Mittwoch, 8. Juni 2022

Shashenko, Valeria: 24 Februar

Und der Himmel war nicht mehr blau.

LITERATURTEST bot vor einigen Tagen ein Büchlein an, dessen Cover eine nachdenkliche junge Frau zeigt; der Titel ist im Jahr 2022 bezeichnend – ein Datum, welches ähnlich einschneidend ist, wie der 11. September 2001. Wer das übertrieben findet, dem sei gesagt, dass der Krieg, den Russland am 24. Februar gegen die Ukraine begonnen hat, inzwischen weit mehr Todesopfer gefordert hat.

Wenn der Himmel nicht mehr blau ist und eine Familie in einem bomb shelter sitzt, dann braucht man sinnvolle Dinge, die man in einem solchen machen kann. Valeria Shashenko, die zwanzigjährige Influenzerin (Instagram und TikTok) postete dann eben Things that make sense in a bomb shelter.

Dazu zählen, Tanzen, Singen, Musik machen. „Eine Mischung aus Langeweile, meiner Idee, etwas zu diesem TikTok-Trend zu machen, und einfach auch ein wenig Spaß zu haben in dieser an sich schrecklichen Situation:“ Eine Situation, in der auf Tschernihiw Bomben und Granaten fallen. Tschernihiw ist die Heimatstadt Valerias.


Auf das Video wurden dann sogar CNN und BBC aufmerksam, es entstand ein Interview. Valeria Shashenko erzählt so  „weltweit“ wie es ist, wenn der Himmel nicht mehr blau ist.


Das Buch. Shashenko erzählt von ihrer Reise, die in Mailand enden wird. Das Leben im Bombenschutzkeller ist ein zentraler Punkt:

„Während ich also in der Wohnung... das Video für TikTok aufnahm... schlug eine Bombe imn ein anderes Gebäude ein. Ich hörte den Alarm, aber konnte keine Bombe sehen, dann hörte ich blos noch eine laute Explosion und wusste nicht, wo sie eingeschlagen hatte....“ (Seite 52)

„Ich habe Videos und Dokumentationen über Hitler angesehen. Denn alles, was Putin jetzt tut, ist dasselbe. Es ist 100 Prozent Faschismus. Später hat mir meine Mutter erzählt, dass ich in dieser Nacht Alpträume hatte und immer laut geschriene habe. In meinen Träumen konnte ich die Explosionen hören.. Damals, als ich in Berlin das Museum über den Zweiten Weltkrieg besucht, konnte ich mir nicht vorstellen, dass das jemals das reale Leben sein könnte, es war wie auf einem anderen Planeten. Aber jetzt in dieser völlig zerstörten Wohnung zu stehen, zerbombt und zu Staub zerfallen, wurde mir klar, das es kein Museum war. Es war mein echtes Leben.“ (Seite 53)

Valeria möchte die Geschichten im Buch eigentlich dem russischen Volk widmen. Sie schreibt dazu:

„Denn viele in Russland glauben noch immer nicht, dass es ein Krieg ist, sondern eine ‚special operation‘. Aber bei einer solchen Spezialoperation würden russische Soldaten nicht dieses Level an Gewalt anwenden, Häuser zerstören, Frauen den Kopf rasieren oder Kinder missbrauchen.“ (Seite 11)

Die Flucht nach 17 Tagen „bomb shelter“ führt die junge Frau im Zug nach Warschau und mit dem Bus weiter nach Berlin und dann nach Mailand. Sie ist nicht reiseunerfahren, war in vielen Ländern und eben auch in Italien. Von den Reisen erzählt sie auch und kommt natürlich immer zurück auf den Krieg im Osten Europas. Sie erzählt von ihrer Familie, ihrer Mutter, ihrem Cousin, der durch eine Bombe getötet wurde. Sie weiß, wenn der Krieg beendet sein wird, ist trotzdem nichts, wie es vorher war. Gebäude lassen sich wieder aufbauen, das Leben aber nicht.



Ihre Geschichte zeigt jedoch Hoffnung, keine Resignation, auch wenn kein Tag vergeht, an dem sie nicht an den Krieg denken muss.

Es scheint, sie würde ständig springen zischen den Themen, den Orten, Erlebnissen, aber letztlich springt Shashenko immer zwischen „Krieg“ und „Nichtkrieg“. Auch die Bilder im Buch sind nicht alles Kriegsbilder. Das Buch spiegelt förmlich zum Beispiel ihren Instagram-Kanal wieder; auch dort beherrscht der Krieg nicht jeden Post oder jedes Video auf TikTok. Trotzdem ist er hier allgegenwärtig.

Über Krieg, Not, Zerstörung, Bomben, Tote, Gefallene, Feuer, Panzer, Explosionen lässt sich auf vielerlei Art berichten. So unüblich dürfte diese Form nicht sein, die nicht nur für die Millenniums und den Gen Z  ansprechend ist.

@VALERISSH finden wir unter 



Ich danke Literaturtest für das Rezensionsexemplar. 

  • DNB / story.one - the library of live / ISBN: 978-3-903715-22-6 / 83 Seiten

© Bücherjunge





1 Kommentar:

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