Ein weiterer Roman, den ich im Rahmen einer Leserunde bei Whatchareadin lesen durfte - herzlichen Dank dafür auch beim Diogenes Verlag!
Oft können mich die Romane aus diesem Verlag begeistern, ein Selbstläufer ist dies jedoch nicht. 'Der Sprung' hat bislang überwiegend positive Bewertungen erhalten, mich konnte der Roman trotz einiger nicht zu leugnenden Stärken aber leider nicht ganz überzeugen. Weshalb nicht, könnt Ihr hier nachlesen:
Inhalt: (Quelle: Diogenes Verlag)
Eine junge Frau steht auf einem Dach und weigert sich herunterzukommen.
Was geht in ihr vor? Will sie springen? Die Polizei riegelt das Gebäude
ab, Schaulustige johlen, zücken ihre Handys. Der Freund der Frau, ihre
Schwester, ein Polizist und sieben andere Menschen, die nah oder
entfernt mit ihr zu tun haben, geraten aus dem Tritt. Sie fallen aus den
Routinen ihres Alltags, verlieren den Halt – oder stürzen sich in eine
nicht mehr für möglich gehaltene Freiheit.
PANORAMA EINER KLEINSTADT...
Dienstagmorgen in einer mittelgroßen
Stadt. Manu, eine junge Frau in Gärtnerkleidung, steht auf dem Dach
eines Mietshauses. Sie brüllt, tobt, wirft Gegenstände hinunter, vor die
Füße der zahlreichen Schaulustigen, der Presse, der Feuerwehr. Die
Polizei geht von einem Suizidversuch aus. Einen Tag und eine Nacht lang
hält die Stadt den Atem an. Für Finn, den Fahrradkurier, der sich erst
vor kurzem in Manu verliebt hat, bleibt die Zeit stehen. Genau wie für
ihre Schwester Astrid, die mitten im Wahlkampf steckt. Den Polizisten
Felix, der Manu vom Dach holen soll. Die Schneiderin Maren, die nicht
mehr in ihre Wohnung zurückkann. Für sie und sechs andere Menschen,
deren Lebenslinien sich mit der von Manu kreuzen, ist danach nichts mehr
wie zuvor.
Etwas
ratlos lässt mich dieser Roman zurück - der zweite aus der Feder von
Simone Lappert, ihr erster unter dem Dach des Diogenes Verlag. Ist dies
wirklich ein Roman?
Eigentlich
mutet 'Der Sprung' fast wie eine Kurzgeschichtensammlung an, da hier
laufend nach wenigen Seiten der nächste Charakter im Fokus steht, der
kurz beleuchtet wird, dann wieder im Dunkeln verschwindet, um irgendwann
später erneut einige Seiten lang aufzutauchen. Dabei steht die junge
Frau auf dem Dach, von der - alleine schon durch den verräterischen
Klappentext - von vornherein bekannt ist, dass sie letztendlich
tatsächlich springen wird, erstaunlicherweise überhaupt nicht im
Brennpunkt. Der Leser lernt die junge Frau nur am Rande kennen, kommt
hinsichtlich des Motivs für ihren Sprung nicht über das Stadium des
Spekulierens hinaus und wendet sich schließlich mit einem Achselzucken
von ihr ab.
Mehr
Interesse zeigte Simone Lappert (die übrigens verwandt ist mit Rolf
Lappert, dessen Roman 'Nach Hause schwimmen' 2008 auf der Shortlist des
Deutschen Buchpreises stand) an den Figuren drumherum. Die Geschehnisse
rund um diese junge Frau auf dem Dach verändert das tägliche Einerlei
dieser Personen, führt zu Veränderungen, die teilweise nur von kurzer
Dauer sind, z.T. aber auch dem Leben eine deutliche Wendung geben.
Leider
fühlte ich mich letztlich etwas erschlagen von dem großzügig bemessenen
Personenregister. Wenn jemand längere Zeit nicht auftauchte, vergaß ich
ihn gar und wunderte mich dann über sein Wiedererscheinen. Durch die
jeweils nur kurze Beleuchtung der einzelnen Charaktere wurde zwar
deutlich, dass jeder sein Päckchen zu tragen hat und womöglich teilweise
auch eher einen Grund hätte, oben auf dem Dach zu stehen, aber sein
Schicksal blieb mir doch weitestgehend gleichgültig.
Dabei
gefiel mir der Schreibstil von Simone Lappert über weite Strecken
wirklich gut. Die Autorin erweist sich als sorgfältige Beobachterin, was
sie in einer unaufdringlichen Sprache mit detailgetreuen Bildern
niederlegt und in der alle Sinne zur Geltung kommen. Einzelne Passagen
erscheinen poetisch, teilweise fast schon philosophisch angehaucht.
Auch
wenn es Simone Lappert gelingt, im Laufe der Erzählung die Verbindungen
zwischen den einzelnen Charakteren aufzuzeigen, bleiben diese insgesamt
doch recht lose. Durch die Vielzahl der Personen erscheint die Handlung
zerfasert und bleibt zumeist auch sehr an der Oberfläche. Ähnlich wie
bei Nachrichtensendungen geht eins ins nächste über, und das Schicksal
des Einzelnen taucht gleich wieder ins Dunkle, berührte mich damit
zumeist auch nicht wirklich. Wenn alle irgendwie mit schrecklichen
Vergangenheiten oder gegenwärtigen Situationen zu kämpfen haben, so ist
das in der Summe einfach zu viel, und das Abstumpfen schlägt gleich
wieder zu...
Weniger
ist mehr - in diesem Fall stimmt der so gern zitierte Spruch wieder
einmal. Weniger Charaktere, die dafür ausdrücklicher beleuchtet worden
wären, hätten mich hier jedenfalls mehr überzeugt. Schade.
© Parden
Produktinformation: (Quelle: Amazon.de)
- Gebundene Ausgabe: 336 Seiten
- Verlag: Diogenes; Auflage: 1 (28. August 2019)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3257070748
- ISBN-13: 978-3257070743
Informationen zur Autorin: (Quelle: Diogenes Verlag)
Simone Lappert, geboren 1985 in Aarau in der Schweiz, studierte am
Schweizerischen Literaturinstitut in Biel. Mit ihrem Debütroman
›Wurfschatten‹ stand sie auf der Shortlist des ›aspekte‹-Preises.
Sie ist Präsidentin des Internationalen Lyrikfestivals Basel und
Schweizer Kuratorin für das Lyrikprojekt ›Babelsprech.International‹.
2019 erschien der Roman ›Der Sprung‹, der für den Schweizer Buchpreis
nominiert ist. Sie lebt und arbeitet in Basel und Zürich.
Liebe Anne, interessant finde ich aber die Einlassung der Autorin, die der Hauptfigur bewusst keine deutliche Stimme geben wollte (Video). Sowas ähnliches dachte ich schon beim Lesen deiner Rezension.
AntwortenLöschenVleie Grüße
Uwe
Ja, das habe ich schon verstanden, trotzdem ist es anders, als ich zunächst erwartet habe. Das ist aber nicht der Grund dafür, dass mich der Roman nicht so erreichen konnte, wie ich das gewünscht hätte. Ich hoffe, das ist ebenfalls deutlich geworden...
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