- Herausgeber : SAGA Egmont, 02. Oktober 2020
- Sprache : Deutsch
- Übersetzung :
- Sprecher :
- Ausgabe : Ungekürzte Ausgabe, 5 Stunden und 33 Minuten
- ASIN : B08KJFX65J
- Originaltitel : You Gotta Have Balls, 2005
KLOPS BRAUCHT DER MENSCH!
Zunächst gründet er die "Vorwärtsabteilung" in ihrer Firma und
bestellt nach eigenem Gutdünken Dinge für das Schreibbüro, die am realen
Bedarf eindeutig vorbei gehen. Ruth lässt ihren Vater etwas fassungslos
aber tapfer agieren, hat er so doch eine Aufgabe gefunden und lässt sie
selbst in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen. Dass sie hier nicht die
Notbremse zieht, zeigt zum einen, wie gut es ihr finanziell geht und
weist zum anderen auf die etwas verzwickte Vater-Tochter-Beziehung hin.
Edek und Ruth sind nicht nur jüdischen Glaubens, sondern Edek hat
zudem seinerzeit das Ghetto von Lodz und Auschwitz überlebt und verdient in Ruths
Augen für den Rest seines Lebens einen tiefen Respekt. Seit Ruths Mutter
gestorben ist, ist sie nun diejenige, die als Tochter eine
Fürsorgepflicht zu erfüllen hat und alles daran setzt, dass es ihrem
Vater gut geht. Sie finanziert ihm eine Wohnung in New York und freut
sich, dass Edek allmählich wieder aufblüht.
Ruth selbst hat jedoch schon Jahre der Therapie hinter sich, denn das
Aufwachsen als Kind von Überlebenden des Holocaust hat durchaus Spuren
hinterlassen. Sie hat und pflegt ihre kleinen Eigenheiten und Neurosen,
ist zudem geplagt von ständiger Sorge. Ruth achtet sehr auf sich und
ihren Körper, isst wenig und nur gesund, treibt Sport und pflegt einen
sehr strukturierten Tagesablauf. Durch das Eintreffen ihres Vaters gerät
all das Geregelte allmählich ins Wanken, und als Edek nach der
Bekanntschaft mit zwei älteren polnischstämmigen Frauen wie aus heiterem
Himmel beschließt, einfach ein Restaurant zu eröffnen, steht Ruths Welt
plötzlich Kopf.
"Klops braucht der Mensch" soll das Restaurant an der Lower Eastside
heißen, und mit Feuereifer machen sich Edek, Zofia und Valentina an die
Umsetzung ihres Plans, und nichts und niemand scheint sie dabei
aufhalten zu können. Gerade einmal 30.000 Dollar stehen ihnen dafür zur
Verfügung, eine lächerlich kleine Summe nach Meinung aller von Ruth zu
Rate gezogenen Experten. Und die 30.000 Dollar stammen zudem auch noch
von Ruth, die aber weniger den Verlust des Geldes befürchtet als die
Auswirkungen einer sicher zu erwartenden Enttäuschung auf ihren Vater.
Wenn solch ein letztes Lebensziel platzt - was dann?!
“Ruthy, Ruthy, reg dich runter!”
Herrlich absurd und gleichzeitig voller Wärme kommt diese schräge,
herzerfrischende, jüdische New Yorker Komödie daher. Ich mochte die
liebenswerte Schlitzohrigkeit Edeks, dessen sprühende Lebensfreude
(trotz allem) und seine Bereitschaft, so absolut im Hier und Jetzt zu
leben und es verdammt noch mal (Verzeihung) auch zu genießen, auch wenn
es manchmal anstrengend ist. Und ich mochte es, wie die Ereignisse und
die stoische Unbeirrbarkeit Edeks schließlich auch Auswirkungen auf
Ruths Leben und ihre Neurosen zeigten. Und wie sich Vater und Tochter
letztlich doch auch emotional ganz allmählich annäherten.
Der Schreibstil erscheint im Allgemeinen flüssig, jedoch manchmal
etwas einfallslos, was aber u.U. auch an der Übersetzung liegen könnte.
Marion Martienzen als Sprecherin der ungekürzten Hörbuchausgabe (5
Stunden und 33 Minuten) hatte für mein Empfinden leider doch etwas Mühe,
in die Erzählung hinein zu finden. Vor allem die Vertonung von Ruths
Vater Edek geriet anfangs eher in Richtung geistig unterbemittelt denn
einfach in Richtung polnisch-jüdischer Akzent, das war zumindest der
Eindruck der sich mir unangenehm und unpassend aufdrängte. Doch entweder
konnte sich die Sprecherin im Verlauf besser auf die Rolle Edeks
einstellen oder aber ich habe mich einfach an ihre Art des Vortrags
gewöhnt und versucht, über diese Nuancen hinweg zu hören.
Hintergründige Unterhaltung, die trotz der leisen Melancholie zutiefst lebensbejahend ist. Empfehlenswert!
© Parden
"Vor allem die Vertonung von Ruths Vater Edek geriet anfangs eher in Richtung geistig unterbemittelt denn einfach in Richtung polnisch-jüdischer Akzent, das war zumindest der Eindruck der sich mir unangenehm und unpassend aufdrängte." - Ich hätte keine Ahnung, wie "polnisch-jüdischer-Akzent" anzuhören ist. Auch in meinen Ohren klingen hier höchstens Klischees.
AntwortenLöschenVielleicht aber merke ich mir nun mal, was "Chuzpe" ist.
Der Bücherjunge