Mittwoch, 2. Oktober 2019

Hurwitz, Gregg: Die Scharfrichter

Altes muss nicht schlecht sein... Aktuell gibt es das Buch nicht mehr im Knaur-Verlag, aber als Mängel-Exemplar gebraucht erstanden geht es zur Not auch. Immerhin habe ich hier den ersten Band einer Reihe erwischt. Gregg Hurwitz ist mir schon durch 'Orphan X' bekannt, und da ich daher weiß, dass er mitreißend schreiben kann, griff ich bei diesem Buch zu...

Der Plot erscheint grausam - und ist es auch. Hurwitz spart nicht an Action-Szenen, und spannend ist es allemal, auch durch einige überraschende Wendungen und Ereignisse. Faszinierend fand ich hier zudem die ethische Fragestellung: ob Selbstjustiz unter gewissen Umständen nicht nur nachvollziehbar sondern möglicherweise auch tolerierbar sein könnte. Aber ich will hier nicht vorgreifen - lest selbst:

Inhalt: (Quelle: Amazon)  

Tim Rackley ist US Marshal in Los Angeles. Als seine sechsjährige Tochter brutal ermordet und der Täter wegen eines juristischen Formfehlers freigesprochen wird, gerät seine Welt aus den Fugen. Das Verlangen nach Rache wird übermächtig, und so schließt sich Rackley einer Organisation an, die sich das Ziel gesetzt hat, solche ›Fehler‹ der Rechtsprechung zu beseitigen. Als skrupellose Mitglieder bei ihren Aktionen ein Blutbad anrichten, begreift Rackley, dass es eine Qual sein kann, sich zum Herrn über Leben und Tod aufzuschwingen…









GESETZ ODER GERECHTIGKEIT...

Los Angeles (Quelle: Pixabay)
Was für ein Thriller! Ich mag es, wenn Spannungsliteratur nicht nach Schema F gestrickt, sondern mit einer besonderen Fragestellung verknüpft ist. Hier ist dies der Fall - die Handlung begleitend stellt sich die Frage, ob Selbstjustiz ein probates und nachvollziehbares Mittel sein kann, um Lücken im Gesetz zu flicken. Wenn nämlich nachweislich üble Zeitgenossen aufgrund von Verfahrensfehlern vor Gericht freigesprochen werden, ihre Schuld tatsächlich aber außer Frage steht. Sollte dann nicht jemand dafür sorgen, dass diese Mörder, Vergewaltiger und Folterer keinen weiteren Schaden mehr anrichten können?

Tatsächlich schleichen sich beim Lesen vor allem zu Beginn des Buches unangenehme Gedanken ein, dass dies - bei allem Verständnis für die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der demokratischen Organisationen - tatsächlich in einigen Fällen wünschenswert sein könnte. 

Gerade am Anfang des Thrillers gelingt es Gregg Hurwitz grandios, die emotionale Ausnahmesituation, in der Tim und seine Frau Dray nach dem Mord an ihrer kleinen Tochter stecken, überaus plastisch darzustellen. Teilweise blieb mir dabei fast der Atem weg. Und es erscheint mehr als plausibel, dass Tim - eigentlich US-Marshall - aufgrund einiger übler Entwicklungen anfällig ist, als er von besagter Organisation angeheuert wird.

Skeptisch zunächst, entscheidet sich Tim schließlich tatsächlich, dieser Gruppe von Scharfrichtern beizutreten, zumal ihm das Verfahren, wie über ein Eingreifen entschieden wird, nachvollziehbar und tolerierbar erscheint. Als Lohn winkt ihm darüber hinaus ein Einblick in die Unterlagen zum Mord an seiner Tochter, wodurch er sich entscheidende Erkenntnisse erhofft.

Durch den emotional aufwühlenden Anfang der Erzählung erscheinen Tims Schritte überaus 
nachvollziebar und fast schon logisch. Er will die Dinge selbst in die Hand nehmen und vorantreiben können und ist dafür auch bereit, unter Umständen einen hohen Preis zu bezahlen. Mit Sorge betrachten er und der Leser dabei die negative Entwicklung seiner Ehe - schon das Trauma des gewaltsamen Todes ihres gemeinsamen Kindes lassen die Beziehung von Tim und Dray auseinanderdriften. Seine Entscheidung, den Scharfrichtern beizutreten, tut ein übriges. Krisen wohin man schaut...

Tim als ausgezeichneter und gut ausgebildeter Polizist benötigt im Verlauf seine gesamte Erfahrung, um sich den zunehmend heikler werdenden Situationen zu stellen. Es ist zu merken, dass Gregg Hurwitz gewöhnlich Drehbücher für Hollywood schreibt - die Actionszenen sind nicht von schlechten Eltern, spannend und mitreißend, wenn auch zuweilen für mich zu rasch in der Abfolge - eben wie im Film, was mir das Vorstellen der Szenen z.T. erschwerte.

Alles in allem eine gelungene Mischung aus Emotionen, Action und Spannung, verknüpft mit einer heiklen Fragestellung. Wendungen und überraschende Entwicklungen inbegriffen. Das Ende bietet erwartungsgemäß einen spannenden Show-Down und ganz am Schluss noch eine weitere überraschende und im Grunde sehr ironische Entwicklung, die mir sehr gefallen hat.

Ein gelungener Auftakt einer vierbändigen Reihe um Tim Rackley, der mich neugierig auf die weiteren Folgen gemacht hat. Für Liebhaber dieses Genres wirklich empfehlenswert!


© Parden







Produktinformation: (Quelle: Amazon.de)
  • Taschenbuch: 636 Seiten
  • Verlag: Knaur (1. Mai 2006)
  • Sprache: Deutsch
  • Übersetzung: Ulrich Hoffmann
  • ISBN-10: 3426632675
  • ISBN-13: 978-3426632673
  • Originaltitel: The Kill Clause



Informationen zum Autor: (Quelle: Verlagsgruppe Droemer Knaur)

Gregg Hurwitz, geboren 1973, studierte Englisch und Psychologie an der Harvard University sowie in Oxford (GB). Mit seinen Thrillern um US Marshal Tim Rackley ("Die Scharfrichter", "Die Sekte", "Die Meute") sowie dem Stand-alone "Blackout" gelang ihm in den USA und Großbritannien der Durchbruch als Spannungsautor. Er lebt in Los Angeles.


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