Sonntag, 6. Oktober 2019

Brandt, Matthias: Blackbird


Auf manche Romane werde ich spontan neugierig - hier war es wieder einmal die Kombination aus Cover, Klappentext und ersten Rezensionen, die mich auf das Buch aufmerksam machte. Eine Reise zurück in die 70er Jahre in eine Kleinstadt in Westdeutschland - und damit ein klein wenig auch in die eigene Vergangenheit. Und Pubertät? Klar, auch damit kenn ich mich aus...

Dies ist der erste Roman von Matthias Brandt, der, wie ich nun weiß, der jüngste Sohn des ehemaligen Bundeskanzlers Willy Brandt ist und als Schauspieler in über 70 Filmen mitgewirkt hat. Ob er tatsächlich auch schreiben kann? Das erfahrt Ihr hier:



Inhalt: (Quelle: Kiepenheuer & Witsch)

Als der 15-jährige Morten Schumacher, genannt Motte, einen Anruf bekommt, ist in seinem Leben nichts mehr, wie es einmal war. Sein bester Freund Bogi ist plötzlich sehr krank. Aber das ist nur eine der herzzerreißenden Explosionen dieses Jahres, die in Matthias Brandts Roman »Blackbird« Mottes Leben komplett auf den Kopf stellen. Kurz danach fährt Jacqueline Schmiedebach vom Einstein Gymnasium auf einem Hollandrad an ihm vorbei, und die nächste Erschütterung nimmt ihren Lauf. Zwischen diesen beiden Polen, der Möglichkeit des Todes und der Möglichkeit der Liebe, spitzen sich die Ereignisse immer weiter zu, geraten außer Kontrolle und stellen Motte vor unbekannte, schmerzhafte Herausforderungen. Doch zum richtigen Zeitpunkt sind die richtigen Leute an Mottes Seite und tun genau das Richtige. Und er selbst schaut den Dingen mutig ins Gesicht, mit scharfem Blick und trockenem Witz.

Die Figuren dieses Ausnahmeromans wird man nicht mehr vergessen, die Schornsteinfegerin Steffi, Elvis, den lebensklugen Bademeister mit den langen Koteletten, Neandertal-Klaus, und selbst den lustbetonten Sozialkundelehrer Meinhardt. Denn sie und all die anderen zeigen uns durch die Erzählkunst des Schriftstellers Matthias Brandt die Komik und die Tragik des Lebens, ihres Lebens in einer kleinen Stadt in den 70ern, aber auch unseres. Und wir können es sehen, ganz deutlich.

»Jung zu sein, bleibt immer gleich – so schmerzhaft, so unverständlich und so schön, weil alles zum ersten Mal passiert. ›Blackbird‹ ist ein wundervoller Roman.« Eva Menasse













Erwachsenwerden in den 70er Jahren...


Die 70er Jahre (Quelle: Pixabay)
Pubertät ist kein einfacher Lebensabschnitt, das weiß jeder, der diese Phase bereits selbst durchlaufen oder aber Kinder hat, die sich auf dem Weg ins Erwachsenenleben befinden. Dies wird in dieser Erzählung gekonnt thematisiert ohne ins Klischeehafte abzudriften, was für mich ein großer Pluspunkt ist.

Erzählt wird dieser Roman aus der Ich-Perspektive des 15jährigen Morten Schumacher, der von allen nur Motte genannte wird. Ganz unabhängig von den besonderen Themen, die hier im Laufe der Erzählung noch in Szene gesetzt werden, gelingt es Matthias Brandt, dem Leser die Zeit der Pubertät noch einmal intensiv in Erinnerung zu rufen. Ständig abschweifende Gedanken, eine Scheißegal-Haltung allem gegenüber, das Hinterfragen von Erwachsenen, unbegründete und ununterdrückbare Lachflashs, das Hinterfragen allen Tuns hinsichtlich dessen, was andere von einem denken könnten, Coolsein, sich ausprobieren... Die Darstellung des Charakters von Motte erscheint dadurch ausgesprochen authentisch.

Motte ist ein intelligenter und eher schüchterner Junge, der oft eher die beobachtende Position einnimmt und nicht zu den Draufgängern gehört. Außer Rockmusik interessiert ihn eigentlich nicht viel. Die Ehe seiner Eltern ist zerrüttet, die Trennung unvermeidlich. Motte zieht daher mit seiner Mutter innerhalb der Kleinstadt in ein anderes Viertel und lässt damit altbekannte Strukturen zurück, auch seinen Freund Bogi, mit dem er sich seit Jahren jeden Tag getroffen hat.

Doch der hat gerade ganz andere Sorgen, denn er muss wegen einiger medizinischer Auffälligkeiten ins Krankenhaus. Als schießlich bei Bogi ein Non-Hodgkin-Lymphom  diagnostiziert wird, gerät die Freundschaft der beiden in Schieflage. Motte fühlt sich unter Druck gesetzt, seinen Freund ständig besuchen und diesen aufheitern zu müssen, fühlt sich dem aber kaum gewachsen. Zudem geht sein eigenes Leben weiter - er verliebt sich beispielsweise zum ersten Mal - während Bogi jeweils nur noch auf die nächste Infusion zu warten scheint. Doch gehen die Erwachsenen um ihn herum wirklich weniger hilflos mit der Möglichkeit des Todes um?

Die Erzählung spielt in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Westdeutschland und ist gespickt mit zahllosen Reminiszenzen an diese Zeit, wozu auch der Beatles-Song 'Blackbird' gehört, dem der Titel dieses Romans entliehen ist. Plattenladen, Turnbeutel, D-Mark, Kassetten-Rekorder - alles Begriffe, die für heutige Jugendliche wohl wie Fremdwörter klingen, bei mir aber Erinnerungen an meine eigene Jugend wachriefen. Insofern ganz abseits der eigentlichen Geschichte auch ein etwas wehmütiges Wiedertreffen mit 'alten Bekannten'...


Die Erzählung weist zeitweise durchaus einige Längen auf, und doch konnte mich die Atmosphäre gefangen nehmen, die Matthias Brandt hier aufbaut. Sowohl die erste Liebe als auch der drohende Tod des besten Freundes wollen erst einmal verkraftet werden, und dies geschieht hier auf eine absolut authentische und kein bisschen schwülstige Art und Weise. Fest verbunden mit der hin- und herfliegenden Gedankenwelt Mottes, kämpft sich der Leser durch die Hürden des Lebens und versinkt zwischenzeitlich auch in einer großen Sprachlosigkeit. Aber der Autor führt Motte und den Leser weiter, mit trockenem Humor und Gefühlen, da wo es angebracht scheint.

Eine Coming-Of-Age-Geschichte mit Tiefgang, witzig und berührend - empfehlenswert...


© Parden











Produktinformation: (Quelle: Amazon.de)
  • Gebundene Ausgabe: 288 Seiten
  • Verlag: Kiepenheuer&Witsch (22. August 2019)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3462053132
  • ISBN-13: 978-3462053135



Informationen zum Autor: (Quelle: Kiepenheuer & Witsch)

Matthias Brandt, geboren 1961 in Berlin, ist einer der bekanntesten deutschen Schauspieler. Für seine Leistungen ist er vielfach ausgezeichnet worden. Als Autor debütierte Matthias Brandt 2016 mit seinem hochgelobten Erzählband »Raumpatrouille«.


4 Kommentare:

  1. Matthias Brandt hat sogar den Spion Guillaume gespielt, den er als Kind kannte und über den sein Vater stürzte.
    Turnbeutel: da haben wir was gemeinsam. Meinen ersten Kassettenrecorder bekam ich zur Jugendweihe von den Großeltern.
    Liebe Grüße an die Turnbeutelträgerin...

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    1. Das war mir klar, dass Du den Schauspieler kennst und auch die Filme dazu... *grins* :) Liebe Grüße zurück!

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  2. Ich kann mich in eure Turnbeutelgang einreihen ;-)
    An die Pubertät meiner Tochter möchte ich nicht erinnert werden...


    Mathias Brandt mag ich als Schauspieler sehr.
    Deine Rezi macht mich schon sehr neugierig.

    Liebe Grüße Regina

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    1. Hihi, Turnbeutelgang... :) Tja, die Pubertät meines Sohnes - daran denke ich auch nicht gerne zurück. Aber es gehört nun einmal dazu.

      Liebe Regina, ich glaube unbedingt, dass dies ein Buch für Dich wäre! Leider habe ich es selbst nur geliehen, sonst würde ich es Dir zuschicken...

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