Sonntag, 29. November 2020

Christian Pantle: Der Dreißig Jährige Krieg. Als Deutschland in Flammen stand

Der dreißigjährige Krieg war das einschneidendste Ereignis der deutsch- europäischen Geschichte und hat bis heute Spuren hinterlassen.

König Gustav II Adolf
Von Schweden
      
Was ursprünglich als Religionskonflikt innerhalb des (heiligen römischen) Reiches (deutscher Nation) mit dem berühmten Fensterturz in Prag im Jahre 1618 begann, weitete sich im Laufe der Zeit zu einem unkontrollierbaren europäischen Konflikt aus. Dieser internationale Konflikt wurde überwiegend auf dem Territorium des Reiches ausgetragen. Die Kernlande dieses Reiches waren die Gebiete, die man heutzutage schlicht als Deutschland bezeichnet. Dabei ging der Konflikt ursprünglich nicht von deutschem Territorium aus, sondern entzündete sich in Böhmen (heute das Staatsgebiet Tschechiens), das ebenfalls Bestandteil des Reiches war, nach einer Provokation des katholischen Kaisers gegen den Protestantismus in Böhmen.


Die Vorgeschichte:

Einen deutschen Nationalstaat gab es bis zur Reichsgründung 1871, dessen politischer Konstrukteur Reichskanzler Otto von Bismarck war, nicht!

Insofern ist die Bezeichnung „Heiliges römisches Reich deutscher Nation“ irreführend, denn es begründete keinen deutschen Nationalstaat. Vielmehr vereinigte es zahlreiche sog. Reichsstände unter seinem Dach, die alle ihre Eigenständigkeit behielten. Die Gründung erfolgte im Jahre 962 durch die Kaiserkrönung Ottos I. in Rom. 

Man könnte folglich sagen, dass das „Reich“ das Dach war, unter dem sich die einzelnen Mitgliedsstaaten unter Regelung ihrer Rechtsbeziehungen zueinander und zum Kaiser als Repräsentant des Reiches zusammenfanden. Im Unterschied zu einem heutigen föderalen Staat behielten die einzelnen Mitglieder aber weitestgehend ihre Souveränität, die sich, und dies ist im Zusammenhang mit dem Ausbruch des Krieges 1618 wichtig, auch auf Religionsfragen erstreckte. Religionsfreiheit gab es im Reiche nicht: Bis zur Reformation war man katholisch, danach bestimmte i.d.R. der jeweilige Landesherr, welcher  Konfession man anzugehören hatte. So gab es katholische, aber auch etliche protestantische Landesherren.
Das Reich unterhielt ein Reichsheer und besaß eine Gerichtsbarkeit, die insbesondere Streitfälle zwischen den Reichsständen klärte. Um es verständlicher zu machen, könnte man sagen: Das Reichsheer war die „Nato“ oder der „Warschauer Pakt“ im Reich jener Zeit, die Reichsgerichte etwa mit dem heutigen europäischen Gerichtshof vergleichbar (aber Vorsicht: Mit diesem Vergleich soll lediglich das Prinzip dargestellt werden, man kann ihn natürlich nicht im Verhältnis 1 : 1 übertragen, da Vergleiche ja praktisch immer „hinken“).
Der Kaiser wurde gewählt. Das Reich war also eine Wahlmonarchie:
Im Jahre 1356 schuf Kaiser Karl IV. mit der „Goldenen Bulle“ ein kaiserliches Gesetzbuch, das in Urkundenform eine Art „Grundgesetz“ für das Reich darstellte. Bis in das Jahr 1806 war dies die gesetzliche Grundlage, welche insbesondere die Modalitäten der Wahl deutsch-römischer Könige durch die Kurfürsten des Reiches regelte (vgl. Wikipedia), die dann den traditionellen Anspruch hatten, durch den Papst zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt zu werden. Das Reich war mithin von der Spitze her katholisch!
Martin Luther war es, welcher 1517 in der Absicht, Fehlentwicklungen in der römisch-katholischen Kirche zu beseitigen, seine 95 Thesen formulierte und damit die Reformation auslöste. Dies führte zur Abspaltung der „Protestanten“ von der katholischen Kirche.
Letztlich trug die Reformation auch zum Ausbruch des sog. Bauernkrieges bei:
1524 kam es vornehmlich in Süddeutschland, Thüringen, in Österreich und der Schweiz zu Aufständen des Landvolkes, aber auch von Städtern und Bergleuten. Diese richteten sich gegen die ökonomischen und religiösen Umstände. Die Aufstände wurden blutig niedergeschlagen und es fanden mehr als 70.000 Menschen den Tod.
Letztlich kam es 1555 zum Augsburger Religionsfrieden, welcher den lutherischen Reichsständen dauerhaft Besitzstand und freie Religionsausübung garantierte.
Dieser Religionsfrieden hielt 63 Jahre, nämlich genau bis zu jenem Zeitpunkt, als am 23. Mai 1618 Vertreter der protestantischen Stände in Prag drei königliche Statthalter aus einem Fenster im Seitenflügel des Alten Königspalastes (nach zeitgenössischer Darstellung) auf einen Misthaufen warfen und damit zunächst in Bömen einen Religionskrieg auslösten, in den sich nach und nach alle übrigen Reichsstände und schließlich sogar Schweden, Frankreich, Spanien und andere hineinziehen ließen. 
Aus protestantischer Sicht hingegen wurde der Religionsfrieden durch den katholischen Kaiser gebrochen, als er die verbürgten Rechte der Protestanten in Böhmen und Mähren rückgängig machen wollte.
Wie auch immer: Der daraus entstehende Flächenbrand sollte 30 Jahre wüten!

Originalhandschrift
Peter Hagendorfs

Das Buch von Christian Pantle ist am 1. August 2020 als ungekürzte Ausgabe als Ullstein Taschenbuch erschienen. Als historisch interessierter Leser habe ich diese Neuerscheinung natürlich sofort nach der Ankündigung des Verlages vorbestellt und nach dem Erscheinen gelesen. Christian Pantle liefert in seinem Buch eine ausserordentlich spannende Darstellung der Ereignisse, denn er berichtet in weiten Teilen aus der Perspektive des Söldners Peter Hagendorf und des Mönches Maurus Friesenegger, die uns beide ihre in Originalhandschrift verfassten Tagebuchaufzeichnungen hinterlassen haben.
Beide Protagonisten haben den 30-jährigen Krieg von Anfang bis Ende hautnah miterlebt und ihre Aufzeichnungen sind faszinierende historische Dokumente, die uns tiefe Einblicke gewähren.
Diese Dokumente sorgen für eine fast unglaubliche Unmittelbarkeit der Darstellung und sorgen für Gänsehaut. Jedenfalls ging es mir so: Wenn z.B, auf fast unglaubliche Weise, sich eins zum anderen fügt.
Die historischen Forschungen in alten Dokumenten förderten jedenfalls erstaunliche Details zutage:
Hagendorf hat in seinem Tagebuch den Empfang von Verpflegungsleistungen für ihm seinerzeit anvertraute verwundete Söldner mit Mengenangaben notiert. Genau diese diese Angaben werden durch die gefundenen Dokumente belegt und als Empfänger ist ein „Peter Hagendorf“ verzeichnet. Damit war nicht nur die Existenz des Peter Hagendorf belegt, sondern auch Beleg für die Zuverlässigkeit seiner Tagebuchaufzeichnungen gefunden.
Hagendorf war 1631 auch bei der Erstürmung Magdeburgs durch die katholisch-kaiserliche Armee als Kämpfer im Regiment „Pappenheim“ in vorderster Linie dabei und wurde dabei im Kampf gleich zu Anfang schwer verwundet: „Da bin ich mit stürmender Hand ohne allen Schaden in die Stadt gekommen. Aber in der Stadt, am Neustädter Tor, bin ich zweimal durch den Leib geschossen worden - das ist meine Beute gewesen... einmal bin ich durch den Bauch, vorne durchgeschossen worden, zum andern durch beide Achseln, so dass die Kugel in dem Hemd gelegen ist...geschehen frühmorgens um 9 Uhr...“. Die abgebildetes Tagebuchseite zeigt seinen diesbezüglichen Eintrag. Magdeburg wurde durch die „Kaiserlichen“ geplündert, rund 1700 von 1900 Gebäuden niedergebrannt. Von den ca. 30.000 Bewohnern der Stadt wurden geschätzt 20.000 Menschen auf bestialische Weise getötet. Die Begriffe „magdeburgisieren“ oder „Magdeburger Bluthochzeit“ entstanden damals als Synonyme für eine absolute Vernichtung.
Friesenegger hingegen war ein Mönch und Abt des Klosters Andechs in Bayern, dass mehrfach von marodierenden Söldnerhaufen bedroht war. Friesenegger und seine Existenz sind historisch belegt und es sind auch, im Gegensatz zur Person Hagendorfs, mehr Details über seine Lebensdaten bekannt.

Christian Pantle` s Buch liest sich über weite Strecken wie ein Kriminalroman. Die historischen Berichte von Zeit- und Augenzeugen sind absolut erschütternd. Ich empfehle sein Buch. Es gibt Zeugnis davon, dass Geschichte lebendig sein kann!



Christian Pantle:

Der Dreißigjährige Krieg
Als Deutschland in Flammen stand

Taschenbuch
Broschur
Ullstein Buchverlage GmbH Berlin
365 Seiten/8 ungezählte Seiten
Illustriert
Preis: 10,- Eu



Rezension 
Copyright by 
R. Fröhlich, Unna 
(TinSoldier) 2020

Weiterführende Links zur Person Peter Hagendorf:

1 Kommentar:

  1. Seltenheitswert: Dass Landsknechte, oder Reisige, wie diese Art Söldner genannt wurden, Tagebuch geschrieben haben und dass auch noch fast während des gesamten Krieges, das ist verblüffend.

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