Freitag, 22. September 2023

Santiesteban, Ángel: Wölfe in der Nacht

Der Erzählungsband »Wölfe in der Nacht« des kubanischen Autors Ángel Santiesteban erzählt von einem anderen Kuba, fern der Postkartenidylle und des scheinbar so karibisch-leichten Lebensflairs: verstörend, eindringlich, hochpolitisch. Unbeirrbar erhebt der Kubaner Ángel Santiesteban seine Stimme gegen Willkür und Unterdrückung. Seine Erzählungen sind durchwebt von eigenen Erfahrungen, ihr Spektrum reicht von phantastisch bis zu erschütternd real: Da verschwindet eine Figur aus ihrem Roman, um der Zensur zu entgehen; eine hungrige Meute Männer zieht im Dunkel der Nacht los, um das Fleisch toter Rinder zu stehlen; inmitten einer ausgelassenen Feier suchen einen Soldaten Erinnerungen an den Angola-Krieg heim. (Verlagsbeschreibung)
 
DNB / S. Fischer Verlage / 2017 / ISBN: 978-3-10-397308-2 / 272 Seiten









Wieder hat mich eine Challenge zu einem Buch greifen lassen, auf das ich sonst sicherlich nie gestoßen wäre. Es ist auch nicht direkt eine Mainstream-Lektüre, sondern schon etwas Außergewöhnliches. Derzeit hat das Buch bei Amazon.de gerade einmal 11 Sterne Bewertungen. Dabei wäre ihm mehr Aufmerksamkeit zu wünschen. Fern der Tourismus-Idylle erzählt Ángel Santiesteban von einem düsteren Kuba, gefährlich in einem Staat, in dem freie Meinungsäußerung, Presse-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Bewegungsfreiheit massiv beschnitten sind. Der Autor saß wegen regimekritischer Äußerungen bereits in Haft und darf bis heute in Kuba nicht publizieren.





















DESILLUSIONIEREND...

 

Unter Verwendung Quelle: Pixabay

 

Quelle: S. Fischer Verlage
Um die Bedeutung des Buches zu unterstreichen, möchte ich hier ausnahmsweise die Informationen zum Autor voranstellen: "Ángel Santiesteban, geboren 1966 in Havanna, ist das literarische Gewissen Kubas. Jahrelang war er der gefeierte Autor seiner Generation und wurde mit allen wichtigen Literaturpreisen des Landes ausgezeichnet. Nachdem er einen regimekritischen Blog zu schreiben begann, wurde er wiederholt bedroht und schließlich zu einer Haftstrafe verurteilt. Auf Druck des Writers in Prison Committee (WiPC) des PEN International wurde er im Juli 2015 bedingt aus der Haft entlassen, darf aber in Kuba nicht publizieren. 2020 wurde er von der Václav Havel Library Foundation mit dem renommierten »Disturbing the Peace Award« ausgezeichnet." (S. Fischer Verlage)

Entsprechend kritisch, nachdenklich, melancholisch, bedrückend, unbequem muss man sich diese Erzählungen auch vorstellen. In schnörkellosem und direktem Schreibstil legt der Autor den Finger in die Wunde, beschreibt verstörende Lebenswelten und präsentiert ein ums andere Mal eine existentielle Verlorenheit, die teilweise beim Lesen kaum erträglich ist. Armut, Repressalien, Willkür, verlorene Träume, Kriegserlebnisse in Angola, Gefängnisgeschichten sind dabei immer wiederkehrende Themen. Mehr als einmal stellt sich da die Frage: Wann wird der Mensch zum Tier?

Die Erzählungen werden teilweise auf realer Ebene erzählt, teilweise gleiten sie jedoch auch ins Fantastische ab, was die Eindringlichkeit jedoch nicht schmälert. Mehr als einmal überschreitet der Autor dabei die Ekelgrenze in seiner detaillierten Schilderung bestimmter Zustände, und mehr als einmal wollte ich nicht mehr hinschauen. Doch Durchhalten lohnt sich, auch wenn ich dringend empfehle, die Erzählungen nur wohldosiert zu lesen.

Ein erschütternder Erzählband von einem, der sich den Mund nicht verbieten lässt...


© Parden



1 Kommentar:

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