Donnerstag, 14. Dezember 2023

Elzner, Silke: Der Schwur der Gräfin

Das 15. Jahrhundert. Jahrhundert der Jeanne d´Arc. Henry V. Erstere unter anderem von Friedrich Schiller bekannt gemacht, letzterer von William Shakespeare. Im 15. Jahrhundert fällt die letzte Bastion des Emirs von Granada, die Alhambra, und ein gewisser Kolumbus entdeckt Amerika. Doch das passiert erst in reichlich vierzig Jahren.

Wir aber lernen hier den ersten Tudor kennen. Ein Waliser begründet den Stammbaum der einhundert Jahre später geborenen Elisabeth I., der Königin, die England wieder zur Blüte führt indem sie sich von festländischen Eroberungen eher fern hält, das angevinische Reich haben andere lange vor dem „goldenen Zeitalter“ verspielt.

Eine eher unbekannte Figur der mittelalterlichen Zeit. Jakobäa, eine Wittelsbacherin (Nebenlinie) und Tochter des Grafen von Straubing-Holland ist hier die Hauptfigur. Erste Maßnahme des Lesers: Suche nach einer Karte der Länder aus dieser Zeit; wo ist denn dieser Hennegau? (Historikern ist diese Dame sicher eher bekannt als Leseren von historischen Romanen)

Es sind nur rund 20 Jahre, die hier erzählt werden und durch die reichlich erfolglose Gräfin des Hennegaus und Hollands werden die ständigen Kämpfe dieser kleinen Grafschaften untereinander deutlich. Ohne die etwas höher stehenden Fürsten, hier die Herzöge von Burgund und Brabant geht gar nichts, Könige und Kaiser spielen in diesem Roman von Silke Elzner eine geringere Rolle.

Nur bei den Ehen dieser Jacobäa versucht aus der Kaiser seinen Einfluss geltend zu machen.

Nun ja, die junge Frau wird nicht alt werden, mit Mitte Dreißig stirbt sie an der Schwindsucht.

* * * 

Einerseits lesen wir von einer energischen, durchsetzungsfähigen und intelligenten Frau des 15. Jahrhunderts, einer macht- und standesbewussten Person, einer, die auch über Leichen ging, das Ziel, die Ländereien des Vaters unter einer Herrschaft zu halten. Heirat Nr. 2 diente nur diesem Zweck. Heirat 3 eigentlich auch. Daher bezeichnete ich die Heldin des Romans als „Machtfrau“ in der Leserunde. 

Die Autorin hat dazu eine andere Sicht. Sie sieht vor allem den Schwur der Tochter, die Länderein des Vaters zu erhalten, daher auch der Titel des Romans, als zentral an, diese Bindung war bedeutend und somit hatte die Tochter keine Wahl.


„Für eine mittelalterliche Person war die Integration in die Gemeinschaft ALLES. Wer nicht mehr Teil einer Gemeinde, einer Familie, einer Vereinigung (z.B. Kloster) war, der war von allen Sicherheiten abgeschnitten. Es konnte im schlimmsten Fall den Tod bedeuten.

Wenn also eine Tochter von ihrem Vater aufgefordert wird, einen Schwur zu leisten, dann gibt es keinen Weg zurück. Welche Alternative wäre Romanfigur-Jakobäa denn in dieser Situation geblieben? Hätte sie sich aus der Familie entfernen sollen? Wohin hätte sie sich dann gewendet? Hätte sie ihre Pflichten aufgeben können? Ich denke nicht. Was blieb ihr also anderes übrig, als das Spiel so gut wie möglich mitzuspielen. Sie als Machtfrau zu bezeichnen, finde ich - persönlich - nicht angebracht, da sie nie darum gebeten hat, diese Rolle anzunehmen.“ 
(Silke Elzner in der Leserunde bei Lovelybooks)

Andererseits lesen wir von der in Familie und Liebe glücklosen jungen Frau, verheiratet zunächst mit dem Dauphin, nach dessen Tod mit einem Cousin, Jan von Brabant (viel zu jung und ein großer, verzogener und verschlagener Füstensohn), dann mit einem englischen Herzog, auch diese Ehe glücklos. Hier treffen einseitige Liebe und politisches Kalkül aufeinander. 

Die Zeit in England, in der Jacobäa ihre einstige Schwägerin Catherine de Valois, nun Königin von England, kennenlernt, in der sie auf die „Genehmigung“ des Papstes wieder zu heiraten wartet, ist durch Wochen und Monate relativer Unbeschwertheit gekennzeichnet. Hier gibt es auch eine Stelle, die sich auf die Frauen der Zeit bezieht, wenn die spätere Geliebte des Herzogs von Cloucester erklärt:

„Die Männer ziehen in den Krieg und verlieren ihr Leben auf dem Schlachtfeld. Wir Frauen ziehen in die Wochenstube und gebären die Kinder. Beides ist gefährlich und blutig, beides ist schmerzhaft, doch zusammen ist es Gottes Plan.“ (Seite 385)

Jakobäa zieht wohl eher selbst in den Krieg, die eine Geburt (Fehlgeburt), von der Silke Elzner erzählt, ist eine Ausgedachte, schreibt die Autorin im informativen Nachwort.

Franz von Löher beschreibt das Leben der Jacobäa bereits 1862 so:

„Die junge Wittwe hatte bisher aus der Männerwelt nur glänzende Nieten gezogen. Ihr erster Gemahl, der Kronprinz von Frankreich, wurde vergiftet, ehe er sechszehn Jahre alt. Der zweite, der Brabanter Herzog, war ein unreifer junger Mensch ohne Kraft und Verstand: vor ihm flüchtete sie aus Schmach und blutigen Gräueln nach London. Dort hatte sie sich den Dritten erkoren, den ritterlich schönen Prinzen und Protektor von England: er aber hatte sich als erbärmlicher Schwächling erwiesen. Wie schwer wog gegen ihren Werth das gediegene Metall in Borsselens Charakter!“
Franz von Löher: Jakobäa von Bayern und ihre Zeit, Band 2 (Wikipedia)
)

Damit könnte man die Geschichte auf der einen Seite zusammenfassen. Das ist auch die, die Silke Elzner vorrangig vor Augen hatte, sie schreibt selbst, dass sie durch diesen Autoren überhaupt auf ihre Hauptfigur aufmerksam wurde. Dieser von Löher verglich Jacobäa in ihrer „Bedeutung für die Niederländer“ auch mit Iphigenie, der Jungfrau von Orleans und mit Maria Stuart, er bezeichnete sie als „vom Zauber der Romantik umflossen, als Heldin zahlloser Trauerspiele“. (Ebenda)

Für die andere Seite, die große Politik, die bekannten Kämpfe dieser Zeit könnte man sich in die Geschichte vergraben, selbst fand ich einzelne Aspekte wieder, wie die Geschichte Henry V., der Jeanne d ´Arc in Mac P. Lornes DER HERR DER BOGENSCHÜTZEN.

Wenn ich geschichtlich etwas vermisste, dass war das die Rolle holländischer, flandrischer Kaufleute, denn diese unglaublich vielen Scharmützel, Kämpfe, Kriege während des sogenannten hundertjährigen Krieges, mussten ja auch finanziert werden. Welch unglaubliche Mittel letztlich bei einigen Fürsten vorhanden waren, erkennt man an den geschilderten Wohnstätten und Festen, die die zuletzt mittellose Gräfin selbst „gesponsert“ bekommt. Die damalige Kleinstaaterei ist auf dien beiden Karten zu sehen, darunter der Link zur Internetseite. Gut zu erkennen die Länder Hennegau - Holland, Brabant und Burgund.

'

https://www.euratlas.net/history/europe/1400/de_Nordwest_Europa_1400.html

Symphatisch wurde mit diese Jacobäa von Straubing-Holland nicht. Überhaupt fand ich letztlich nur deren letzten Ehemann, ein niederadeliges  Rauhbein, irgendwie ansprechend, einziger und wirklicher geliebter und liebender Freund. Selbst der wurde deshalb von dem Fürsten, der so scharf auf die Ländereien derer von Henngau, Zeeland, Holland und Friesland  war, gefangengesetzt. Der Vertrag von Delft, in der Jacobäa auf die Ländereinen (fast) verzichtete, aber in Heiratsdingen von ihrem weiteren Cousin Philipp von Burgund abhängig war, hatte zum Ziel, eine direkte weitere Erblinie zu verhindern. We nicht legitim heiratet bekommt auch keine legitimen Kinder, also solche, die auf der „richtigen Seite des Bettes“ geboren werden. Und den nannte man Philipp den Guten? Er bildete durch seine Politik, auch die gegen seine Cousine, ein Reich, das in etwas die heutige Niederlande, Belgien und Luxemburg umfasste. Vielleicht sehen das die Leute dort anders als ich…

Das Buch zeichnet sich aus durch eine konsequente Kapitelgebung mit eindeutigen Zweitangaben, was ich bei historischen Romanen nicht nur mag, sondieren auch überaus wichtig finde. Das macht es einfacher, selbst nebenbei zu recherchieren, aber auch der Handlung zu folgen. 

So richtig warm wurde ich mit diesem Roman nicht. Trotzdem habe ich ihn gern gelesen, zeigte er mir eine bestimmte historische Zeit auf eine andere Art und Weise als bisher gewohnt. 

* * *

Ich bedanke mich für das gewonne Romanexemplar im Rahmen der Lovelybooks-Leserunde und muss noch betonen, dass Silke Elzner besonders fleißig ist beim Beantworten von Fragen und den Mittelungen zur Handlung und zum historischen Geschehen.

Silke Elzner hat ein Gespür für solche umfangreichen Romane, drei hat sie bisher veröffentlicht und mit DIE LETZTE FEHDE AN DER HAVEL war sie nominiert für den HOMER-Literaturpreis für historische Romane. Mit diesem lernte ich sie bei der diesjährigen Preisverleihung kennen. Über sich, das Schreiben und den „Havel-Roman“ erzählt sie hier.



 © Bücherjunge

   

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