden?
Die Geschichten in historischen Romanen werden heute oft ziemlich modern erzählt. Den Helm auf dem Cover nennt man zum Beispiel Brillenhelm. Aus heutiger Sicht stimmt das natürlich, allerdings taucht der Begriff Brille oder Augengläser erst seit dem 13. Jahrhundert auf. Mich erinnert das an William von Baskerville, der von Umberto Eco mit Oculi de vitro cum capsula, mit Augen aus Glas mit Einfassung ausgestattet wurde, also vitrei ab oculos ad legendum, also mit Augengläsern zum Lesen. Jahrhunderte später.
So begegnen den Leserinnen und Lesern schon mal Worte, bei denen man zweifelt, ob diese in das neunte Jahrhundert passen. Andererseits wollen wir heute sicherlich nicht mehr die pseudomittelalterliche Sprache der alten historischen Romane lesen, die von der "Minne" sehr beeinflusst waren. Das bedeutet aber auch, dass man sich gelegentlich „zurück beamen“ muss in die Zeit der Handlung.
Michael Römling schreibt dabei aber spannend und mitreißend, diverse Possen reizen zum Lachen. Zudem ist dieser Held der Literatur und Wissenschaft verfallen, auch hier hören wir wieder von modernen Auffassungen, die sicher Ärger stiften können.
Die Normannen erobern seit Vikings und Vikings Walhalla den Buchmarkt und der Rowohlt Verlag hat gleich Band eins bis drei dem Verein HOMER – historische Literatur vorgeschlagen. So gerät der Autor auf die diesjährige Shortlist, die hier vorgestellt werden soll.
Persönlich finde ich, dass solche Buchreihen nicht unbedingt in Gänze oder fast nominiert werden sollten, allerdings sind Band 2 und 3 tatsächlich 2023 erschienen, Band 1 dagegen bereits Ende 2022. Es ist nicht das erste Mal, dass Buchreihen nominiert werden, René Anour ist seiner Totenärztin 4 wieder mit dabei. Doch zu dieser bald mehr.
Zum Schluss bin ich natürlich auf den Weg des schwertschwingenden Bibliothekars gespannt, ich werde diesen aber weiter hörend, gesprochen von Oliver Rorbeck, verfolgen. Mittelalterliche Schriften sind dieses Jahr bei Homer angesagt, denn Erika Weigeles "Buchmaler" ist auch mit dabei.
Die wenigen biografischen Angaben zum Autoren lassen hoffen, denn hier schreibt keiner, der sich erstmals an historischen Stoffen versucht: Römling studierte Geschichte in Göttingen, Besancon und Rom, seine Dissertation behandelt die italienische Renaissance. (Vielleicht kann dieser Autor mit Dantes Göttliche Komödie näher bringen?)
Bis demnächst.
* im 16. Jahrhundert wird sich Tankred im Grabe rumdrehen, denn die verbliebene Schriftensammlung geht komplett verloren.
- DNB / Rowohlt / Reinbek bei Hamburg am 13.12.2022 / ISBN: 978-3-499-00801-6 / 432 Seiten
- audible / 11 Std. und 34 Minuten
- Michael Römling - Webseite
- HOMER - historische Literatur
© Bücherjunge
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