DRESDNER PAPPEN...
Eine historische Weihnachtsgeschichte präsentiert Ralf Günther hier, und erstmals las ich dabei von den sog. "Dresdner Pappen" - seinerzeit ein begehrter, filigran gearbeiteter Christbaumschmuck aus Papier, der sich großer Beliebtheit erfreute. Vinzent Storch ist der Produzent dieser Dresdner Pappen, und er hält sich zugute, dass jede der zahlreichen Bestellungen pünktlich vor dem Weihnachtsfest ihre Adressaten erreicht. Groß ist daher sein Schrecken, als er ausgerechnet am Heiligen Abend eine vergessene Kiste entdeckt, die auszuliefern versäumt wurde. Kurzerhand spannt er die Kutsche an, um die Lieferung noch persönlich ins Erzgebirge zu bringen.
Gerade unterwegs, bekommt Storch gar nicht mit, als ein kleines Mädchen hinten auf den Wagen aufspringt und als blinder Passagier unter der Wachstuchdecke mitfährt. Die 11jährige Lisbeth will ebenfalls ins Erzgebirge, zurück in ihr Heimatdorf zu ihrem Vater und ihren Geschwistern, nachdem sie die Mutter nach Dresden ins Krankenhaus gebracht hat, wo diese ein weiteres Geschwisterchen zur Welt bringen soll. Als Storch das Mädchen schließlich entdeckt, scheucht er sie davon - doch Lisbeth ist hartnäckig und versteckt sich abermals unter der Wachtuchdecke. Schlussendlich erkennt Storch, dass das Mädchen sich besser auskennt als er, und so duldet er sie schließlich als Mitfahrerin. Doch werden die beiden pünktlich und sicher ihr Ziel erreichen?
Obschon sich Ralf Günther bemüht hat, das Setting ansprechend historisch zu gestalten, konnte mich die Atmosphäre leider nicht so recht gefangen nehmen. Dass Vinzent Storch dabei (vor allem zu Beginn) an Charles Dickens Ebenezer Scrooge erinnert, sei dabei nur nebenher erwähnt. Die kleinen Abenteuer der beiden so ungleichen Reisenden erschienen mir recht zusammenhanglos und z.T. auch bemüht konstruiert, trugen aber dazu bei, dass Storch und Lisbeth positive wie negative Reiseerfahrungen machten und dadurch festgefahrene Bilder und Vorurteile z.T. korrigieren konnten.
Einige unglaubwürdige Aspekte störten mich zudem. So erschien es mir wenig vorstellbar, dass der Produzent der Dresdner Pappen einfach drauflos fährt, obwohl er den Weg zum Zielort nicht kennt und auch niemanden danach fragt. Und dass Lisbeht einfach auf den Karren aufspringt ohne zu wissen, wohin dieser unterwegs ist - einfach nur schräg. Wenn Storch nun einfach nach Hause gefahren wäre? Oder zu einem Freund in den Nachbarort? Mich stören solche Ungereimtheiten.
Und das Verhalten von Lisbeht trug noch dazu bei. Dass sie teilweise recht erwachsen wirkt, erklärt sich sicher durch den Umstand, dass sie für ihre älteren Geschwister schon früh mit verantwortlich war und zu Hause tüchtig mit anpacken muss. Doch die anfangs respektvolle Anrede von Vinzent Storch weicht recht rasch schon einer despektierlichen Art des Umgangs, indem Lisbeth ihn mehrfach als "alter Mann" anredet. Für mich überhaupt nicht vorstellbar und im historischen Setting einfach zu flapsig. Selbst heute würden 11Jährige sich in der Regel nicht so verhalten.
Positiv ist allerdings die Gestaltung des Büchleins, das durch die liebevollen Illustrationen von Andrea Offermann sehr gewinnt. Die Geschichte ist flott zu lesen und bietet einen kleinen Einblick in die damaligen Verhältnisse in Dresden und im Erzgerbirge.
Auch wenn mich die Erzählung nicht richtig begeistern konnte, ist dieses Büchlein sicherlich eine nette Geschenkidee zur Adventszeit...
© Parden
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