Sonntag, 10. Juli 2022

Greene, A. Kendra: Das Walmuseum, das Sie nie besuchen werden

Island hat 330.000 Einwohner (etwas weniger als Bielefeld), aber 265 Museen. Der geneigte Besucher kann sich beispielsweise im Phallologischen Museum umschauen, das Penisse aller in Island vorkommenden Säugetierarten zeigt. Oder er geht ins Museum für Zauberei und Hexerei, wo ein landestypisches Problem zutage tritt: Wie kann man etwas ausstellen, das man nicht sehen kann? Im Museum für Meeresungeheuer hingegen werden fleißig Augenzeugenberichte gesammelt. Es ist nicht schwer, in Island jemanden zu finden, der schon einmal ein Gespenst gesehen hat. Aber mit Geschichten von Ungeheuern rücken die Leute nicht so schnell heraus, man will schließlich nicht als verrückt gelten. Obwohl verbürgt ist, dass mindestens drei Seemonster noch aktiv sind. Mehr als anderswo wurde das Leben in Island geprägt von Nahrungsknappheit und Entbehrungen. Die Isländer lieben ihr Land, das voller Naturgewalten steckt, genau wie die Geschichten, die damit verbunden sind. Und sie lieben es, Dinge zu sammeln, um diese Geschichten zu bewahren: Steine, Haarnadeln, Messingringe, Mistgabeln, Bauchnabelflusen … Hier gibt es nichts, das nicht auch als Exponat eines Museums dienen könnte. (Klappentext)
 
 
 
  • Herausgeber ‏ : ‎ Liebeskind; Deutsche Erstausgabe Edition (14. Februar 2022)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Übersetzung  : Stefanie Schäfer 
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 272 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3954381443
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3954381449
  • Originaltitel ‏ : ‎ The Museum of Whales You Will Never See
 



Ein Sachbuch - das ist ein Genre, zu dem ich eher selten greife. Dieses hier stach mir jedoch bei den Neuerscheinungen des Liebeskind Verlags im Frühjahr aufgrund des skurrilen Titels ins Auge. Und wollte ich nicht sowieso schon längst einmal mehr über Island wissen? Freundlicherweise überließ mir der Liebeskind Verlag ein Rezensionsexemplar, und kapitelweise arbeitete ich mich im Verlauf der Wochen durch das Buch. Dazu machte ich mir massenhaft Notizen, einfach weil hier eine Flut an Informationen auf einen einströmt, die ich sonst zu rasch wieder vergessen hätte. Es ist kein Museumsführer, es ist auch kein Reisebericht, es ist eine Mischung aus vielem. Herzlichen Dank jedenfalls an den Liebeskind Verlag für die Möglichkeit, dieses Buch kennenzulernen!





























ISLAND UND SEINE MUSEEN - LEHRREICH UND UNTERHALTSAM...


Island (Quelle: Pixabay)

Island. Ein Land, über das ich herzlich wenig weiß - wenn ich Stichpunkte benennen müsste, wären das Walfang, Vulkane, Bücher, Gammelhai, heiße Quellen, raue Natur, Kälte. Museen würden zu meiner Auflistung eher nicht gehören - und doch behauptet A. Kendra Greene, dass es davon auf der Insel ganze 265 gibt - und das bei gerade einmal 330.000 Einwohnern. Die Autorin wird es wissen, wobei sie einräumt, dass die Grenze zwischen Museum und Sammlung doch recht fließend ist. Fast alle der 265 Museen / Sammlungen seien dabei in den letzten 20 Jahren entstanden.

Was hat mich nun zu dem Buch greifen lassen? Zum einen der verrückte Titel, der neugierig macht - weshalb sollte man ein Walmuseum, das ja prinzipiell interessant klingt, nicht besuchen wollen oder können? Und zum anderen das Versprechen, nicht nur etwas über skurrile Museen zu erfahren, sondern auch über Island selbst. Und ja, diese Erwartung hat sich unbedingt erfüllt. 

Man erfährt hier nicht nur Details zu den einzelnen Museen, ihren Gründern, ihrer Entstehungsgeschichte und den jeweiligen Hintergründen, sondern eben auch wirklich viel über Land und Leute, Geschichtliches, Geografisches, Geologisches, Natur und Politik. Und das auf eine sehr unaufdringliche, angenehme Art, fast wie nebenher, und doch ist mein Bild von Island nun ein anderes. Neugierig auf das Land bin ich nun definitiv - wenn auch nicht unbedingt auf all die vorgestellten Museen / Sammlungen.

Deutlich wurde mir bei der Lektüre, dass die Entstehung dieser Museen oftmals der Sammelleidenschaft Einzelner zu verdanken ist. Interessante Einrichtungen werden im Buch durchaus vorgestellt:

  • Isländisches Phallologisches Museum
  • Steinsammlung
  • Vogelmuseum
  • Museum der Heringsära
  • Museum der isländischen Eisbären
  • besagtes Walmuseum (das unbesucht bleiben wird)
  • Museum für isländische Zauberei und Hexerei
  • Museum der isländischen Ungeheuer
  • Museum der Möwentricks
  • u.a.m.

Diese Auflistung mag z.T. dröge klingen, dahinter stehen aber interessante, witzige und skurrile Informationen, die lehrreich und unterhaltsam sind. Manch ein Kapitel zieht sich vielleicht ein wenig in die Länge, aber die Liebe zum Detail kennzeichnet halt nicht nur die Museumsbetreiber:innen, sondern eben auch die Autorin. 


"Nichts weckt einen größeren Wunsch in mir, Isländerin zu sein, als dieses Museum. Nichts erinnert mich so deutlich dran, dass ich es nicht bin." (S. 169)


Derartige Sachbücher kann man querlesen, sich den Aufbau betrachten, die Details beurteilen, die zur umfassenden Information beitragen. Oder man kann sie zudem Kapitel für Kapitel lesen und sich dabei interessante Details notieren, damit nicht alles gleich wieder in Vergessenheit gerät. Ich habe mich für Letzteres entschieden und bin damit gut gefahren. 

Bis auf kleinere Längen und das doch eher unscheinbare Cover habe ich an dem Buch nichts zu bemängeln. Wer sich für das faszinierende Land mit seiner wechselvollen Geschichte interessiert, der kann sich dem durchaus auch mittels dieses Buches über die Museen Islands nähern. Das macht sogar Spaß!


© Parden

























A. Kendra Greene stammt aus Boston. Sie studierte Buchkunst und Kreatives Schreiben an der University of Iowa und war anschließend für verschiedene Museen tätig, u.a. für das Museum of Contemporary Photography in Chicago. Heute lebt sie in Texas, wo sie als Kunstgrafikerin und Universitätsdozentin arbeitet. Sie ist zudem Redakteurin der renommierten »Southwest Review« und Mitglied eines Thinktanks an der Harvard University. Ihr Band »Das Walmuseum, das Sie nie besuchen werden« wurde von der amerikanischen Kritik als eines der besten Reisebücher des Jahres gepriesen. (Quelle: Liebeskind Verlag)
 

1 Kommentar:

  1. Anne und Sachbücher. So so ;) Das hätte ich mir auch näher besehen, wäre es mir begegnet. Grüße vom Bücherjungen auf dem Weg von Dresden nach Hause.

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