Sonntag, 21. April 2024

Kerstin Groeper erzählt Indigene Märchen


Im Literaturunterricht in der Schule lernten wir etwas über Fabeln. Tiere, gelegentlich Pflanzen übernahmen die Rollen von Menschen, und dadurch wurden in kurzen Prosatexten den Menschen Lehren oder kleine Belehrungen erteilt. Märchen dagegen enthalten bei uns meist wundersame Begegnungen, manchmal Zauberei und lassen sich von mythologischen Sagen und Erzählungen manchmal nur unscharf trennen.

Indigene Märchen lassen sich auf diese Weise nicht einfach trennen, aber auf eine literaturwissenschaftliche Erläuterung kommt es gar nicht an. In ihnen wird die Schöpfung, die Mythologien, Märchen und Fabeln fast gleichermaßen erzählt. Manchmal erscheint uns das wundersam.

Kurz zum Begriff, wozu ich auf die Erläuterungen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammen-arbeit und Entwicklung zurück.

"Das Wort „indigen“ geht auf die lateinische Sprache zurück und bedeutet fachsprachlich „in einem bestimmten Gebiet geboren“ oder „in einem bestimmten Gebiet beheimatet“. Für den zusammengesetzten Begriff „indigene Völker“ gibt es keine allgemein anerkannte Definition. Die Vereinten Nationen haben Kriterien formuliert, die sich insbesondere auf die Selbstidentifikation beziehen. Demnach sind indigene Völker

  • Nachfahren der Erstbewohnerinnen und -bewohner eines Gebietes, auch „autochthone Völker“ genannt;
  • Völker, die eine kulturelle Besonderheit bewahren wollen, die sich von der nationalen Gesellschaft unterscheidet;
  • Völker, die sich selbst als eigene, indigene und somit abgegrenzte Gruppe in der Gesellschaft identifizieren;
  • Völker, die die Erfahrung von Unterdrückung, Diskriminierung, Marginalisierung und Enteignung bis hin zur Ausrottung gemacht haben.
In etwa 90 Staaten der Welt leben rund 5.000 indigene Völker, denen insgesamt mehr als 476 Millionen Menschen angehören. Trotz international verbriefter kollektiver Rechte werden indigene Völker in den meisten Staaten vom politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben weitgehend ausgeschlossen.“ (Quelle)

Indianer sind für mich Angehörige indigener Völker Nordamerikas. Daher würde ich der Verwendung des Begriffs „indianische Märchen“ eher zustimmen. Es ist nun einmal keine „Weltsammlung“. Verschiedene Gruppen erkennen den amerikanischen Begriff "indian / indians" durchaus an, andere sehen dies eher kritisch.  


Zwanzig Märchen hat Kerstin Groeper ausgesucht. Sofern es die acht Märchen der Lakota geht, waren solche auf Litterae-Artesque schon einmal Thema. Zitkala-Ša (1876 – 1938), eine Dakota – Lehrerin und Schriftstellerin, stellt in „Roter Vogel erzählt“ einige der Geschichten vor. 

Daher kannte ich die Geschichte von Iktomi und den Enten schon, die Kerstin Groeper mit in ihre Sammlung aufgenommen hat. Iktomi, auch Spinnenmann oder Trickser genannt,  eine Art durchtriebener Schelm der an Loki erinnert, wir würden ihn hier auch als Gauner bezeichnen, ist eine immer wieder auftauchende Figur in diesen indianischen Märchen der Sioux. Hier lockt er die Enten in einen Sack, indem seine Lieder stecken sollen. Diese sind neugierig, schließen auf Iktomis Geheiß die Augen, worauf er eine nach der anderen erschlägt. Nur eine bleibt übrig, die nun rote Augen hat.

Eine schöne Geschichte ist eine der Cheyenne, in welcher erzählt wird, wie die Sterne in den einst dunklen Himmel gekommen sind. Sieben Brüder und ein Mädchen müssen sich vor dem Büffelkönig retten, mit ihren Pfeilen erreichen sie erst die Wolken und dann den Himmel. Wieder eine Geschichte, die an die Plejaden erinnert, Gegenstand vieler Mythen in der Welt.

Es sind also nicht nur Tiere und Pflanzen (wie Großmutter Weide die Sonne einfing – Menominee), hier handeln auch Menschen. Doch immer sind Flora und Fauna, der Himmel und die Erde zugegen.

Die Geschichten wurden, wie überall auf der Welt, durch die allseits geachteten Geschichtenerzähler überliefert. Vielleicht ist das bei den Völkern der nordamerikanischen Prärie oder bei den Navajos und anderen noch mehr bedeutsam, weil dort die alten Erzähler, die Großmütter und Großväter, gegenwärtiger sind als bei uns, denn das Schreiben lernten die Völker erst im Zuge der Besiedlung und Eroberung des Westens Nordamerikas. Besagte Zitkala-Ša (Ellen Simmons) war eine der Ersten, die den Erhalt der Geschichten durch Aufschreiben sicherte, ebenso wie John Okute Sica (1890 – 1964), der in Das Wunder vom Little Big Horn Geschichten seines Volkes veröffentlichte.

Kerstin Groeper, die den Traumfänger-Verlag vertritt, hat sich mit vielen eigenen „Indianer-Büchern“ einen Namen gemacht, ihre Romane zeichnen sich durch umfangreiche Recherche und großes, auch vor Ort erworbenes Wissen aus. Damit werden sie authentisch. Es lag nahe, dass sie für den deutschen Leseraum eine solche Sammlung zusammen stellte, die nicht nur Geschichten der Lakota, sondern ebenso der Delaware, Oijibe, Mohawk, Algonquin und anderer enthält.

Eines der Märchen, Die Klapperschlange und der Fuchs, stammt von der sammelnden Autorin selbst. In dieser bittet eine Klapperschlange einen Fuchs, ihr bei der Flucht vor einem Waldbrand über einen Fluss zu helfen, beisst diesen der Mitte des Flusses, weswegen beide ertrinken. Ist die Klapperschlange böse, fragt Kerstin ihre Leser oder Zuhörer, denn gern erzählt sie davon, wenn sie über Indianer, über die Native Americans oder die First Nations berichtet.

Die Zeichnungen im Buch stammen von Brigitte Tagita Pönnighaus, die auch das hier besprochene Buch Tecomah und der Orca illustriert hat.

Vielen Dank für das Rezensionsexemplar, liebe Kerstin Groeper.


© Bücherjunge


1 Kommentar:

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