Samstag, 11. Mai 2024

Petersen, Nils: Veljkos Café

 

Während der Prophet Obadja seinen täglichen Kaffee in Veljkos Café trinkt, hat er eine Vision. Auf der anderen Straßenseite ist ein Mord passiert. Bevor die Polizei da ist, hat er das Verbrechen bereits gesehen. Kurz darauf wimmelt es auf der Detlev-Bremer-Straße nur so von Polizistinnen und Polizisten. Das Opfer ist nicht unbekannt. Berit von der Bremer war eine in die Jahre gekommene Prostituierte, die ihren Arbeitsplatz gegenüber vom Café hatte.

Als die Kommissarin Paula Philipp die Ermittlungen aufnimmt und ein Foto des Opfers im Café herumzeigt, bekommt Obadja einen Schrecken. Natürlich wird Berit von den meisten erkannt, wie sie da steht mit ihrem lahmen Bein und auf einen Stock gestützt. Aber der Stock ist nicht einfach eine Gehhilfe, sondern Obadja erkennt ihn in diesem Moment als den legendären Aaronstab. Ein mächtiges magisches Artefakt aus alter Zeit, von dem er geglaubt hatte, dass es gar nicht mehr existiert. Er ahnt, dass nicht nur er in Gefahr ist. (Verlagsbeschreibung)

DNB / Wortschatten Verlag / 2023 / ISBN 978-3-96964-030-2 / 352 Seiten

 

 

 

Kein Mainstream, beileibe nicht. Doch Cover und Klappentext sprachen mich hier sehr an, und so griff ich zu, als sich mir die Gelegenheit bot. Magie in Hamburg - spannend, unterhaltsam, schräg... Das ist in Kurzfassung das, was ich hier bekommen habe. Ausführlicher könnt Ihr es hier nachlesen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

DAS ERWACHEN DER ELEMENTE...

 


Obadja hat am liebsten seine Ruhe. Die täglichen Rituale passen zu seinem unaufgeregten Alltag. Er trinkt jeden Morgen seinen Kaffee in Veljkos Café, fährt mit dem Fahrrad durch Hamburgs Straßen, isst mittags an Monicas Imbissstand und verkauft gelegentlich etwas in seinem Antiquitätengeschäft. Da er alleine lebt, muss er auf nichts und niemanden Rücksicht nehmen, zudem beobachtet er seine Mitmenschen gerne und versucht dabei nicht aufzufallen. Doch mit der Ruhe ist es schlagartig vorbei, als gegenüber von Veljkos Café ein Mord geschieht. Obadja hat diesen Mord kurz zuvor vor seinem inneren Auge kommen sehen - denn auch wenn er mit der Gabe am liebsten nichts mehr zu tun hätte: er ist ein Seher, ein Prophet. 

Die Tote ist jedoch nicht irgendwer - getötet wurde Berit, eine alte Hexe. Auch sie lebte inkognito in Hamburg, so wie viele aus der magischen Gesellschaft, die mit den arroganten Wichtigtuern ihrer Zunft nichts mehr zu tun haben wollen. Denn Hamburg ist nicht magisch - zumindest nicht sehr. Dass sich das nur zu bald ändern soll, ahnt Obadja da noch nicht. Er befürchtet allerdings, dass Berit nicht grundlos getötet wurde, und nur zu bald erkennt er den Grund: sie war die Hüterin des verschollen geglaubten Aaronstabs - eines Artefakts aus uralten Zeiten. Wer war bereit, für diesen mächtigen Zauberstab zu töten - und weshalb? Obadja ahnt: alleine kommt die Polizei da nicht weiter. Doch wie soll er der spröden Kommissarin Paula Philipp nur begreiflich machen, dass hier Magie im Spiel ist? 

Obadja steht nicht auf verlorenem Posten, denn in solch einer Krisensituation finden sich selbst in Hamburg doch einige magische Geschöpfe, die der Gerechtigkeit genüge tun und den Aaronstab zurückbekommen wollen. So setzt sich bald schon ein kleines Trüppchen zusammen aus Obadja, dem Propheten, Monica, der Fee, Tjark, dem Troll, Lau, der Nixe und dem Cafébesitzer Veljko, einem nicht ausgebildeten Zauberer, der von seinen Fähigkeiten noch kaum etwas ahnt. Normalerweise bleibt jede Zunft eher für sich, aber in solch einer Notlage halten die fünf so unterschiedlichen Wesen doch zusammen. So können zum einen gegenseitige Vorurteile abgebaut werden, und zum anderen kommen da doch so einige erstaunliche Details über die verschiedenen Charaktere zutage, die alle staunen lassen. Manch eine:r ist doch deutlich älter als er/sie zu sein vorgibt, und die teilweise doch große Lebenserfahrung kommt ihnen in diesem so verzwickten Fall tatsächlich auch zugute. 

Denn verzwickt ist der Fall definitiv. Es gibt mächtige Gegner, und der Aaronstab ist nicht das einzige Artefakt, das sie in ihre Hände zu bekommen versuchen. Schnell nimmt die Bedrohung zu, und nur durch List und Zusammenhalt könnte es gelingen, die Gegner schachmatt zu setzen. Doch wird das funktionieren - und wird die Polizei sie dabei wirklich unterstützen? Denn ohne wird es nicht gehen. Obadja und seine magischen Freund:innen geben alles...

Nils Petersen hat hier einen spannenden, unterhaltsamen und schrägen Urban-Fantasy-Roman geschrieben. Die Charaktere haben alle ihre Ecken und Kanten, und doch erkennen sie den Ernst der Lage und springen deshalb mehr als einmal über ihren Schatten. Interessante Kommunikationswege gibt es hier ebenso zu bestaunen wie verblüffende Fähigkeiten und Geheimwaffen (Stichwort: Omas Kaffeebohnen!), die da z.T. plötzlich aus dem Hut gezaubert werden. Dabei werden die Charaktere so geschildert, dass deutlich wird, dass sie im Alltag unter Hamburgs knapp 2 Mio. Einwohnern nicht auffallen würden. Im Vorbeigehen würde niemand auf die Idee kommen, dass sie der magischen Zunft angehören, denn genau darauf legen sie es an: nur nicht auffallen. Der Autor schreibt z.T. sehr atmosphärisch, z.B. wenn es um bestimmte Ecken in Hamburg geht, was mir gut gefallen hat. Ansonsten bedient er sich oft eines flapsigen Ausdrucks, was gut zu den unterhaltsamen Dialogen passt - hier musste ich doch so manchesmal kichern.

Passagenweise empfand ich den Roman als etwas langatmig, und ich habe bis zum Schluss nicht ganz verstanden, wann die Gegenseite in der Lage war, mitzuhören / -sehen / -denken und wann nicht, das erschien mir nicht durchweg logisch. Aber das sind nur kleine Kritikpunkte, und vielleicht muss ich mich der Kommissarin Paula Philipp anschließen: einfach hinnehmen und staunen. Ansonsten habe ich mich hier wirklich sehr gut unterhalten gefühlt. Auch den Showdown fand ich sehr gelungen, und es blieb ein wenig offen, so dass ganz vielleicht auch auf eine Fortsetzung gehofft werden kann? Ich würde mich jedenfalls freuen, von der so schrägen magischen Zunft in Hamburg wiederzulesen! Und Lust auf eine Hamburg-Tour habe ich jetzt sowieso bekommen.

Für Fans von schräger Urban-Fantasy auf jeden Fall eine Empfehlung!


© Parden


 

 

 

 

Nils Petersen (*1970) arbeitet und lebt mit seiner Familie in Hamburg. Er hat evangelische Theologie, Sonderpädagogik und Diakoniewissenschaft in Hamburg und Heidelberg studiert. Er war Dorfpastor in Schleswig-Holstein, wissenschaftlicher Geschäftsführer einer Forschungsstelle an der Universität Hamburg, Leiter der Hamburger Rathauspassage und seit April 2020 ist er Gemeindepastor in der Luthergemeinde Hamburg-Bahrenfeld. Seit 20 Jahren ist er Dozent für Theologie, Diakonie und Kommunikation an der Universität und verschiedenen Hochschulen. Während seines Studiums begann er seine schriftstellerische Tätigkeit und schrieb vor allem Geschichten und Romane. Sein erster Roman, »Mechthild von Rickling«, erschien 2001 in Heidelberg. Seine wissenschaftlichen Publikationen behandeln vorwiegend diakoniewissenschaftliche Fragestellungen oder widmen sich Themen urbaner Theologie und Phänomenen der Citykirchen-Arbeit. Mit seiner Frau, der Konzertorganistin Kerstin Petersen, hat er viele künstlerische Projekte für Orgel und Literatur konzipiert und verwirklicht; sehr häufig auch mit bildenden Künstlern wie zum Beispiel dem Zeichner Mehrdad Zaeri. 2005 gründete er zusammen mit Philine Pawlas einen Verlag für narrative Theologie, den P&P-Verlag. Im Besonderen liegt ihm der performative Akt im Zusammenspiel mit verschiedenen künstlerischen Ausdrucksformen am Herzen. Seit sechs Jahren ist er erfolgreich als Poetry und Preacher-Slamer in ganz Deutschland unterwegs. (Quelle: Wortschatten Verlag)

 

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