Dienstag, 6. August 2019

Harris, Robert: Vaterland


Robert Harris tauchte bisher zweimal in unserem Blog auf. Einmal hier mit ANGST und dann noch einmal hier mit KONKLAVE. Sehr unterschiedlicher Stoff, der von Aktien und einer Papstwahl handelt.

Außerdem kannte ich den Schriftsteller durch den Film VATERLAND, in dem der SS-Sturmbannführer Xaver März als Angehöriger der Kripo ermittelt und einem der größten „Geheimnisse“ der im Jahre 1964 immer noch existierenden Dritten Reiches. Also eine Alternativweltgeschichte. Auch solche Romane haben wir schon besprochen. WALKÜRENRITT von Heiger Ostertag wäre da zu nennen, oder KAISERTAG von Oliver Henkel.

Zum dem starb am 19.Juli 2019 der niederländische bekannte Schauspieler Rutger Hauer im Alter von 75 Jahren. Hauer verkörperte im Film von 1994 den Ermittler März.





Der Mord, in dem der nicht gerade gläubige Nationalsozialist März ermittelt, wird bald zu einer Serie, die darin mündet, dass nun alle Teilnehmer der bekannten Wannseekonferenz das Zeitliche gesegnet haben. Während der Ermittlungen lernt er die Amerikanerin Charlie Maguire kennen, die als Journalistin aus Anlass der Feierlichkeiten zum 75. Geburtstag des Führers Adolf Hitler in Berlin weilt. Ein Gipfeltreffen des Führers mit dem US-Präsidenten Joseph Kennedy (Vater von JFK) steht bevor. März glaubt erst nicht, was er da hört, denn die auf der Konferenz beschlossene „Endlösung der Judenfrage“ hat wohl funktioniert und unterliegt größter Geheimhaltung

Das ist die Story des Buches aus dem Jahr 1992, das bereits zwei Jahre später verfilmt wurde, wohingegen der Film dem Buch nicht annähernd gleich kommt. Der Roman besitzt eine hohe atmosphärische Dichte, was unter anderem wohl an der Recherche liegt. Die Figuren (Joseph Bühler, Wilhelm Stuckart, Martin Luther) und einige andere sind reale Personen, die teilweise tatsächlich Teilnehmer der Wannsee-Konferenz waren. Ebenso ist der Gegenspieler Xaver März, der SS-Gruppenführer Odilo Globocnik, eine reale Person. März, der erst an Kunstraub als Mordgrund denkt, erhält später einen Koffer mit Dokumenten, die den Völkermord bestätigen. Aber solche Erkenntnisse sind natürlich Gift, wenn die Vereinigten Staaten und Großdeutschland Frieden schließen wollen, weil der Führer Ruhe für den immer noch nicht beendeten Krieg weit im Osten braucht.

Der Roman steht schon einige Zeit im Regal neben der immer noch nicht gelesenen Cicero-Trilogie. Ihn zu lesen war eine Thriller-Genuss trotz des Themas. Natürlich sah ich mir daneben den Film an und betone weiterhin, dass der Vergleich eindeutig zugunsten des Buches ausfällt. Trotz Rutger Hauer. Den Film kann man sich auf YouTube im Ganzen ansehen. 




Man sollte nicht immer nur aktuelle Bücher lesen, dreißig Jahre alte haben ebenfalls ihren bleibenden Wert. Außerdem kann man den Roman unter die Rubrik „Gegen das Vergessen“ stellen. Da sind einige Parallelen erkennbar, denn es gibt im Roman wie in der heutigen Zeit Bestrebungen, das größte Menschheitsverbrechen vergessen zu machen, mindestens aber zu relativieren. Insofern ist Xafer März eine fiktive Figur, die im Alternativweltroman versucht, die weitere Vertuschung des Holocaust zu verhindern. 

Das Buch wird durch interessante Nachbemerkungen zu den Personen und dem Geschehen sowie durch eine Karte des fiktiven Jahres 1964 und eines Bildes der fiktiven Siegesallee abgerundet.

Robert Harris ist auf jeden Fall empfehlenswert.


  • DNB / Heyne / München 1996 / ISBN: 978-3-453-07205-3 / 378 Seiten

© Bücherjunge


1 Kommentar:

  1. Da stimme ich unbedingt zu: ältere Bücher sind nicht weniger lesenswert dadurch, dass sie keine aktuellen Bestseller sind!

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