Montag, 25. Januar 2021

Precht, Richard David: Künstliche Intelligenz und...

 ... der Sinn des Lebens.

Wie liest man, oder besser wie hört man ein populäres Sachbuch? Vor allem, wie hört man es, wenn man darüber was schreiben möchte? Lesen ist einfach, da kann man sich Notizen machen, Zettel reinkleben, Zitate abschreiben, massenweise verschiedenfarbige Lesezeichen verwenden... 

Man könnte auch hören UND lesen, aber dann braucht man ja beides und irgendwie kosten Bücher immer noch Geld.

Nun, wir haben hier schon einige Bücher über wissenschaftliche Themen besprochen. Anne schrieb mal über Stephen Hawkings Nussschalenuniversum, den kurzen Antworten auf große Fragen desselben Autors hatte ich mich zugewandt, und nicht vergessen will ich Harald Leschs Buch über das Handeln in der Welt.

Letzteres passt über Umwege zum Thema, denn die „Welt in der wir leben wollen“ – oder nicht – treibt auch einen Autor um, der seine Bücher und Meinungen auch mal auf größeren Bühnen vertritt. Gemeint ist David Precht und hier geht es um Künstliche Intelligenz und den Sinn des Lebens. Nicht mehr und nicht weniger.

KI und Philosphie. Precht will der Leserschaft hier nicht erklären, wie künstliche Intelligenz (KI) technisch funktioniert oder welche Einsatzmöglichkeiten es für eine solche gibt. Es geht ihm „um die Frage des künftigen Menschseins in einer immer technisierteren Welt; einer Welt, in der Technologie nicht wie ein Automat funktioniert, sondern in der sie die Automation selbst automatisiert und damit selbsttätig in unser Leben eingreift.“ (Vorwort)

Gemeinhin stellen wir uns unter KI vor, dass Maschinen Prozesse ausführen können in der Komplexität des menschlichen Gehirns und außerdem selbst lernen können. Machen wir mit Precht gleich damit Schluss: Da menschliches Handeln im Zusammenhang mit Gefühlen und Emotionen besteht, dürfte das gar nicht möglich werden. Gleichwohl dürften Maschinen, deren Gehirne Programme sind, in der Lage sein zu lernen und zu entscheiden. Aber eben nicht wie ein Mensch.



Bild von Gerd Altmann auf Pixabay
 


Precht verbindet das mit der Evolution. Zum Beispiel schreiben wir Affen und Delphinen eine gewisse Moralität zu, sie seien fähig, moralisch zu handeln. Untereinander und auch gegenüber anderen. Fraglich ist, ob sie dieses Handeln reflektieren können. Sich über sein Handeln Rechenschaft abzulegen, das kann vermutlich nur der Mensch. Kann das zukünftig KI? Entscheiden, dass eine vorangegangene Entscheidung richtig oder falsch war? KI kann keinen eigenen Willen zur Macht entwickeln, weil „erst der Wille da war und sich dann erst bei ganz wenigen Tieren auch noch Intelligenz dazu gesellt hat.“ [1] Umgekehrt ist das nicht möglich.

Es geht im Verlauf des Buches um eine breite Palette von Themen. Eines wäre zum Beispiel die Frage, wie den zukünftig Autos die Entscheidung treffen, Unfälle zu vermeiden; im Extremfall zu entscheiden, welches menschliche Leben gegenüber einem anderen den Vorrang hat. Das es hier um die Menschenwürde geht, versteht jeder, der solche Bücher überhaupt in die Hand nimmt. Interessant ist, dass eine „ethnische Programmierung“ direkt verboten wurde, die Grenzen für die Programmierung wurde in Deutschland durch eine Kommission festgeschrieben.

KI steuert viel, sie beruht auf Algorithmen. Wenn man im Netz nach der geeigneten Versicherung sucht, oder Facebook am Surfverhalten erkennt, welche Kaufprodukte dir als nächstes vorgeschlagen werden. Grundlage dafür ist mathematische Algorithmen

Precht beleuchtet auch die Rolle digitaler Technik, die wir benutzen und denkt darüber nach, dass man zwar immer neuere Smartphones herstellt, sich über deren Entsorgung aber zu wenig Gedanken macht. Wo landet Deutschlands Müll? Auf einer Deponie in Ghana. Und die Menge an viel zu kurzlebiger digitaler Technik wird allen wegen dieser Kurzlebigkeit ein gewaltige Menge an CO2 erzeugen. Wollten wir dies nicht reduzieren?

Als Philosoph fragt er durch Darstellung der verschiedensten Lebensbereiche „nach dem Sinn des Seins, dem Wesen des Menschen, den ethischen Grundlagen des Handelns, der Richtung des historischen Prozesses, den Gesetzen des Denkens u. den Prinzipien rationaler Erkenntnis...“ [2]

Ohne gesellschaftliche Fragen, zum Beispiel die nach der Rolle des Kapitalismus und seine Grenzen, funktioniert dies nicht. Daraus resultiert Gesellschaftskritik, die mit sozialen Fragen beginnt und (zum Beispiel) über das Klima zu Rolle der KI führt. Und das, was daraus werden soll. Sicher könnte er das in hochwissenschaftlichen Aufsätzen und Büchern tun. Er versucht das aber in einer für philosophische „Laien“ darzustellen. Damit hat er Erfolg und wird schon mal angegriffen, „als geschickter Selbstinszenierer und linker Ideologe, der sich als Weltretter regelmäßig aufspielt“ bezeichnet. [3] 

In diesem Artikel, in dem Precht als „intellektueller Besserwisser“ und „Vorzeigephilosoph“ bezeichnet wird, behauptet der Autor dass Precht einen gewissen Einfluss auf die Politik habe und geht auf diesen aus merklich rechter Ecke kommend ein. Precht als Ausgang rechter Politikkritik, die in dem Satz gipfelt: „Mehr DDR war nie nach der Wende im politischen Berlin“ [4]

Ein schiefes Bild wird ihm auch im Cicero unterstellt und in Bezug auf dieses Buch ungenügende Recherche, weil er als „Popstar“ keine Zeit dazu hätte. Der Autor bringt dann Beispiele aus der Kybernetik, die Precht unzulässiger Weise nicht beachtet hat oder falsch interpretiert. Precht hat, wie oben bereits erwähnt, gar nicht vorgehabt, KI technisch zu erklären, er will Gefahren darstellen und bedient sich dabei bestimmter Wirkungen. Der Autor des Cicero-Artikels betont, dass Precht als „Ziel nahezu aller künstlicher Intelligenz“ einen ökonomischer Nutzen, Kontrolle, Umsatz und Gewinn behauptet, eine „kanalisierte Neugier auf künftige Technologie, aus der neue Geschäftsmodelle entstehen sollen."  Das ist ziemlich aus dem Kontext gerissen.

Die beiden Beispiele, man könnte fast schon sagen ideologischer Gegnerschaft, sollen hier nur zeigen, das Richard David Precht tatsächlich Wirkung entfaltet, eine ideologische im Sinne von festgelegten Normen für eigenes und fremdes Handeln, hat das Buch sicherlich nicht, 

Der Sinn des Lebens besteht im Leben selbst. Lange breitet sich Precht darüber nicht aus. Es ist sehr wohl eine philosophische Aussage, die im ersten Moment ein Fragezeichen erzeugt. Wie das Leben abläuft, lässt sich, seit es Menschen gibt beeinflussen. Feuer, Kleidung, Rad, Auto, Smartphone, biokybernetische Gliedmaßen, „Alexa & Siri“. In den Letzteren steckt schon mehr oder weniger künstliche Intelligenz. Die atheistische Betrachtung der Natur und der Evolution – sie folgen keinem Willen, es ergibt sich kein Sinn daraus – gefällt mir persönlich gut. 



Bild von Gerd Altmann auf Pixabay
 


Das Buch. Als Grün und Links könnte man das Buch meines Erachtens durchaus bezeichnen. Gegenüber den Vertretern und (unbedingten) Befürwortern von KI stellt Precht mit diesem Buch eine kritische Gegenstimme dar. Es geht um Denkanstöße, um nicht mehr und nicht weniger. Man kann sich als Philosoph hinter seinem Schreibtisch verkriechen und hoch wissenschaftliche Bücher schreiben, die „Liebe zur Weisheit, zur Wissenschaft“ bleibt den meisten Mitmenschen dann verborgen. Oder man trägt seine Gedanken in die Öffentlichkeit, zum Beispiel in einer eigenen Sendung, (seit 2012 im ZDF) dann wird man natürlich öffentlich angreifbar.

Wie man sich trefflich und auf Augenhöhe streiten kann, zeigen Richard David Precht und Professor Jürgen Schmidhuber (Informatiker und KI-Forscher) in der Sendung [6] Precht: Künstliche Intelligemz - Herrschaft der Maschinen. Spritzige Rede und Gegenrede und das Ganze auf wesentlich höherem Niveau als die beiden oben angeführten Online-Artikel.


Precht 2016 *
Die Art und Weise, mit der Precht seine Gedanken vorträgt, ob im TV oder in diesem hier vorgestellten Buch, ist ansprechend, verständlich, spannend und bunt. Er hat das Buch selbst eingelesen, vielleicht ist das von Vorteil. Er liest ja nicht „einfach“ einen eigenen Roman, sondern die eigenen Gedanken und Schlussfolgerungen. Das macht es lebendig. Das Buch wird als Essay bezeichnet. Eine Abhandlung zu einer literarisch-wissenschaftlichen Fragestellung.  Die Argumente des Richard David Precht ergaben für mich einen anregenden Hörspaß, der gelesen, oder aber parallel „verarbeitet“ werden sollte.


© Bücherjunge


Fußnoten:

Von © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons), CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=54092312



1 Kommentar:

  1. Zu diesem Thema lese ich lieber Romane wie z.B. den von Ian McEwan: 'Maschinen wie ich'. Aber es gibt eben viele Zugänge auch zu Sachthemen. Dich scheint dieses Buch jedenfalls angesprochen zu haben... ^^

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