Wolodja Slawin ist ein Oligarch mit politischen Ambitionen. Als der junge Journalist Anton Quint enthüllt, dass der selbsternannte Patriot sein Vermögen außer Landes gebracht hat und seine Familie lieber an der Côte d’Azur weilt als in Russland, schwört Slawin Rache. Aus den Stimmen von Jägern und Gejagtem setzt sich die Geschichte einer Menschenjagd mit fatalen Folgen zusammen. Temporeich, schonungslos, literarisch meisterhaft komponiert – ein Roman, nah an der Realität, von einem mutigen Kritiker der Zustände in Russland und seinem Heimatland Belarus. (Klappentext)
DNB / Diogenes / 2022 / ISB-N: 978-3257071580 / 288 Seiten
EIN DÜSTERER BLICK AUF RUSSISCHE VERHÄLTNISSE...
Quelle: Pixabay |
Auch wenn mich "Rote Kreuze" und "Der ehemalige Sohn" seinerzeit nicht vollständig überzeugen konnten, halte ich Sasha Filipenko für einen wichtigen Autor, da er unangenehm den Finger in die Wunde zu legen vermag und sich davon auch nicht abhalten lässt. Dementsprechend war ich auch wieder neugierig auf den aktuellen Roman des heute in der Schweiz (im Exil) lebenden Weißrussen.
Der Roman verfolgt verschiedene Handlungsstränge, was anfangs etwas verwirrend ist, sich aber zunehmend verdichtet und aufklärt. Überschrieben mit Sätzen aus einer musikalischen Sonate ( Exposition, Durchführung, Reprise usw.) ist der Aufbau zudem sehr eigenwillig, passt aber wiederum zu einem der Charaktere, der sich der Musik verschrieben hat. Das Bild, das Sasha Filipenko hier zeichnet, ist ein düsteres, schonungsloses, erschreckendes, desillusionierendes - und ein doch womöglich realistisches. Das macht die Leseerfahrung so unangenehm.
Erzählt wird von einer Bärenjagd, grausam geschildert, um dann auf die Jagd nach einem investigativen Journalisten zu schwenken, dem die Hunde sinnblidlich genauso auf den Fersen sind wie dem zuvor erwähnten Bären. Der Oligarch, dem der Journalist zu nahe getreten ist, weiß sich auf seine Art zu wehren. Seine Handlanger betreiben Psychospielchen, verbreiten falsche Informationen, stacheln die Meinung der Öffentlichkeit durch Fake-News an, treiben einen Keil zwischen den Journalisten und seine Familie sowie seine Freunde - kurz: ziehen alle illegalen Register, ohne dass sie jemand belangen könnte oder auch nur wollte. Eine Jagd, bei der dem Opfer zuletzt kein Ausweg mehr bleibt - Happy End ausgeschlossen...
"Vielmehr scheint mir, dass ich nicht der Einzige bin, der leere Nachrichten versendet... Unser Imperator spricht in Worten, die nichts bedeuten, sein Gefolge denkt sich Gesetze aus, die keinen Sinn ergeben ..." (S. 13)
Leicht kafkaeske Züge erhält die Erzählung durch einen Nebenstrang von einer Gerichtsverhandlung über jemanden, der im Internet einfach eine leere Seite gepostet hat. Diesem wird eine subversive Haltung unterstellt, zumal hunderte von Menschen diesen Post weiter verbreitet haben. Die Positon des Staatsanwalts und des Rechtsanwalts wird von einer einzigen Person bekleidet, das Urteil fällen die virtuellen Zuschauer im Netz durch einen Klick. Alle, die auf "unschuldig" plädieren, müssen eine saftige Gebühr zahlen und sämtliche relevanten Informationen hinterlassen, die ein Aufspüren ihrer Person mühelos ermöglicht. Alle anderen können kosten- und folgenfrei ihr Urteil fällen. Eine absurde Dystopie innerhalb des Romans, die aber ebenfalls für Bauchschmerzen sorgt. Scheint sie doch lediglich eine etwas überzogene Darstellung der Realität zu sein...
Ein düsterer Blick auf russische Verhältnisse von einem Autor, der nach Weißrussland schließlich auch Russland verlassen musste. Ein realistisches Bild? Sasha Filipenko wird es wissen...
© Parden
Ziemlich viel "russisch" in den letzten 12 Monaten auf unserem Blog...
AntwortenLöschenStimmt. Aber das Land drängt sich derzeit auch einfach in den Fokus...
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