Sonntag, 20. Oktober 2019

Siemens, Jochen: Besuch von oben

Ich habe ein wenig gezögert, bevor ich beschloss, diesen Roman zu lesen, denn der Klappentext klang doch recht abgedreht. Dann aber reizte mich die Vorstellung, mit der hier gespielt wird - und die Neugierde obsiegte.


Wenn ich eines gelernt habe, dann ist es, auch bei Romanen immer mal über den Tellerrand zu schauen und Neuland zu betreten - ansonsten würde ich hier wohl überwiegend Krimis und Thriller vorstellen, die ich nach wie vor gerne lese. Aber abseits der Komfortzone gibt es natürlich auch stets die Gefahr der Enttäuschung - nicht jedes Experiment, das ich eingehe, erweist sich als Volltreffer. Ob mich dieses Buch ebenfalls enttäuschte, könnt Ihr hier nachlesen:

Inhalt: (Quelle: Verlagsgruppe Droemer Knaur) 

Was würden Sie Ihren verstorbenen Eltern erzählen, wenn Sie sie noch einmal treffen könnten?

Johannes Schweikert kann es nicht glauben: Vor 22 Jahren sind seine Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen – und nun stehen sie auf einmal vor ihm! Eine Halluzination? Ein Trick? Zunächst ist der Architekt mit dieser Situation schlichtweg überfordert, zumal er zu seinem Vater nie ein gutes Verhältnis hatte. Und nun stellt dieser plötzlich Fragen nach seinem Leben, nach seiner Familie, nach seinem Beruf – und wundert sich über Dinge wie Handys und Internet . Es ist kompliziert – vor allem weil Johannes ihm eigentlich ein paar unangenehme Wahrheiten beichten müsste. Der tote Vater und der lebende Sohn - der alte Konflikt flammt wieder auf. Wie soll er seinen toten Eltern gestehen, dass auf dem Friedhof kein Platz für zwei Särge war und er sie deshalb einäschern lassen musste? Und das wäre erst der Anfang...










HUMORVOLL UND NACHDENKLICH...


Jenseits (Quelle: Pixabay)
Was wäre wenn? Sich noch einmal mit verstorbenen Angehörigen unterhalten können? Eine interessante Idee hat Jochen Siemens hier zu einem über weite Strecken unterhaltsamen Roman verarbeitet. 

49 Jahre alt ist der Architekt Johannes Schweikert, verheiratet, eine Tochter. Er baut keine grandiosen Bauwerke, sondern hat sich auf Inneneinrichtungen spezialisiert, weil ihm das einfach mehr Befriedigung verschafft. Vollwaise ist Johannes außerdem, und zwar seit 22 Jahren, als seine Eltern durch Fremdverschulden ums Leben kamen. 

Der Architekt hat sich an ein Leben ohne seine Eltern gewöhnt, zumal er sich auch früher schon von ihnen distanziert hatte. Zu verschieden waren die Lebensentwürfe, die Vorstellungen von dem, was und wie man etwas tun wollte. Daher staunt Johannes nicht schlecht, als plötzlich nach all den Jahren seine verstorbenen Eltern vor ihm stehen. Nicht so, wie er sie zuletzt gesehen hat, sondern stark gealtert, als wenn sie ihr Leben einfach weitergelebt hätten. 

Zunächst traut Johannes seinen Augen nicht, versucht zu ignorieren, was er da sieht und hört, aber er kommt schließlich nicht umhin, seiner Wahrnehmung zu trauen. Arg gehemmt ist er zu Beginn, denn was gibt es zu sagen? Nur wenige Stunden sind ihm und seinen Eltern vergönnt, aber womit soll man die füllen?

Nun, letztlich wird die Zeit kaum reichen, der erneute Abschied wird nicht leicht fallen, so viel sei hier verraten. Dazwischen wird viel geredet, noch mehr erinnert und gedacht. Unterhaltsame Passagen gibt es da, denn wenn man wie bei einer Zeitreise plötzlich 22 Jahre nach vorne katapultiert wird, erscheint einem doch so manches gelinde gesagt befremdlich. Und diese Eindrücke gibt der Autor gekonnt wieder, so dass ich manchesmal schmunzeln musste.

Aber es gibt auch viele nachdenkliche Abschnitte. Johannes und seine Eltern haben sich letztlich doch viel zu sagen, festgefahrene Bilder verändern sich ein wenig, und v.a. Vater und Sohn kommen einander unerwartet viel näher als zu Lebzeiten. Aussprache, Versöhnung und Annäherung - ohne dabei ins Kitschige oder Dramatische zu verfallen, das hat mir gefallen.


"Ich erinnerte mich an einen Satz, den ich gelesen hatte und der mit nicht aus dem Sinn ging. Dass nämich die Jugend die Aussicht auf unendliche Möglichkeiten sei und das Alter die Rückschau auf verpasste Gelgenheiten."


Über weite Passagen war die Erzählung sehr flüssig zu lesen. Einige Rückblicke gerieten etwas langatmig, was sich negativ auf den Lesefluss auswirkte. Aber insgesamt ging für mich das Konzept des Romans auf, einschließlich der Szenen 'im Himmel' (oder sonstwo), die bei aller Skurrilität doch auch etwas Tröstliches hatten. 

Meine anfängliche Skepsis beim Lesen wich rasch einer Neugier, was sich bei der Begegnung von Eltern und Sohn wohl so alles ereignen würde, und am Ende verdrückte ich gar ein paar Tränchen. Was wäre wenn? Stellt man sich nicht selbst manchmal die Frage? Der Roman bietet dafür nicht die schlechteste Antwort...

Trotz einiger Langatmigkeiten konnte mich der Roman gut unterhalten - humorvoll und nachdenklich, für mich eine gelungene Mischung.


© Parden









Produktinformation: (Quelle: Amazon.de)
  • Broschiert: 288 Seiten
  • Verlag: Droemer TB; Auflage: 1. (2. Mai 2017)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 9783426305904
  • ISBN-13: 978-3426305904



Informationen zum Autor: (Quelle: Verlagsgruppe Droemer Knaur)

Jochen Siemens lebt in Hamburg und arbeitet als Reporter für den „Stern“ und andere Zeitschriften. Er ist verheiratet und hat eine Tochter. „Besuch von oben“ ist sein zweites Buch.

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