Samstag, 3. August 2013

Capus, Alex: Léon und Louise

Zwei junge Menschen verlieben sich, aber der Krieg bringt sie auseinander: Das ist die Geschichte von Léon und Louise; die Geschichte einer großen Liebe, gelebt gegen die ganze Welt. Sie beginnt mit ihrer Begegnung im Ersten Weltkrieg in Frankreich an der Atlantikküste, doch dann trennt sie ein Fliegerangriff mit Gewalt. Sie halten einander für tot, Léon heiratet, Louise geht ihren eigenen Weg; bis sie sich 1928 zufälig in der Pariser Métro wiederbegegnen. Ein Paar, das gegen alle Konventionen an seiner Liebe festhält und ein eigensinniges, manchmal unerhört komisches Doppelleben führt.






  Einfach zauberhaft... 

(zuerst veröffentlicht von parden auf Buchgesichter.de am  03.08.2013)




Das Buch beginnt mit dem Trauergottesdienst für Léon Le Gall im Jahr 1986. Aufgebahrt in der Kirche Notre-Dame in Paris, nehmen die zahlreichen Familienmitglieder von ihm Abschied, als sich die Tür öffnet und eine kleine resolute weißhaarig Dame ohne Zögern eintritt und geradewegs zum Sarg geht.
Ohne sich um die Blicke der anderen zu kümmern, küsst sie Léon ein letztes Mal - und legt ihm etwas in den Sarg: eine alte Fahrradklingel mit halbkugelförmiger Glocke, die sie zum Abschied noch zweimal betätigt. Rrii-Rring, Rrii-Rring. Dann verschwindet sie genauso wie sie kam.

 
Louise Janvier, die große Liebe Léons, seit sie sich mit 17 Jahren das erste Mal begegnen. Das ist 1918, in den Kriegswirren des Ersten Weltkrieges, als Léon mit dem Fahrrad unterwegs ist nach Saint-Luc-Marne, wo er am Bahnhof seinen Posten als Morseassistent antreten soll. Mehrfach überholt ihn da mit quietschendem Rad ein Mädchen in gepunkteter Bluse, in die sich Léon gleich verliebt.
Zarte erste Bande, eine Liebesnacht am Strand - doch jäh findet das Miteinander ein Ende, als auf der Rückfahrt in die kleine Stadt beide unabhängig voneinander von Einschlägen deutscher Artillerie getroffen werden. Schwer verletzt kämpfen beide um ihr Leben - und halten den jeweils anderen für tot...
 

Paris 1925
Zehn Jahre später begegnen sich beide zufällig in Paris wieder. Erschreckt, erfreut, fassunslos. Doch Léon hat inzwischen geheiratet, hat einen vierjährigen Sohn und ein weiteres Kind ist unterwegs. Einen einzigen Tag und eine Nacht stehlen sich die Liebenden dennoch, unersättlich, bevor sie beschließen, sich nie wiederzusehen.
Doch im Laufe des Lebens kreuzen sich immer wieder einmal ihre Wege, und immer träumen die beiden voneinander, nicht verzehrend, aber doch stets mit einer glimmenden Glut, die sie im Leben warmhält. Auch als Louise im Zweiten Weltkrieg Frankreich verlässt und Léon nur alle paar Jahre mit einem Brief über ihr Leben in Kenntnis setzt, verlöscht diese Liebe nicht...

 
Eine ganz zarte Erzählung wird hier vorgelegt, eine Liebesgeschichte zwar, aber ohne Schnörkel und ohne ins Kitschige zu verfallen, in einem nahezu poetischen Stil. Mit leichter Hand und wie nebenher skizziert Capus darüber hinaus ein Stück europäischer Geschichte, schwerpunktmäßig zu Zeiten der beiden Weltkriege.
Tragische wie komische Begebenheiten ohne dramatische Untertöne werden wie ein Biderreigen vor dem Leser ausgebreitet. Dabei schließt man fast unmerklich beide ins Herz: die resolute, selbstbewusste, schlagfertige, freche, herrlich unkonventionelle Louise genauso wie den eher ruhigen, sich selbst genügenden, treuen, geradlinigen Léon.

 
Ein bittersüßes Lesevergnügen, das einfach nur empfehlenswert ist...

 
© Parden 





Alex Capus
Alex Capus, geboren 1961 in Frankreich, studierte Geschichte, Philosophie und Ethnologie in Basel und arbeitete während und nach seinem Studium als Journalist und Redakteur bei verschiedenen Tageszeitungen und bei der Schweizer Depeschenagentur. 1994 veröffentlichte Alex Capus seinen ersten Erzählband ("Diese verfluchte Schwerkraft"), dem seitdem neun weitere Bücher mit Kurzgeschichten, historischen Reportagen und Romane folgten. Capus verbindet sorgfältig recherchierte Fakten mit fiktiven Erzählebenen, in denen er die persönlichen Schicksale seiner Protagonisten einfühlsam beschreibt. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt; für seine schriftstellerische Arbeit erhielt er zahlreiche Preise. Alex Capus lebt als freier Schriftsteller mit seiner Familie in Olten/Schweiz.

 

5 Kommentare:

  1. Eine tiefe Verbeugung und meinen Glückwunsch: Wieder einmal eine wunderbare Rezension von dir.
    Das Buch kannte ich bisher nicht, aber ich muss es unbedingt haben. Es ist eine so wunderbare Geschichte...
    Deshalb werde ich es mir gleich jetzt kaufen - Amazon macht´s möglich!
    Danke für diesen Buchtip!

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  2. Schöne Worte hast du gefunden - ganz liebe Grüße von Literatwo an dich. Schöne Bilder auch!

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  3. Ui, ich danke Euch! Ist aber auch wirklich ein bezauberndes Buch... ♥

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  4. Ich finde auch, dass diese deine Zeilen sehr viel Lust auf das Buch machen.

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    1. Rudi hat sich das Buch ja nun schon bestellt, aber ich würde es auch an Interessierte verleihen. Bei Bedarf. Bei Gelegenheit. Bei Lust... ;)

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