Sonntag, 23. März 2025

Goldammer, Frank: Haus der Geister


Kennt man den Großvater, versteht man den Enkel. Auch wenn sich Max Heller letztlich viel selbst erarbeitet hat, Gustav scheint ihm vor allem eines mitgegeben zu haben: Pragmatismus und Unglauben. Anders ausgedrückt: Traue nur dir selbst.

Die Geschichte:  Im Jahre 1881 wird Gustav Heller mit dem Thema Geister konfrontiert. Es wird ein ganzes Buch dauern, bis klar wird, was es mit der „weißen Frau“ auf sich hat, die im Niederpoyritz, unweit Pillnitz, also am Wohnsitz der Familie Heller erscheint.

Bis dahin aber müssen sich Kriminalrat Heller und sein Assistent Schrumm mit einer Reihe von Todesfällen beschäftigen, von denen einige wie Selbstmorde aussehen. In einer Villa veranstaltet eine Dame sogenannte Séancen – Geisterbeschwörungen. Zur Seite steht dieser ein stumme verunstaltete junge Frau. Die „Selbstmörder“ hängen sich „selbst“ auf dem Dachboden der Villa auf. Es kommt zu einem Selbstversuch, der dem Assistenten ziemlich zusetzt, denn Schrumm ist geneigt, solchen Dingen Glauben zu schenken.
In einem Hotel wird sich zeigen, dass es Verbrechen gibt, die man sich so kaum vorstellen kann – das „rote Verlies“ zu finden erweist sich allerdings als schwierig.

Die Zeit:  Auf dem Hof des Pferdezüchters und ehemaligen Rittmeisters Gustav Heller finden wir noch kein Gas- oder elektrisches Licht und das Wasser wird noch aus einem Brunnen geschöpft. In der Stadt, in Dresden, dagegen finden sich schon Gaslaternen und Wasserleitungen, bald rechnet nicht nur Helene, die Frau Hellers, mit elektrischem Licht. Bis dahin und bis Kraftfahrzeuge zum alltäglichen Bild gehören, ist noch Zeit und so amüsieren wir uns über eine Schussfahrt mit einer Pferdekutsche durch die Straßen der Hauptstadt des sächsischen Königreiches. Der König übrigens hat diesmal keinen Auftritt. Heller schwingt die Zügel, der eigentliche Kutscher bittet um Rücksicht, derweil stieben die Funken der rutschenden Hufe auf dem Kopfsteinpflaster.
Abgesehen von den Kutschen ist da noch der Arbeitsweg, den Gustav Heller oft zu Pferde zurück legt, für den kriegserfahrenen Rittmeister allerdings kein Problem. Für den kleinen Überblick soll folgender Kartenausschnitt sorgen.



Der Staat scheint noch nicht geneigt, dem Kriminalassistenten ansprechende Dienstbezüge zu zahlen, im zweiten Hinterhaus lebt es sich ziemlich einfach. Und wenn dann noch Klopfgeräusche auftreten, sich die Wohnungstür wie von Geisterhand öffnet und eine Schranktür sich selbstständig macht, da muss schon ein Kriminaldirektor zeigen, dass so etwas wie Physik im Spiel sein könnte...

Das Buch:
  Gewohnte Spannung und ein Zeitkaleidoskop, aufrichtige praktische Figuren und Dresden, das ist der Stoff, den Frank Goldammer verarbeitet. Gustav Heller, ist ein knurriger, ein etwas rechthaberischer Typ. Einer, der nicht locker lässt. So manches Familiäres wird noch zu erzählen sein, da ist die die Tochter Johanna und albert, der Sohn – der Übergang zu Heller junior scheint mir noch nicht auserzählt zu sein. Es ist der zehnte Band – eine gewaltige Geschichte. Autoren müssen natürlich auch Seiten füllen. Dazu bedarf es Beschreibungen von Landschaft und Leuten. Goldammer hat das oft bewiesen...

Der Autor und seine Helden denken aber immer an die eher armen, die abgehängten Bewohner der Stadt, hier sind es die Waisen und die Mädchen und Frauen, die nur überleben, wenn sie sich verkaufen. Demgegenüber stehen die ach so biederen und anständigen Bürger, Adlige, Staatsbeamte, die, nach außen moralisch integer, im Inneren und Verborgenen Verbrecher...

Für Gustav Heller ist die Zeitung das, was heute neben dem Fernsehen die sogenannten sozialen Medien sind:
" 'Leider bekommt dieses Medium, die Zeitung immer mehr Gewicht. Sie ist längst nicht mehr nur Verbreitungsmittel für Nachrichten und Informationen. Sie zeigt und bildet inzwischen Meinungen oder manipuliert sie.' - Das hatten Zeitungen schon immer getan, nur dass sie bisher meist die Meinungen der führenden Schichten und Klassen abbildeten, dachte Heller für sich:" (Seite 303)
Doch sind sie auch für die Polizei gelegentlich nützlich.
Der Autor hat sich wohl einiger alter Zeiten erinnert. Geister, dunkle Szenen, mysteriöse Ereignisse, das war, das ist des Frank Goldammers Ding, der seinen, solchen Dingen eigentlich abholden Helden trotzdem gelegentlich erschauern lässt. Leserinnen und Leser erschauern wohl eher ob der Verhältnisse in einem gewissen Hotel und dem roten Verlies...

Ach ja, Gustav Heller sollte zu Hause in Oberpoyritz nochmal nachlesen, welche Rolle Poseidon in der griechischen Mythologie spielt. Gern aber habe ich über "Ockhams Rasiermesser" gelesen, und Tatortgaffer gab es auch im 19. Jahrhundert...

Auf ein Neues, lieber Frank Goldammer. Vielen Dank auch an der Verlag für das Rezensionsexemplar.




  • DNB / dtv / München 2025 / ISBN: 978-3-423-26421-1 / 382 S.

© Bücherjunge


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