Montag, 3. Juli 2023

Lukaschewski, Manfred: Stolpersteine der Kriminalistik


Vor mir liegt Band 4 einer Reihe, die Kriminalistik in Theorie und Praxis heißt. Das weist auf eine klassische Fachbuchreihe hin, der Titel Stolpersteine... lässt dann eher stutzen. Der promovierte Autor, Dr. Manfred Lukaschewski, ist außerdem vom Fach, denn er war lange Jahre auch Leiter einer Mordkommission. 

Heutzutage geht es in Kriminalromanen und -filmen ja meist um Mord und Totschlag, weniger um so profane Dinge wie Diebstahl und Sachbeschädigung. Und wenn es mal um Einschleusungen oder sonstige organisierte Kriminalität geht, dann muss dabei unbedingt eine oder mehrere Leichen dabei sein. Sonst fehlt bestimmt der Kitzel.

Wenn der Dorfpolizist in Jeans und T-Shirt mit darüber offenen Uniformhemd bewaffnet durch die Gegend kurft, dann ist das eigentlich schon albern genug, aber irgendwie machen die Romankommissare und Filmermittler eine ganze Menge Mist. Deshalb gucken Polizisten und unter diesen noch mehr die Kriminalisten solche Filme kaum noch an, da geht es ihnen bestimmt wie anderswo Ärztinnen und Ärzten bei diversen Krankenhausserien.

Bei mir, der ich zwar nicht gerade Kriminalist bin aber halbwegs was vom Fach verstehe, ist Schluss, wenn Wotan Wilke Möhring als Ermittler einer Kriminalpolizeiinspektion der Bundespolizei fast ausschließlich Verbrechenstatbestände ermittelt, die der zuständige Staatsanwalt schon lange der zuständigen Landespolizei zugeschustert hätte, Oder ganz anders, wenn eine Bundespolizistin, die in weiß-blau-goldener Uniform sonst Küstenwache-Schiffe bewegt, in zivil an der Bar einer Ostseefähre das Whiskyglas eines Verdächtigen mobbst, von diesem per Folie Fingerabdrücke nimmt, die Folie auf ein weißes Blatt Papier klebt und über einen mobilen Drucker und das dazugehörige Notebook diese Abdrücke mit der Fingerabdruckdatenbank, kurz AFIS genannt, des BKA abgleicht. Dass sie das positive Ergebnis in fünf Minuten erhält mag der Dramaturgie geschuldet gewesen sein, in Wirklichkeit ist das technischer Unsinn. 

Und damit Autoren und Krimischreiber ein wenig kriminalistischen Input erhalten, stellte Dr. Lukaschewski dieses Buch am 27. April 2023 auf einer vom Ruhrkrimiverlag organisierten Veranstaltung vor. Von dieser berichtete ich bereits hier.   

Das dieses Buch aus der Fachbuchreihe heraussticht, ahnt man, wenn man dann die Untertitel liest, denn diese lauten Morden für Anfänger & Fortgeschrittene. Gemeint allerdings sind die liebsten Freunde der Literaturblogger, die Autorinnen und Autoren. So manchem habe ich gelegentlich gesagt, dass er auch mal anrufen könnte. Tolles Beispiel war mal ein Thriller, in dem der Held und Pilot einfach so mit dem Kleinwagen seiner Freundin auf den Flughafen SXF (der jetzt BER heißt) fuhr, ohne Kontrolle und quer über die Rollwege um zu seiner Privatmaschine zu kommen. Doch hier geht es ja um Kriminalistik und zwar in der Tiefe des Fachs.

Dr. Lukaschewski wurde irgendwie "genötigt", das Buch zu schreiben. So können wir nun nachlesen, wann eine Mord ein Mord ist, warum bei Todesursache nur drei Begriffe auftauchen können, warum Rechtsmediziner äußerst selten am Tatort auftauchen, was ein Spurenvernichtungskommando ist, wann eine Zeuge auch als solcher bezeichnet werden kann, dass Leichen nicht mehr bluten und wann dort die bekannten Flecken auftauchen. Und Spuren, Spuren, Spuren. Fasern, Fingerabdrücke, DNA und vieles mehr.

Zudem hat der Ruheständler auch noch eine humorige Art, seinen Stoff an die Adressaten zu bekommen, was er schon bei seinem Vortrag in Leipzig bewies, den er sehr deutlich mit Fotos aus der Gerichtsmedizin untermauerte, wodurch jetzt jeder weiß, wie Totenflecken aussehen und nicht mehr in der Gerichtsmedizin vorbei schauen muss. Ach ja, was der Unterschied zur Pathologie ist, das lernt man hier auch.

Da mir die Fotos von der Veranstaltung abhanden gekommen sein müssen, kann ich die notwendigen Beweise nicht mehr vorlegen. Den Rüffel muss ich dann einstecken von der Buchmessenleipziguntersuchungskommission. Darum habe ich mir das Bild oben auf der FB-Seite des Autors unter den Nagel gerissen in der Hoffnung, er sieht es mit nach, denn dieses mein Exemplar ist signiert.




Ergo: Zugreifen. Herr Goldammer, Frau Baum, Herr Pieper, Herr Schilddorfer, Frau Holland-Moritz, Herr Asisi, Herr Kutscher, Herr Wittenfeld... Es hilft. Und ich stelle beim Rezensieren auch keine nervenden Fragen mehr.

(Fühlt sich jemand nicht angesprochen? Wetten, dass wir kriminalistisch Seltsames finden werden? Und sei es der Unterschied von Verhaftung und Festnahme. Oder wenn eure Helden in Deutschland Revolver tragen. -  Es gibt ihn nicht, den perfekten Mord...)

Ich jedenfalls hatte mich am selben Abend an der Hotelbar in das Buch vergraben, habe viel geschmunzelt (ihr werdet es auch) und nun liegt es auf dem Schreibtisch in der Dienststelle, eine schöne Ergänzung des sonst trockenen Stoffes.


  • © Bücherjunge (04.08.2023)

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