Der Erzählungsband »Wölfe in der Nacht« des kubanischen Autors Ángel
Santiesteban erzählt von einem anderen Kuba, fern der Postkartenidylle
und des scheinbar so karibisch-leichten Lebensflairs: verstörend,
eindringlich, hochpolitisch. Unbeirrbar erhebt der Kubaner Ángel
Santiesteban seine Stimme gegen Willkür und Unterdrückung. Seine
Erzählungen sind durchwebt von eigenen Erfahrungen, ihr Spektrum reicht
von phantastisch bis zu erschütternd real: Da verschwindet eine Figur
aus ihrem Roman, um der Zensur zu entgehen; eine hungrige Meute Männer
zieht im Dunkel der Nacht los, um das Fleisch toter Rinder zu stehlen;
inmitten einer ausgelassenen Feier suchen einen Soldaten Erinnerungen an
den Angola-Krieg heim. (Verlagsbeschreibung)
Wieder hat mich eine Challenge zu einem Buch greifen lassen, auf das ich sonst sicherlich nie gestoßen wäre. Es ist auch nicht direkt eine Mainstream-Lektüre, sondern schon etwas Außergewöhnliches. Derzeit hat das Buch bei Amazon.de gerade einmal 11 Sterne Bewertungen. Dabei wäre ihm mehr Aufmerksamkeit zu wünschen. Fern der Tourismus-Idylle erzählt
Ángel Santiesteban von einem düsteren Kuba, gefährlich in einem Staat, in dem freie Meinungsäußerung, Presse-,
Vereinigungs-, Versammlungs- und Bewegungsfreiheit massiv beschnitten
sind. Der Autor saß wegen regimekritischer Äußerungen bereits in Haft und darf bis heute in Kuba nicht publizieren.
DESILLUSIONIEREND...
Um die Bedeutung des Buches zu unterstreichen, möchte ich hier
ausnahmsweise die Informationen zum Autor voranstellen: "Ángel
Santiesteban, geboren 1966 in Havanna, ist das literarische Gewissen
Kubas. Jahrelang war er der gefeierte Autor seiner Generation und wurde
mit allen wichtigen Literaturpreisen des Landes ausgezeichnet. Nachdem
er einen regimekritischen Blog zu schreiben begann, wurde er wiederholt
bedroht und schließlich zu einer Haftstrafe verurteilt. Auf Druck des
Writers in Prison Committee (WiPC) des PEN International wurde er im
Juli 2015 bedingt aus der Haft entlassen, darf aber in Kuba nicht
publizieren. 2020 wurde er von der Václav Havel Library Foundation mit
dem renommierten »Disturbing the Peace Award« ausgezeichnet."
(S. Fischer Verlage)
Entsprechend kritisch, nachdenklich, melancholisch, bedrückend,
unbequem muss man sich diese Erzählungen auch vorstellen. In
schnörkellosem und direktem Schreibstil legt der Autor den Finger in die
Wunde, beschreibt verstörende Lebenswelten und präsentiert ein ums
andere Mal eine existentielle Verlorenheit, die teilweise beim Lesen
kaum erträglich ist. Armut, Repressalien, Willkür, verlorene Träume,
Kriegserlebnisse in Angola, Gefängnisgeschichten sind dabei immer
wiederkehrende Themen. Mehr als einmal stellt sich da die Frage: Wann
wird der Mensch zum Tier?
Die Erzählungen werden teilweise auf realer Ebene erzählt, teilweise
gleiten sie jedoch auch ins Fantastische ab, was die Eindringlichkeit
jedoch nicht schmälert. Mehr als einmal überschreitet der Autor dabei
die Ekelgrenze in seiner detaillierten Schilderung bestimmter Zustände,
und mehr als einmal wollte ich nicht mehr hinschauen. Doch Durchhalten
lohnt sich, auch wenn ich dringend empfehle, die Erzählungen nur
wohldosiert zu lesen.
Ein erschütternder Erzählband von einem, der sich den Mund nicht verbieten lässt...
© Parden
Interessant. Und doch würde ich Kuba gern einmal besuchen.
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