Donnerstag, 11. Juli 2013

DI FULVIO, Luca: Das Mädchen, das den Himmel berührte


621 lange aber auch kurzweilige Minuten


Lange Autofahrten standen ins Haus im letzten halben Jahr. Dass es nicht so viele geworden sind, lag an meiner Unlust zu fahren. Da half auch nicht der Roman des Italieners LUCA DI FULVIO, den ich über www.audible.de auf mein Smartphone geladen hatte. Einen historischen Roman über Italien, Rom und Venedig im 16. Jahrhundert. Ich und Hörbücher. Nun, auf Grund der am Ende fehlenden Autofahrten hat es sehr lange gedauert, bis ich diese 621 Minuten Spieldauer "abgearbeitet" hatte.




Zum Inhalt.
In Rom kommt ein jüdischer Kaufmann mit einer jugendlichen Betrügerbande in Berührung. Der Held unseres Romans, er heißt Mercurio, sticht den Kaufmann vermeintlich nieder, der geisteskranke riesenhafte Freund des kleinen Zolvo, der auch dazu gehört, stirbt bei diesem Gerangel. Aber Mercurio hat durch diesen Raub die Möglichkeit, dem örtlichen Totengräber und dem Waisenhaus zu entkommen. Mit von der Partie ist außerdem noch das Mädchen Benedetta. Die Kinder müssen fliehen und treffen bei einem Trupp Soldaten, die aus der Schlacht heimkehren ebenfalls einen Betrüger. Dieser ist Jude und hat nicht geringe medizinische Kenntnisse, die der Hauptmann der Truppe sofort ausnutzt. Isacco hat eine Tochter, die hübsche Giudetta. Diese sieht irgendwann in die Augen des Jungen Mercurio. So nimmt das Schicksal seinen Lauf. Es geht nach Venedig

Venedig die Lagunenstadt, ihre Fischer, ihre Betrüger, ihre Huren und Soldaten, die Arbeiter des Arsenals, welche die benötigten Schiffe bauen, diese Stadt wird nun Schauplatz des Romans. Die weitere Handlung speilt sich in Mestre, der nächstgelegenen Festlandstadt und Venedig ab, sieht man davon ab, dass eine nicht sprechen könnende Person ebenfalls auf dem Weg nach Venedig ist.

Giudetta, angefeindet und beneidet von Benedetta, wird eine bekannte Schneiderin, während ihr Vater die Huren der Stadt wegen Verbreitung der französischen Krankheit (Syphilis) behandelt.  Als Schneiderin stellt sie zuerst mal die verlangten gelben "Judenhüte" her. Schon so oft war die gelbe Farbe Abzeichen für die Juden in der europäischen Diaspora. Mit den Hüten hat sie bei den jüdischen Frauen Erfolg, wel sie modisch und unterschiedlich sind. Sie wohnen jetzt im neu errichteten oder besser gesagt im nunmehr ummauerten jüdischen Getto. Eine junge erfolgreiche Jüdin, die inzwischen so schöne Kleider herstellt, dass auch christliche Frauen Schlange stehen, muss ja in Konflikt mit der katholischen Bevölkerung kommen, in einer Zeit, in der die Hexenverfolgung gang und gäbe ist. Ob Mercurio es schafft, Giudetta aus der Republica de Venessia (venetisch), genannt "Erlauchteste Republik des Heiligen Markus", kurz Serenissima,  wegzubringen?
 
* * * 

Geschichte: Wir lernen viel über die medizinischen Möglichkeiten der damaligen Zeit und über die "Politik" der Hurenhäuser und den Zusamenhalt der Frauen. Gerade Geschlechtskrankeiten, die man noch nicht effektiv behandeln konnte, rafften Huren und Bürger manchmal zu Hunderten dahin. Venedig wurde durch den Handel und als Seemacht bekannt, berühnt und reich. Der Reichtum kam also zum Teil von den Schiffen. Einen kleinen Einblick zum Bau großer Schiffe erhalten wir auch in Fulvios Roman. Selbstverständlich darf die auch heute als Zeremonie der spirituellen Vermählung Venedigs mit dem Meer nicht fehlen. 


 "Disponsamus te, Mare, in signum veri perpetuique dominii"
 
Ebenso gibt es Wissenswertes über die Art und Weise der Führung der Republik und die daran beteiligten alten Familien zu hören bzw. zu lesen. Venedig hat es ja vielen Autoren angetan, und so hat der studierte Dramaturg FULVIO sicher einen Roman geschrieben, dessen Bilder ein vermutlich genaues Abbild des Venedigs am Beginn des 16. Jahrhunderts wiedergeben. Es ist die Zeit, da die großen Entdeckungen weitergehen und Amerika schleicht sich in die Gedanken der unterdrückten und gepeinigten Menschen ein.

* * *

Der im Jahr 1957 in Rom geborene Italiener Luca Di Fulvia hat uns einen bildgewaltigen Roman beschert, der auch als Hörbuch gut funktioniert. Der Sprecher Philipp Schepmann, ein Schauspieler der für das Hörbuch DER KÖNIG VON NARNIA in der Kategorie BESTER SPRECHER den Deutschen Hörbuchpreis erhielt, schafft es, dem geneigten Hörer die unterschiedlichsten Figuren an das "Herz zu sprechen".  Obwohl ein historischer Roman, finde ich dass uns hier ebenfalls ein Liebesroman vorliegt. Einer, der für Bücherliebhaberinnen und -liebhaber gleichermaßen ansprechend ist. 

 * * *

Mit den erwähnten großen Pausen ist es nicht so einfach, dem Roman zu folgen. Da die Handlung aber nicht allzu schnelllebig ist, kommt man schnell wieder rein. Betonung und Lesestil passen irgendwie zu diesem Roman, meint der weitestgehend Hörbuchunerfahrene.
  
Ich nehme an, dass ich DEN JUNGEN, DER TRÄUME SCHENKTE, ebenfalls noch "konsumieren" werde. Ob nun als Hörbuch oder eBook oder als unmittelbares "Blätterbuch" weiß ich noch nicht.

© Bücherjunge (01.07.2023)

PS: Die letzten Kapitel habe ich tatsächlich erst während der letzten langen Autofahrt nach Hause gehört.  

3 Kommentare:

  1. Die Buchbesprechung gefällt mir. Schon toll, welche Möglichkeiten der Blog so bietet.

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    1. Ich finde es auch immer besser. Übrigens schreibe ich erst die Kurzform für BG und LB, die ich dann erweitere.

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  2. Gefällt mir die Rezi und der Blog sowieso :)

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