"Paperboy" ist eine packende Geschichte über Gewalt, Verrat und Heuchelei - erzählt vom "letzten lebenden Großmeister des Roman noir" (STERN).
Der Mensch ist des Menschen Wolf...
Filmszene aus "Paperboy" (Nicole Kidman und Zac Efron) |
1965 wid
Sheriff Thurmond Call tot aufgefunden - brutal ermordet und am
Straßenrand liegengelassen. Bereits eine Woche nach dem Mord wird der
Täter gefasst und kurz darauf zum Tode verurteilt: Hillary Van Wetter,
unberechenbar und gewalttätig, wartet seither in der Todeszelle des
Gefängnisses auf die Vollstreckung des Urteils.
Die eigentliche Erzählung beginnt jedoch im Jahr 1969, geschildert aus
der Sicht des jungen Jack James. Seitdem er an der Universität sein
Schwimm-Stipendium verloren hat und anschließend exmatrikuliert wurde,
arbeitet er als Lieferjunge für seinen Vater bei der ortsansässigen
Zeitung. Seinen Bruder Ward, ebenfalls Reporter bei einer Zeitung,
verschlägt es mit einem Kollegen wieder in die heimatliche Stadt.
Gemeinsam mit Charlotte Bless, die zu vielen Schwerverbrechern in
brieflichem Kontakt steht und nun versucht, die Unschuld Hillarys zu
beweisen um ihn anschließend zu heiraten, sind sie einem Justiz-Skandal
auf der Spur. Vermeintliche Beweise gegen Van Wetter sind verschwunden,
einem möglichen Alibi des Verurteilten ist nie nachgegangen worden und
etwaige Entlastungszeugen wurden nicht vor Gericht geladen. Ohne Zweifel
bietet sich hier das Potential für eine große Zeitungsreportage...
Dreh- und Angelpunkt ist der Fall Hillary Van Wetter und der anstehende Zeitungsartikel. Im Kern der Erzählung stehen jedoch vor allem die beiden Brüder James, die sich rund um die Recherchen zu dem Verbrechen verändern. Jack, der fast neutrale Beobachter des Geschehens, entwickelt sich allmählich vom Halbwüchsigen zum Erwachsenen, während Ward, akribisch und überaus geduldig in seinen Recherchen, sich der mögilchen Folgen ihres Anliegens erst im Laufe der Zeit bewusst wird. Während sein Kollege den Zeitungsartikel einfach nur zum Abschluss bringen will, wachsen bei Ward zunehmend die Zweifel daran, das Richtige zu tun und etwas Wesentlichs übersehen zu haben...
Dreh- und Angelpunkt ist der Fall Hillary Van Wetter und der anstehende Zeitungsartikel. Im Kern der Erzählung stehen jedoch vor allem die beiden Brüder James, die sich rund um die Recherchen zu dem Verbrechen verändern. Jack, der fast neutrale Beobachter des Geschehens, entwickelt sich allmählich vom Halbwüchsigen zum Erwachsenen, während Ward, akribisch und überaus geduldig in seinen Recherchen, sich der mögilchen Folgen ihres Anliegens erst im Laufe der Zeit bewusst wird. Während sein Kollege den Zeitungsartikel einfach nur zum Abschluss bringen will, wachsen bei Ward zunehmend die Zweifel daran, das Richtige zu tun und etwas Wesentlichs übersehen zu haben...
So tritt die Frage nach Schuld oder Unschuld zunehmend in den
Hintergrund, der Journalismus selbst gerät in den Fokus. Welche Art der
Berichterstattung ist vertretbar - etwa die, die Jacks und Wards Vater
vertritt, indem er versucht niemand Wichtigem auf die Füße zu treten?
Oder die, für die der Kollege Wards steht, der alles für eine gute Story
gibt und dabei auch keine Skrupel zu kennen scheint? Oder aber die Art
Wards, der sich vom Hundertsten ins Tausendste recherchiert und dabei
womöglich nie zum Punkt kommt?
Dieses Buch ist weit mehr als ein Krimi. Es ist gleichzeitig Gesellschaftsportrait und Entwicklungsroman, stellt dabei mehr Fragen als es Antworten gibt. Etwas gerät ganz und gar in Schieflage und aus dem Gleichgewicht, und gemäß dem Spruch "Homo homini lupus" - "Der Mensch ist des Menschen Wolf" - treibt das Geschehen ganz allmählich aber unaufhaltsam auf den Abgrund zu.
Dieses Buch ist weit mehr als ein Krimi. Es ist gleichzeitig Gesellschaftsportrait und Entwicklungsroman, stellt dabei mehr Fragen als es Antworten gibt. Etwas gerät ganz und gar in Schieflage und aus dem Gleichgewicht, und gemäß dem Spruch "Homo homini lupus" - "Der Mensch ist des Menschen Wolf" - treibt das Geschehen ganz allmählich aber unaufhaltsam auf den Abgrund zu.
Die
Erzählung ist klar und ruhig, dem Stil einer Berichterstattung nicht
unähnlich, vieles wird nur angedeutet und arbeitet im Untergrund weiter.
Obwohl Emotionen selten auf dem Papier selbst erscheinen, tauchen sie
zwischen den Zeilen auf. Eine Spannung, die sich im Nacken festsetzt und
einen während des Lesens nicht mehr loslässt, stets der Bedrohung
gewahr, nur nicht ahnend, welcher Art sie ist und wohin sie führen wird.
Und trotz der vermeintlich nüchternen Darstellung des Geschehens
berührt die Geschichte auf ihre Art.
Damit sie nicht verloren gehen, möchte ich hier einige Sätze zitieren,
die fast nebenher etwas anklingen lassen und subtil berühren:
"... kam mir der Gedanke, dass ich vielleicht versucht hatte, zu viele Dinge zusammenzuhalten, deren Bestimmung es war, auseinanderzufallen." (S. 199)
"... gäbe es nicht diese Stille, die nur zwischen zwei Menschen herrschen kann, eine ganz andere Stille als jene, auf die man unter Wasser trifft." (S. 226)
"Etwas an der Art, wie mein Bruder trank, brachte mich auch zum Trinken. Wenn wir beide zusammen tranken, ging er nicht alleine irgendwohin." (S. 292 f.)
Ein Roman, der mir wieder einmal verdeutlicht hat, dass es nicht immer der große Thrill sein muss, dass Spannung zwischen den Zeilen entstehen kann und auch vermeintlich ruhige Erzählungen überaus fesselnd sien können.
Eine Geschichte, die noch lange nachhallt, erzählt, wie der STERN so richtig meint, vom "letzten lebenden Großmeister des Roman noir". Sicher nicht mein letzes Buch von Pete Dexter.
Überaus empfehlenswert!
"... kam mir der Gedanke, dass ich vielleicht versucht hatte, zu viele Dinge zusammenzuhalten, deren Bestimmung es war, auseinanderzufallen." (S. 199)
"... gäbe es nicht diese Stille, die nur zwischen zwei Menschen herrschen kann, eine ganz andere Stille als jene, auf die man unter Wasser trifft." (S. 226)
"Etwas an der Art, wie mein Bruder trank, brachte mich auch zum Trinken. Wenn wir beide zusammen tranken, ging er nicht alleine irgendwohin." (S. 292 f.)
Ein Roman, der mir wieder einmal verdeutlicht hat, dass es nicht immer der große Thrill sein muss, dass Spannung zwischen den Zeilen entstehen kann und auch vermeintlich ruhige Erzählungen überaus fesselnd sien können.
Eine Geschichte, die noch lange nachhallt, erzählt, wie der STERN so richtig meint, vom "letzten lebenden Großmeister des Roman noir". Sicher nicht mein letzes Buch von Pete Dexter.
Überaus empfehlenswert!
© Parden
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Verfilmung "Paperboy" |
Dieser Roman
wurde 1996 erstmals veröffentlicht. Anlässlich der Verfilmung des Buches
(ab Juli 2013 als DVD) wurde der Roman im Liebeskind-Verlag neu
aufgelegt.
Dem Verlag danke ich hiermit sehr herzlich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares!
Pete Dexter, 1943 in Michigan geboren, arbeitete über fünfzehn Jahre als Zeitungsreporter in Philadelphia. Nachdem er im Zuge einer kontroversen Berichterstattung angegriffen und krankenhausreif geschlagen wurde, gab er seinen Beruf auf. Heute lebt er als freier Schriftsteller im BundesstaatWashington. Pete Dexter gilt als einer der profiliertesten Drehbuchautoren Amerikas und veröffentlichte bislang sieben Romane, darunter "Deadwood", "Train" und "Paris Trout", für den er 1988 mit dem National Book Award ausgezeichnet wurde.
Das geht ja richtig voran mit den Rezensionsexemplaren.
AntwortenLöschenWieder eine sehr interessante Rezension von Anne Parden. Ich finde es bewundernswert, wenn sie solche einzelnen Sätze herausfiltert, bei denen man nachdenklich werden kann, selbst wenn der Kontext zwangsläufig fehlt. Ich schaffe dies meist nicht, nein, eigentlich überhaupt nicht.
PS: Bei dir ein lateinischer Spruch? So so.
Danke, Uwe. Während des Lesens springen mir manchmal Sätze ins Auge, die mich berühren und/oder beschäftigen. Die notiere ich mir dann oder klebe ein Pos-It an die entsprechende Stelle. Nach dem Lesen überprüfe ich dann, ob sich das Empfinden dem Satz gegenüber wirklich gehalten hat - und dann findet er auch einen Platz in der Rezension... :)
LöschenUnd gelegentlich verwende auch ich einen lateinischen Spruch, ja. Hier passte er einfach zu gut... ;)
Diesen Pete Dexter sollte ich wohl mal merken.
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