"Der englische König Eadweard, der keine Kinder hat, verspricht seinem Neffen Guilhem die Krone. Jahre später schwört Earl Harold, Oberhaupt der mächtigen Godwinson Familie, dem Normannenherzog, alles zu tun, um ihm den Thron zu sichern, wie der König es bestimmt hatte. Doch als der alte König endlich stirbt, bricht Harold seinen Schwur, reißt die Macht an sich und lässt sich selbst krönen.
Guilhem sammelt sein Heer, entschlossen, sich sein Recht mit Gewalt zu holen. Ein wahnwitziges Unterfangen, denn Englands Ressourcen sind unendlich größer. Außerdem schickt sich noch ein anderer Herrscher an, die Insel zu erobern. Wer wird am Ende den Thron besteigen?"
- Emma, die alte Königinmutter, machtbewusst und skrupellos. Sie drängt ihren Sohn, die Macht der Godwinsons zu brechen.
- Die sanfte Königin Edythe, zerrissen in einem lebenslangen Loyalitätskonflikt.
- Die selbstbewusste Herzogin Matilda, die Guilhem liebt, seinen Ehrgeiz jedoch verflucht.
- Ealdgyth, Harolds Weib, die um Mann und Familie kämpft.
England am Vorabend der berühmten Schlacht von Hastings - Dieser Roman macht Geschichte lebendig.
Es ist kein Spoiler vor der Geschichte, wenn jetzt schon klar ist: Der eiserne Herzog muss über das Meer.
aus dem Teppich von Bayeux |
Jetzt wissen wir, um was es geht und wollen gar nicht mehr verraten. Widmen wir uns dem Buch:
Die erste Frage gilt dem eisernen Herzog:
Uwe meint zu diesem: Der Mann kommt wie Siegfried daher, stark, selbstbewusst, grinsend, tritt er Matilda gegenüber. Findig, gerissen, klug, gerecht zu seinen Freunden. Grausam gegenüber seinen Feinden, wenn es gilt, Kämpfe zu gewinnen. Er hat das Glück, die Frau zu bekommen, die auch ihn liebt.
Anne: Der normannische Herzog Guilhem (so wird Wilhelm hier genannt) ist ein offenbar durchaus charismatischer Mann, der durch sein Auftreten Matilda von seinen redlichen Absichten sowie von seinen Gefühlen überzeugen kann, der auch zahlreiche Freunde und Anhänger hat, die bedingungslos zu ihm stehen, und der das Talent besitzt, andere von seinen Plänen und Ideen zu überzeugen. Und zumindest hier im Roman ist er auch ein treuer Mann, der keine andere Frau mehr anschaut als Matilda. Aber er hat eben auch eine andere Seite, geprägt durch seine Kindheit und Jugend, in der er immer wieder fliehen musste, weil ihm von Seiten einiger Rebellen der Tod drohte. Er neigt in entscheidenden Situationen zu unnachgiebiger Härte und zu Grausamkeiten, um Widerstände zu brechen und seine Feinde zu besiegen.Wie sein Kontrahent Harold Godwinson wird auch Guilhem hier im Roman sehr ambivalent gezeichnet, was ihn menschlich macht.
Anne: Der sächsische Earl Harold Godwinson wirkt im Grunde eher besonnen. Im Vergleich zu seinem Vater und einigen seiner machtbesessenen und unbesonnenen Brüder strebt er nicht unbedingt nach Höherem. Er akzeptiert den König und dessen Entscheidung, Herzog Guilhem zu seinem Nachfolger zu machen, zumal er - wenn auch gezwungenermaßen - eben jenem Guilhem einen Treueeid schwört. Aber am Sterbebett des Königs lässt sich Harold schließlich doch von einigen Einflüsterern überreden, sich selbst auf den Thron heben zu lassen und damit seinen Schwur zu brechen. Von da an handelt er ebenso unnachgiebig und entschlossen wie sein Kontrahent aus der Normandie. Die politisch erforderliche Heirat mit einer weiteren Frau neben seiner geliebten Ealdgyth war in der damaligen Zeit sicherlich "normal", stieß mir persönlich (und wohl auch seiner ersten Frau) aber sauer auf. Auch Harold Godwinson ist im Roman ambivalent gezeichnet, was für mich nur konsequent erschien.
Uwe: War mir der Guilhem zuerst ziemlich sympathisch, dreht sich das im Laufe des Romans zugunsten Harolds. Der trifft m.E. aus Sicht Englands und seiner Sicht die richtige Entscheidung, auch wenn sie des sterbenden Königs Wunsch nicht entspricht. Harold erinnert ein wenig an Graf Wittichis, der um nach König Theoderichs des Großen König der Ostgoten zu werden, seine Frau verstoßen und eine andere heiraten muss. An Felix Dahns Roman Ein Kampf um Rom, musste ich hier denken, aber ob dies stimmt...
Auch Harold hat das Glück, die Frau zu haben, die ihn liebt...
Und was bedeutet es, wenn Ulf Schiewe den Frauen im Roman eine erhebliche Rolle zukommen lässt?
Anne: Im Grunde hätte keine Notwendigkeit bestanden, die Frauenfiguren hier im Roman so akzentuiert auszubauen und ihnen eine doch nicht unerhebliche Rolle zukommen zu lassen. Im Mittelpunkt des Geschehens stehen definitiv Harold Godwinson und Herzog Guilhem. Aber bekanntermaßen steht hinter jedem starken Mann eine starke Frau, und durch die Darstellung der Sichtweise der Ehefrauen Matilda und Ealdgyth gerät das Bild der Hauptcharaktere auch vielschichtiger. Gerade Matilda scheint auch im historischen Vorbild eine starke und kluge Frau gewesen zu sein - immerhin hat Guilhem ihr während seiner Abwesenheit die Herrschaft über die Normandie anvertraut. Aber auch die Mutter des Königs, wie Uwe es schon beschrieb, war offenbar eine beeindruckende und dazu machtbesessene Frau. Mir persönlich gefiel es sehr, dass Ulf Schiewe hier auch die Frauen in den Fokus gerückt hat, da dies auch noch einmal andere Aspekte beleuchtete und so z.B. die Gier nach Macht - meist von Seiten der Männer - hinterfragt werden konnte. Auch Faktoren wie Menschlichkeit und Emotionalität erhielten so einen Platz im Roman, gerade auch gegen Ende. Alles andere wäre mir auch zu einseitig betont martialisch gewesen.
Wie gefiel uns nun dieses Buch?
Anne: Ich und historische Romane? Eher nicht. Einige wenige Autoren haben dieses harsche No-Go etwas aufweichen lassen - und dazu gehört unbedingt auch Ulf Schiewe. Dieser Roman hat mich wirklich sehr überzeugen können. Trotz der Vielzahl an Charakteren hatte ich zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, nicht mehr durchzublicken. Die historischen Fragmente zu einigen der genannten Ereignisse, die ich womöglich irgendwann einmal gehört oder gelesen hatte, werden hier zu einem spannenden Ganzen zusammengewebt und ergeben im Gesamtkontext ein Bild, das ich nun besser einordnen kann. Learning bei reading sozusagen - und Ulf Schiewe gelingt die Balance zwischen historisch verbrieften Details und spannender Fiktion scheinbar mühelos. Dazu befleißigt er sich eines überaus bildhaften Schreibstils und bindet auch Beschreibungen von Gerüchen und Geräuschen ein, um eine Szene wirklich greifbar und vorstellbar zu gestalten. Das gefiel mir wieder sehr gut. Besonders beeindrucken konnte mich die Schilderung eines Schiffbruchs - das war derart intensiv, dass beim Lesen nahezu der Eindruck entstand, selbst dabei zu sein.
Uwe: Ja, der Schiffbruch. Einerseits die Überfahrt des Harold Godwinson in die Normandie: Sehr eindringlich und plastisch. Ebenso die Überfahrt der normannischen Flotte nach der englischen Insel. Es war auch ein guter Moment, die Schlacht bei Hastings als Schlusspunkt zu setzen. Das Wilhelm der Eroberer gewinnt, sagt schon der Name.
Bei Die Mission des Kreuzritters forderte ich etwas "mehr Geschichte". Das mache ich hier schon mal nicht. Ich bin nämlich voll auf den Geschmack gekommen. Ulf Schiewe hat sowohl Personen als auch Ortsnamen der damaligen Zeit verwendet. Doch hierfür wurde ein Verzeichnis der Orte und handelnden Personen vorangestellt. Deutlich erkennbar ist, dass es nur wenige fiktive Personen gibt, die aber zur Darstellung der Hauptfiguren, vor allem Wilhelms, notwendig erscheinen.
***
Zum Schluss ein etwas anderer Blick in die Geschichte:
Ulf Schiewe hat auf eine Frage in der Leserunde geantwortet, dass er für einen solchen Roman ungefähr drei Monate recherchiert. Was vor 1000 Jahren passierte, kann niemand genau wissen, schreibt er in den Anmerkungen zum Buch. Dabei verweist er auf eine besondere Quelle, den Teppich von Bayeux, der den Hergang der Geschehnisse grafisch darstellt. Auf diesem finden sich die Personen, die oben auf den Detailbildern zu sehen sind und noch viel mehr. Ein außergewöhnliches Kunstwerk.
Klickt auf das Bild und ihr könnt das Kunstwerk betrachten, es ist ungefähr einen halben Meter hoch und über 68 Meter lang. Er ist im dafür eingerichteten Centre Guillaume le Conquérant in Bayeux ausgestellt. Er ist ein Weltdokumentenerbe und gehört als solches zum UNESCO-Programm Memory of the World.
Link |
- Normandie - Wappen von: https://de.wikipedia.org/wiki/Herzogtum_Normandie
- Bilder aus den Wikipedia - Artikeln
- Teppich von Bayeux: https://de.wikipedia.org/wiki/Teppich_von_Bayeux
- Mathilde: https://de.wikipedia.org/wiki/Mathilde_von_Flandern
- DNB / Bastei-Lübbe / Köln 2022 / ISBN: 978-3-7857-2818-3 / 558 Seiten
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