Nebra vor 4000 Jahren: Lange haben sich die Menschen der Willkür des
mächtigen Fürsten Orkon gebeugt, der das Volk quält und ausbeutet, sich
nimmt, wonach immer es ihn gelüstet. Jetzt endlich regt sich Widerstand.
Die junge Priesterin Rana will Orkons dunkle Herrschaft brechen und die
Menschen befreien. Das Werk ihres Vaters soll ihr dabei helfen: eine
bronzene Scheibe, die den Sternenhimmel zeigt und eine geheime Botschaft
der Götter enthält. Sie steht für die Göttin des Lichts, die dem Hass
Liebe entgegensetzt. Doch Ranas Weg ist gefährlich, viel steht auf dem
Spiel. Auch das Leben derjenigen, die ihr am liebsten sind ...
- Gebundene Ausgabe: 624 Seiten
- Verlag: Lübbe; Auflage: 1. Aufl. 2020 (27. März 2020)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3785726759
- ISBN-13: 978-3785726754
Jetzt wird der liebe Uwe sicher mit den Ohren schlackern. Nicht nur dass ich letztens erst einen historischen Thriller gelesen habe, nein, jetzt schob ich gleich auch noch einen zweiten historischen Roman hinterher! Im Rahmen einer weiteren Leserunde bei Whatchareadin ergab sich die Möglichkeit mitzulesen und sich dabei erneut mit dem Autor auszutauschen. Da ich über die Bronzezeit - in dieser Epoche ist der Roman angesiedelt - bislang herzlich wenig wusste, ergriff ich die Chance, diese Wissenslücke ein wenig aufzufüllen. Ob es mir gefallen hat? Lest selbst...
DAS SYMBOL DER FREIHEIT...
Die Himmelsscheibe von Nebra (Quelle: Wikipedia) |
Wer
mich kennt, der weiß, dass historische Romane nicht zu meinen
bevorzugten Genres gehören. Ein 'Quotenbuch' pro Jahr muss da in der
Regel genügen. Da ich aber vor kurzem von 'Der Attentäter'
von Ulf Schiewe recht angetan war, beschloss ich, auch seinem neuesten
Roman die Chance zu geben, mich zu begeistern. Neugierig war ich
obendrein. Immerhin spielt diese Handlung in der Bronzezeit, also vor
ca. 4000 Jahren. Es gibt aus dieser Zeit zwar etliche Funde (wie z.B.
die Himmelsscheibe von Nebra), aber keine schriftlichen oder mündlichen
Überlieferungen. Wie authentisch würde also solch ein Roman gelingen?
Ich gebe zu, dass ich anfangs etwas erschlagen war von den zahllosen
Charakteren, Örtlichkeiten, Gottheiten, gesellschaftlichen, politischen
und religiösen Zusammenhängen, Riten und Gebräuchen. Notwendig,
sicherlich, um einen Eindruck von Viehzucht und Ackerbau zu erhalten,
vom Handwerk der damaligen Zeit, von der Dorfstruktur, vom Machtgefüge,
von den Bauten, den Heiligtümern, den gängigen Nahrungsmitteln - und von
vielem anderen mehr. Dies ging v.a. im ersten Viertel des Romans
zulasten der eigentlichen Handlung, die dadurch etwas stockend in Fahrt
kam.
Ab dem zweiten Viertel jedoch steht die Handlung selbst zunehmend im
Mittelpunkt, wobei Ulf Schiewe durch wechselnde Perspektiven und
Handlungsstränge für einen umfassenden Blick des Lesers sorgt und
gleichzeitig die Spannung hochhält. Die junge Rana, geweihte Priesterin
der Göttin Destarte, reift im Laufe der Erzählung von einem eher naiven
Mädchen zu einer willensstarken Frau heran, die durch flammende Reden
auch andere zu überzeugen vermag.
Dabei setzt Rana die von ihrem Vater - einem Schmied - in langer
Arbeit gefertigte und verfeinerte Bronzescheibe ein, die Mond und Sterne
in einer bedeutsamen Konstellation darstellt und dabei lt. Ranas Vater
das geheime Wissen der Götter darstellt. Die junge Priesterin nutzt die
Möglichkeiten dieser Himmelsscheibe auf ihrem Weg gegen den langjährigen
Unterdrücker zwar nicht in der von den Göttern implizierten Weise, wohl
aber als Symbol der Freiheit, das in seiner Kunstfertigkeit viele
Menschen zu beeindrucken weiß.
Wem es nicht bereits während der Lektüre deutlich wird, der erfährt
spätestens im Nachwort des Autors von seiner wieder einmal überaus
akribischen Recherche. Mehr als von mir vermutet, beruht die Handlung
des Romans auf Fakten (Funden von Kultstätten, Gräbern, Siedlungen
usw.), so dass hier tatsächlich ein glaubwürdiger Einblick in die Zeit
vor ca. 4000 Jahren gewährt wird.
Um diese bekannten Fakten herum hat Ulf Schiewe dann seiner Fantasie
freien Lauf gelassen und eine spannende Erzählung gesponnen. Vieles
musste er sich ausdenken, wie z.B. die Namen der Götter, die damals 'en
vogue' waren - hier wählte er eine Anlehnung an eine Mischung aus
germanischen und griechischen Göttern. In einer Leserunde führte der Autor dazu aus:
"Die Archäologie kann uns nichts über Gottheiten verraten. Die
Menschen damals waren nicht schriftkundig und haben keine Dokumente
hinterlassen. Also musste ich mir Gottheiten, Mythen und zum Teil Riten
(außer bei Begräbnissen) ausdenken. Da germanische und griechische
Götterwelten sich in vielem ähneln und beide indoeuropäischem Ursprung
sind, müssen sie auf gleichen Urmythen aufbauen. Das war jedenfalls
meine Überlegung."
Das Buch lässt sich flüssig lesen, der Schreibstil ist eingängig und
fließend. An einigen Stellen geriet mir die Sprache allerdings zu
umgangssprachlich. Nicht dass eine derbe Ausdrucksweise nicht zu den
teils sehr derben Charakteren passt, aber manches gehört sicher nicht zu
den Redewendungen von vor Tausenden von Jahren (z.B. auf S. 157: "Wir
haben ihm den Arsch gerettet" oder auch auf S. 158: "Bist du dämlich,
Mann?" oder das letzte Wort eines Sterbenden: 'Scheiße'). Das sind für
mich eher flapsige Ausdrücke der heutigen Zeit. Ansonsten zeigt der Text
jedoch schon das Bemühen um eher altertümliche Redewendungen...
Alles in allem kann ich diesem historischen Roman rund um die
Himmelsscheibe von Nebra jedenfalls positive Prädikate bescheinigen:
spannend, unterhaltsam, lehrreich und lesenswert!
© Parden
Was der Autor in seinem Blog über sich verrät:
Geboren bin ich im Weserbergland und in Münster aufgewachsen. Ich habe
lange als Software-Entwickler und Marketingmanager in führenden
Positionen bei internationalen Unternehmen gearbeitet und über zwanzig
Jahre lang im Ausland gelebt, unter anderem in der französischen
Schweiz, in Paris, Brasilien, Belgien und Schweden. Schon als Kind war
ich ein begeisterter Leser von abenteuerlichen Geschichten aller Art.
"zahllosen Charakteren, Örtlichkeiten, Gottheiten, gesellschaftlichen, politischen und religiösen Zusammenhängen, Riten und Gebräuchen."
AntwortenLöschenDas ist wohl schwierig, wenn die Geschichte soweit zurückgeht.
Ansonsten herzlichen Glückwunsch...
Hallo Anne,
AntwortenLöschenmir ging es am Beginn genauso, aber dann war ich wirklich total in der Geschichte drinnen, die in eine Welt führt, die uns gänzlich unbekannt ist. Toll recherchiert hat der Autor und einen gelungenen Roman geschrieben.
Liebe Grüße
Martina
Dem kann ich mich nur anschließen... ^^
LöschenWährend ich den Büchern von Ulf Schiewe immer näher komme, vom Attentäter und vom Eisernen Herzog begeistert war, kann ich das von Nebra´s Kindern nicht gleichermaßen behaupten. Der Autor hat das eigentlich selber erklärt, denn über Menschen von 4000 Jahren zwischen Unstrut und Brocken zu schreiben, ist nicht leicht. Und so zogen Göttinnen und Götter ein, die irgendwie griechisch wirkten. Natürlich war vieles sehr gut, die Herstellung von Bronzewaffen und Goldschmuck wie auch der berühmten Scheibe von Nebra, das war alles sehr interessant. Sicher haben Archäologen in den Grabhügeln viel heraus gefunden, aber wie gesagt, ich war nicht richtig zu begeistern. Es ist schade, dass ich mich mit Ulf Schiewe im Oktober zur Verleihung der HOMER-Literaturpreise nicht unterhalten kann.
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