Theodor Fontane: Was fällt einem dazu ein? Zuerst einmal wohl, oder oft, EFFI BRIEST. Gehasst und geliebt und in meiner Erinnerung im Fach Deutsch (Abitur), das langweiligste, das ich lesen musste. Dabei hab ich das gar nicht richtig gelesen und habe doch ein SEHR GUT erhalten, weil ich in einer gespielten Gerichtsverhandlung nach Effis Tod den Baron von Innstetten verteidigte. Die Deutschlehrerin mimte die verstorbene Effi und der Rest der Klasse teilte sich Staatsanwaltschaft und Gericht.
Das geschah im (Schul)Jahre 1983/84 und mitten im real existierenden Sozialismus; den bürgerlichen Misthund zu verteidigen gegen diese Horde losgelassener Möchtegernbeamter, machte schon Spaß. Wobei mir das Thema Sozialismus dabei gar nicht so sehr durch den Kopf ging.
„Die Schwalbe fliegt über den Erie-See,Gischt schäumt vom Bug wie Flocken von Schnee,von Detroit fliegt sie nach Buffalo,die Herzen aber sind frei und froh,“
Und John Maynard ist der Steuermann und retten das Schiff an das Ufer...
Das haben wir in der Schule auswendig gelernt.
Und dann eben Effi Briest. „An meinen damaligen Leseeindruck habe ich kaum eine Erinnerung, wohl aber an die Fragen zu Konzeption der Figuren und klassentypischen Verhalten des Barons von Innstetten. Wie es so ist: Man meint den Esel und schlägt den Sack. Fontane blieb bei mir erst mal im Regal.“ (Seite 5)
Hätte von mir sein können, der Schauspieler allerdings näherte sich von Berufswegen schneller wieder an den „späten“ Dichter an. In Folge dessen sammelte Schoß die hier gedruckten Geschichten.
„Die am biografischen Faden aufgereiten Anekdoten speisen sich aus Lesefrüchten, zuallererst aus Fontanes Briefen, Tagebüchern und Lebenszeugnissen, sie greifen auf Erinnerungen seiner Zeitgenossen zurück und bedienen sich der Fakten, die seine fleißigen Biografen herausgefunden haben.“ (Seite 7)
Natürlich beginnt das Ganze mit der Anzeige der Geburt eines Henri Théodore oder eben Heinrich Theodor, so wie es im Kirchregister eingetragen steht. Am 30 Dezember 1819. Es steht ebenso die Frage im Raum, wo die Ursprünge sind, die führen zum Strumpfwirker Jacques Francois Fontaine, der im Hugenottenstrom nach Brandenburg kam, dessen großer Kurfürst über den Bevölkerungszuwachs vor allem von Handwerkern dankbar war und die verfolgten Franzosen mit dem Potsdamer Edikt förmlich einlud. Der nächste in der Reihe sind Pierre Francois Fontaine (Zinngießer) und Pierre Barthélmy (Zeichenlehrer). Der, welcher Königin Luise besonders auffiel, änderte später seinen Namen in Peter Fontane.
Zur Erziehung des gemeinsamen Sohnes Friedel führte Fontane in einem Brief an die Gattin aus:
„Meine liebe Frau, das Liebste ist mir, ich erfahre nichts davon. Erfahre ich davon, so habe ich die ledern-langweilige Verpflichtung, eine Standrede zu halten und Sachen als ungehörig zu tadeln, die vielleicht nicht lobenswert, aber ganz natürlich und ganz verzeihlich sind. Es ist mir ganz unmöglich, einen jungen Menschen von 18 Jahren als einen Outcast anzusehen und zu behandeln, bloß weil er bis um zwölf Skat gespielt und mehrere Seidel getrunken oder eine Harfenistin bis nach Hause begleitet und mit anderthalb renommistischen Zweideutigkeiten unterhalten hat. Solange solche Dinge nicht zum Skandal werden, muss man sie laufen lassen.“ (Seite 54)
Antiautoritäre Erziehung a la 19. Jahrhundert?...
So ergibt sich das Lebensbild aus allerlei ernsten und vergnüglichen Anekdoten, die nicht unbedingt in jedem einzelnen Fall wahr sein müssen. Zu Effi Briest fand sich dann nichts weiter drin, leider. So sei nur noch bemerkt, dass Fontane erst in späteren Lebensjahren der bekannte und gefeierte Schriftsteller war, er schrieb teilweise sehr lange an seinen Romane, so lag Vor dem Sturm schon seit den Sechzigern in der Schreibtischschublade und erschien erst ab 1878. Übrigens zeigt sich in diesem die Liebe zu Tolstoi.
Fundbücher. Besuche von Buchmessen haben Vor- und Nachteile. Die Nachteile liegen, das wird jede Literaturbloggerin, jeder Literaturblogger bestätigen, im „Überangebot“ interessanter Stoffe. Der Eulenspiegelverlag hat eine ganze Reiher solcher Bücher mit Anekdoten und Geschichten bekannter und berühmter Personen verlegt. Da gibt es zum Beispiel eins über Max Liebermann, von dem im obigen Fontane-Büchlein die Rede ist, denn der Maler hat den Dichter gemalt. Von Tucholsky bis Che Guevara (to go) findet sich viel Interessantes und nun weiß ich auch, worin der Vorteil solcher Bücher besteht. Es ist eine Art Blinklist, nicht die schnelle Zusammenfassung von (dicken) Sachbüchern, aber eben ein Zusammenstellung von Episoden aus dem Leben der Personen, die vielleicht in vielen aber nicht jeder Biografie vorkommen.
Biografie-Ersatz?? |
Übrigens gibt es auch Fontane to go. Till Reichardt hat darin Heitere Worte von Theodor Fontane gesammelt, so dass ich mich jetzt frage, warum ich das nicht gleich mitgenommen habe.
Mir gefällt so etwas und daher dürfte auf der Leipziger Buchmesse ein ähnliches Büchlein zu mir finden.
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Über Theodor Fontane findet sich hier vom TinSoldier der Text über den oben erwähnten Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, sowie das Gedicht Der alte Ziehten nebst lyrischer Ergänzung ebenso vom TinSoldier, der auch die Autorenseite verantwortet. In einem anderen Zusammenhang fiel das Gedicht Das Trauerspiel von Afghanistan auf, welches hier verarbeitet wurde. Übrigens vorgetragen von Nina Hagen.
Wer nun gern weiter sehen möchte, was es mit dem "verabscheuten" Roman Effi Briest auf sich hat, schaue doch in die Literaturverfilmung.
- DNB / Eulenspiegel - Verlag / Berlin 2019 / ISBN: 978-3-359-01397-6 /127 Seiten
- Das Bild über John Maynard stammt aus dem Spiegelartikel https://www.spiegel.de/geschichte/john-maynard-von-theodor-fontane-noch-zehn-minuten-bis-buffalo-a-ba1976fd-a41f-4b9c-95dd-07bcfd632222
Interessantes Konzept. So lernt man Berühmtheiten mal auf eine ganz andere Art kennen und fühlt sich vielleicht auch nicht gleich so überfrachtet mit Informationen.
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