Der Regen trommelt auf den schottischen See, schluckt das Licht
des langen Sommertages und lässt die Pfützen brodeln. Hinter den
Fenstern der wenigen Ferienhütten bleibt kaum etwas zu tun, als die
Nachbarn zu beobachten. Während die Stunden fast unmerklich vergehen,
formen die Urlaubsgäste aus flüchtigen Eindrücken ihr Urteil. Über die
Mutter, die bei Tagesanbruch in ein paar kostbare Stunden Einsamkeit
flüchtet. Den Jungen, der den windgepeitschten See seinen nervtötenden
Eltern vorzieht. Und vor allem über diese eine Familie mit dem komischen
Nachnamen, die hier einfach nicht hingehört. Mit Witz und
Einfühlungsvermögen erzählt Sarah Moss von der menschlichen Fähigkeit zu
Grausamkeit und Güte. (Verlagsbeschreibung)
Diesen Roman las ich im Rahmen einer Leserunde bei Whatchareadin, und ich danke dem Verlag auch auf diesem Weg ganz herzlich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Ein verregneter Sommer - selten las ich ein passenderes Buch zur rechten Zeit. Auch bei uns stand der Juli in diesem Jahr komplett unter Wasser, was ich nach den sich an Temperaturrekorden und Trockenperioden überbietenden Sommermonaten der letzten Jahre als angenehme Abwechslung empfand. Aber Sarah Moss widmet sich dem, was ein verregneter Urlaub so alles bewirken kann, und ich sage nur: menschliche Abgründe. Mehr darüber könnt Ihr hier lesen:
DAUERREGEN...
Eine Feriensiedlung an einem schottischen Loch, alte Holzhütten, die
ihre beste Zeit schon hinter sich haben, und doch könnte es ein ruhiger
und erholsamer Urlaub sein, würde es nicht schon seit Tagen ohne
Unterlass regnen. Der Dauerregen schlägt auf die Stimmung, zermürbt die
Urlauber, man hockt in der Enge der Häuser aufeinander ohne die üblichen
Outdoor-Aktivitäten, noch nicht einmal die Handys haben Empfang.
Jedes Kapitel widmet sich einem anderen Feriengast, begleitet ihn ein
Stück durch den Tag, nimmt teil an seinen Gedanken und Empfindungen.
Eine Lebensunzufriedenheit unterschiedlichen Ausmaßes begegnet einem da
in dieser Feriensiedlung - und der Dauerregen stellt Beziehungen
jedwelcher Art auf die Probe. Jeder flüchtet hier vor irgendwas, zieht
die Einsmkeit der Zweisamkeit vor. Und beobachtet so ganz nebenher auch
die Menschen in den benachbarten Blockhütten.
Eingelullt und fast genervt war ich von all den gelangweilten,
schlecht gelaunten, miesepetrigen, negativen Gedanken der Bewohner der
Feriensiedlung. Und doch konnte ich mich der gedrückten Atmosphäre nicht
entziehen, die Sarah Moss hier kreiert - düster und mit dem Gefühl
einer zunehmenden Bedrohung. Das Prinzip von Andeutungen und
Auslassungen trägt sicherlich dazu bei.
Neben den Charakterzeichnungen (oft mit wenigen Pinselstrichen
hingeworfen und dabei unglaublich treffend skizziert) haben mich auch
die bildhaften Naturschilderungen beeindruckt, die oftmals ebenfalls
düster ausfallen. Der Schreibstil ist ruhig und gesetzt, stellenweise
fast poetisch: "Er schenkt ein, von weiter oben als nötig, bewundert
die Form der fallenden Flüssigkeit und den sich ringelnden Dampf, die
Drinnen-Variante des Nebels zwischen den Bäumen." (S. 29) Dann wieder ist die Ausdrucksweise unvermittelt so harsch, dass man fast zusammenzuckt.
Wie gelungen dieser Roman konstruiert ist, entpuppt sich erst ganz am
Schluss - das Ende hat definitiv einen "Wow"-Charakter. Und der letzte
Satz: Gänsehaut! Keinesfalls eine erbauliche Sommerlektüre. Aber ein
klug konzipiertes psychologisches Kammerspiel, das mich letztlich sehr
für sich einehmen konnte.
© Parden
Sarah Moss, geboren 1975 in Schottland, wuchs in Manchester auf und
promovierte an der Oxford University in Literatur. Nach Stationen in
Kent, Exeter, Reykjavík und Warwick lehrt sie heute Kreatives Schreiben
am University College of Dublin. 2009 hat sie ihren ersten Roman
Schlaflos veröffentlicht. Ihre Romane wurden mehrfach für den Wellcome Book Prize nominiert, mit dem sie 2015 ausgezeichnet wurde.
(Quelle: Unionsverlag)
Deprimierend. Aber Interessant. Erst richtig runter (unter Wasser) ziehen, dann wieder hochschnellen lassen.
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