Samstag, 14. November 2020

Ebert, Sabine: Schwert und Krone - Preis der Macht (V)

Wir schreiben das Jahr 1195. Braunschweig. Es ist der 5. Tag im August. Ein alter Mann liegt in seiner Kammer. Die Sterbesakramente hat er schon erhalten. Er erwacht:

 „Sein ganzes Leben lang hatte er gekämpft – um den gebührenden Platz für das Fürstengeschlecht der Welfen, gegen viele Feinde, die schon seinem erlauchten Vater den Thron gestohlen hatten... Doch wenn er die lange Liste seiner Feinde durchging, derjenigen, die ihm den Herzogtitel nicht gönnten, weder für Sachsen noch für Bayern, die sich gegen ihn verschworen, verbündet und erhoben hatten... Er hatte sie alle überlebt.“

Auch der Kaiser war elend auf dem Weg ins Heilige Land gestorben, ohne es je zu erreichen...

* * *

Im Braunschweiger Dom liegt der alte Mann begraben, neben seiner schon Jahre vorher verschiedenen Gemahlin: Mathilde von England, Tochter Heinrichs Plantagenet, König von England, und Eleonore von Aquitanien.

Heinrich heißt er und genannt wird er „der Löwe“. Doch ist es nicht nur seine Geschichte, die hier am 6. August endet, hier, am Ende des 12. Jahrhunderts. Doch Heinrich der Löwe, geboren zwischen 1129 und 1135, ist es nicht, der in dem fünfbändigen Werk von Sabine Ebert die Hauptrolle übernimmt, es ist sein Vetter, Friedrich von Schwaben, Rex Romanorum, später Kaiser Barbarossa genannt. 

Barbarossa – Epos nennt der Verlag die Pentalogie, die im Dezember 1137 beginnt. Dreitausend Seiten Hochmittelalter in fünf Büchern. Schwert und Krone – Preis der Macht beendet diese Reihe, deren Fortsetzung schon vor Beginn geschrieben war.

Band 1: Meister der Täuschung / Band 2: Der junge Falke / Band 3. Zeit des Verrats / Band 4: Herz aus Stein



Die Geschichte im Band 5 beginnt in Rom 1167, der Kaiser befindet sich auf einem seiner glücklosen Kriegszüge in Italien, diesmal aber ist es (noch) nicht der lombardische Städtebund, der ihn zum Rückzug, zur Flucht zwingt, es ist die Ruhr, die das Heer dezimiert, in dem das Kontingent des wichtigsten und mächtigsten Lehensmannes fehlt, seinem Vetter, dem Herzog von Sachsen und Bayern. Dietrich, der Markgraf der Lausitz ist bei ihm, Bruder von Otto, des Markgrafen von Meißen, Feind des Löwen und immer bereit, gegen diesen in den Krieg zu ziehen, besonders, wenn der Kaiser abwesend.

Es ist das Problem dieses Kaisers, das so oft, wenn er in den südlichen Teilen des Reiches für „Ordnung“ sorgen will, zum Beispiel gegen einen Papst, den er nicht anerkennt, die Fürsten im Norden einander bekämpfen. Der erste Teil des Buches trägt nicht umsonst den Titel Fiasko im Süden, Revolte im Norden. Im Norden brennen die Fürsten Burgen nieder, rauben sich die Ländereien, kämpfen um ihre Vorrechte immer in der Hoffnung, der Kaiser wird es ihnen eines Tages nachsehen und den Löwen aus Braunschweig maßregeln.... Doch dem Löwen kommen sie nicht bei.

Dessen Macht, gestützt auf die Freundschaft des Kaisers und zwei große Herzogtümer, Gründer von Lübeck, Lüneburg und München, erweitert sich, denn die elfjährige Mathilde, die englische Königstochter, wird ihm vermählt, welche Gunst, der Aufstieg in den europäischen Königsadel...

Leserinnen und Leser verfolgen aber nicht nur die Geschichte der beiden wichtigsten Fürsten des Reiches nun schon im fünften Buch, vor ihren lesenden Augen blättert sich das Leben der Wettiner vor allem auf. Markgraf Otto von Meißen, seine Brüder Dietrich und Dedo, Ottos Frau Hedwig, die Tochter Albrechts des Bären und zwei allerdings fiktive Figuren, Marthe und Christian von Christiansdorf, das ist Freiberg...

In den fünf Büchern wird neben der inneren Reichsgeschichte die Herkunft und die Entwicklung des erst ministerialen Ritters Christian erzählt, den wir aus den Büchern um die Hebamme Marthe kennen.

Schwert und Krone behandelt aber vordergründig das 12. Jahrhundert aus Sicht der Fürsten, dreißig Jahre im letzten Band. Im Jahre 1181 hat der Kaiser genug: Heinrich, der ihm die Gefolgschaft in den Kriegszügen verweigerte und seinen Einsatz sogar bezahlt haben wollte, liegt zu Füßen des Kaiser auf dem Hoftag in Erfurt. Es ist sein Böses Erwachen. Die Verbannung droht. Alle bekommen was von Heinrichs Ländereien ab, nur dieser silberreiche Otto aus Meißen nicht...

Im Jahre 1167 beginnt aber auch die Fortsetzung der Geschichte von Schwert und Krone, die, wie oben bereits erwähnt, vor dieser hier beendeten Pentalogie geschrieben wurde. In diesem Jahr führt der ministeriale Ritter Christian neue Siedler aus Franken in das Erzgebirge. Christians Geschichte beginnt in Meister der Täuschung mit dessen Vater, einem spionierenden Spielmann. Das Reich regiert im Jahr 1137 Kaiser Konrad.


60 Jahre Hochmittelalter


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Das Buch. Dieser Umstand macht zwei fünfbändige Reihen auf eine besondere Art zu einem meisterhaften Werk, dessen Handlung so miteinander verwoben ist. Und doch, die Geschichte der Hebamme Marthe von Christiansdorf (Freiberg) wird fast vollständig im Zeitrahmen von Preis der Macht erzählt, der Roman endet 1181 und der Epilog mit des Löwen Tod nach weiteren vierzehn Jahren. Die Hebamme – Pentalogie endet 1198.

So sind insgesamt rund sechzig Jahre Hochmittelalter in zehn Romanen erzählt, an Schauorten wie Würzburg, Meißen, Braunschweig, Rom, Konstaninopel, Jerusalem und mehr... Schwert und Krone ermöglicht den Leserinnen und Lesern den Blick von der Fürstensitzen aus, daher ist Kaiser Friedrich I (Barbarossa) die zentrale Figur. Man könnte sagen, es war für Sabine Ebert ein Glücksfall, dass Otto von Meißen und seine Brüder sich gegen den Braunschweiger Löwen verbündeten und ständige Friedrichs Ärger herauf beschworen. So sind die Geschichten zu Meißen, Brandenburg, Sachsen (Niedersachsen) der ersten Pentalogie schon mit der Geschichte um den Kaiser Rotbart aufs engste verbunden.

Die gegenüber der Rechercheleistung der Bestseller-Autorin gering ausfallende Suche des Rezensenten nach den Grundlagen der Historie lies ihn gelegentlich etwas verblüfft zurück, denn Barbarossa scheint gegenüber Friedrich II., den man Stupor Mundi – Das Staunen der Welt nannte und der doch soviel aufgeklärter als sein Großvater erschien, der Bekanntere (klar) und Bedeutendere zu sein. Barbarossa galt bzw. gilt noch als ritterlicher Held, mit hohen geistigen Fähigkeiten, sich den politischen inneren und äußeren Bedingungen anzupassen, der sich den Idealen und Lebensformen der hochmittelalterlichen Ritterkultur verpflichtet fühlte.* 


Blogger - Recherche


Dieses Bild ist nicht ganz das, was uns dagegen Sabine Ebert vermittelt. Sie zeigt uns Friedrich von Schwabens Entwicklung zum sturen Machtmenschen, der ohne Rücksicht auf die Kriegskontingente seines Reiches immer wieder sinnlos versucht, sich in Italien unter anderem gegen den Papst und den lombardischen Städtebund durchzusetzen, eine erste Form von kommunaler Bürgerdemokratie, während sich „zu Hause“ die Reichsfürsten gegen Friedrichs Vetter verbünden, der deswegen auch nicht geneigt ist, den Kaiser zu unterstützen. Heinrich benimmt sich königgleich. Zu große Unterschiede lassen den Kaiser am Plan der Reichsintegrität scheitern: Der Hochadel im Norden, die Stadtstaaten südlich der Alpen. Der kaiserlich-ritterliche Held, der während des Kreuzzuges im Fluss Saleph im Südosten der Türkei ertrinkt, beruht auf Legenden, die ihn letzten Endes in den Kyffhäuser setzen. Die Darstellung von Alfred Haverkamp (*1937) finden sich wieder im Roman. Auch die Brabanzonen-Söldner werden dort erwähnt, aber Sabine Ebert hat in ihren Romanen nicht den „Ankauf“ der Söldner in den Vordergrund gestellt, sondern deren grausames marodierendes Verhalten in Italien für Friedrich I. und später für Heinrich den Löwen  in Sachsen. Der emeritierte Professor betont in seinem Artikel aber auch, dass Friedrich die sogenannten Reichsministerialen förderte und einen effizienteren Beamtenapparat schuf *; vielleicht hat dies mit dazu beigetragen, das im Roman der Meißner Markgraf den ministerialen Ritter Christian zum Edelfreien erhebt (und Marthe gleich mit).

* * *

Das Herz der Autorin gehört den Frauen. Da sind Adela von Vohberg, die vom Kaiser verschmäht wurde und die andere Adele, Schwester des Markgrafen Dietrich, Witwe des Dänenkönigs Sven, deren Hauptrolle in den vorherigen Romanen zu finden ist. Oder Mathilde, des englischen Königs Heinrich II. Tochter mit Eleonore von Aquitanien und Gunda, die zu früh verstorbene Geliebte Dietrichs und natürlich Marthe, die begnadete Hebamme und nun Herrin von Christiansdorf.  Aber die hat ja ihre eigene Pentalogie. Und natürlich Hedwig, Tochter des alten Bären aus Brandenburg und Gemahlin von Otto dem Reichen Markgrafen von Meißen. Menschlicher wird der Haushalt, der Hof, des Kaisers durch Marie Claire, Hofdame der Kaiserin Beatrix und ihrem Mann, Stefano di Stella, den Dolmetscher des Kaisers, auch diese Figuren sind fiktiv..

Für das arme Volk, Bauern, Handwerker, Bergleute, oder besser aus deren Sicht, hat sie, es sei noch einmal betont, die Hebammen-Pentalogie verfasst. Die Verknüpfung war schwierig, doch hat Sabine Ebert nur einige Ereignisse doppelt erzählt. Zum Beispiel eine Belagerung von Halberstadt, in der der in Brand geschossene Torf die Belagerer abziehen lässt. Oder das Turnier, in dem der frisch zum Ritter geschlagene Konrad von Christians Intimfeind Randolf zum Tjost aufgefordert wird und stirbt. Darauf tötet Christian Randolf in einem Gottesurteil...

Die Autorin hat diese Episoden, so wie auch in ihrem Nachwort dargestellt, aus einem jeweils anderen Blickwinkel geschrieben. Es ist ihr, parallelgelesen, hervorragend gelungen und beweist, die unterschiedliche Sicht der beiden Pentalogien auf das 12. Jahrhundert.


10 + 1: Alles Sabine Ebert

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Wie liest man nun dieses Romanwerk, wenn man chronologisch „veranlagt“ ist? Fängt man beim Meister der Täuschung an und nimmt Das Geheimnis der Hebamme mitten in Preis der Macht dazu und liest, am Zeitstrahl entlang gleitend, parallel bis zum Ausgang des 12. Jahrhunderts, zu dem man mitten in der Geschichte um Marthe und Freiberg noch einmal „zurück“ greifen muss zu S&K - Band 5, um Heinrichs Gedanken im Angesicht des Todes zu erfahren? – Ich stelle mir das interessant vor... Für die Leserinnen und Leser, die die Hebamme nicht kennen, sei genau dieser Weg empfohlen:  Spannung und Lesevergnügen für Monate und wer will, nimmt sich dann noch Blut und Silber vor.

Das Buch endet mit historischen Anmerkungen der Autorin und enthält wichtige übersichtliche Stammpafel der beteiligten Fürstenhäuser, ein Glossar sowie die unbedingt notwendige Zeittafel zur Romanhandlung. 


So wird ein Roman zu Geschichte – Geschichte zu einem Roman.


Autorin & Rezensent
Sabine Ebert erweist sich, wie schon so oft, als Meisterin dieses Genres. Es ist Eins, einen mittelalterlichen Roman zu schreiben, es ist ein Zweites, dies äußerst nah und genau an der Historie zu erzählen und ein Drittes, dies über zwei Pentalogien zu unternehmen, die nicht einfach nur aufeinander folgen. Für mich ist 2020 in Mittelalterjahr geworden, aber das liegt nicht nur an den Werken der Sabine Ebert, die uns nun schon so lange begleiten. 

Vielen herzlichen Dank, Sabine Ebert für dieses Romanwerk und ebenso herzlichen Dank an den Verlag, der mir das Buch für die Rezension zur Verfügung stellte.



* Haverkamp, Alfred – Friedrich I Barbarossa in: DIE GROSSEN – Leben und Leistung der sechshundert bedeutendsten Persönlichkeiten unserer Welt / Ausgabe Coron mit Kindler Verlag / Zürich 1995 / Band III-2


© Bücherjunge


2 Kommentare:

  1. Ich werde in diesem Leben vermutlich kein Fan Historischer Romane mehr - aber über deine Begeisterung darüber lese ich gern!

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    1. Das glaube ich allerdings auch. Bei mir bleibt die Begeisterung bestehen.

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