Donnerstag, 6. Juni 2019

Albrecht, Bernhard: Patient meines Lebens

Wer mich persönlich kennt, der weiß, dass ich ein gespaltenes Verhältnis zu Ärzten habe. Zu viele Oberflächlichkeiten, zu wenig Einfühlungsvermögen, zu groß das Desinteresse - das sind die häufigsten meiner Erfahrungen bisher.
Ja, es gibt die Ausnahmen, und auch denen bin ich bereits begegnet. Aber ist es nicht im Grunde auch heute noch so, wie es einst der kluge Voltaire (1694-1778) zusammenfasste: "Ärzte schütten Medikamente, von denen sie wenig wissen, zur Heilung von Krankheiten, von denen sie noch weniger wissen, in Menschen, von denen sie gar nichts wissen."? Wie schön ist es da allein schon, im Gegenüber auf wirkliches Interesse zu stoßen, auf einen ganzheitlicheren Blick, auf ein Bemühen! Und dann solch ein Titel - der ja impliziert, dass ein einzelner Patient das Leben und Wirken eines Arztes entscheidend beeinflusst hat. Natürlich wurde ich da neugierig!

Inhalt: (Quelle: Verlagsgruppe Droemer Knaur) 

Der Arzt und preisgekrönte Wissenschaftsjournalist Bernhard Albrecht erzählt von Patienten, deren Fälle aussichtslos erscheinen, und von Ärzten, die alles daransetzen, die Krankheit gegen alle Wahrscheinlichkeit zu heilen und Leben zu retten. Und er zeigt, wozu die Medizin imstande wäre, wenn jeder Patient einen Arzt fände, der alles für ihn gibt.












WAHRE GESCHICHTEN AUS DER MEDIZIN...


Quelle: Pixabay
Wer wünscht ihn sich nicht: einen Arzt, der alles, wirklich ALLES tun würde, um einen vor dem sicheren Tod zu retten? Da ist der Arzt, der einen Jungen zurück ins Leben holt, der mit einer Körpertemperatur von nur noch 17 Grad im Koma liegt. Da ist das Medizinerpaar, das eine künstliche Luftröhre baut, um einem todgeweihten Patienten ein normales Leben zu ermöglichen. Und da ist der Stationsarzt, dem es erstmals weltweit gelingt, einen Patienten von Aids zu heilen. Sie alle standen an einem Punkt, wo herkömmliche medizinische Methoden versagten und sie völlig neue Wege suchen mussten, um ihren Patienten zu helfen.

Sich zum Arzt oder gar ins Krankenhaus zu begeben, bedeutet meist auch, seinen Status als eigenständiger Mensch zumindest ein Stück weit aufzugeben. Eine Maschinerie wird in Gang gesetzt, die selten Blicke nach rechts oder links erlaubt, sondern einen im Gleichschritt durch die notwendigen Prozeduren schleust und am Ende bestenfalls als geheilt - oder zumindest mit einem passenden Rezept in den Händen - entlässt.

Bernhard Albrecht stellt hier verschiedene Patienten vor, die durch eine Erkrankung extreme Einschränkungen erfuhren bzw. sogar in akuter Lebensgefahr schwebten. Bei aller Unterschiedlichkeit der zugrunde liegenden Erkrankungen (verätzte Luftröhre, Aids, Leukämie, chronische Schmerzen, Gehirnerkrankung, Klumpfuß u.a.m.), durchliefen die Patienten doch ähnliche Stationen: endlose Arztbesuche, festgeschriebene Diagnosen, jahrzehntelange Irrfahrten, achselzuckende Hilflosigkeit der Ärzteschaft, Resignation. Bis sie zu ihrem Glück zufällig auf genau den einen Arzt stießen, der bereit war, auch einmal über den Tellerrand hinaus zu blicken.

Nicht aufgeben, sondern Neuland betreten und ungewöhnliche Methoden zum Einsatz bringen. Die hier vorgestellten Ärzte wagten diesen einen besonderen Schritt, der von der übrigen Ärzteschaft oft misstrauisch betrachtet wurde, der manches Mal bei der Ärztekammer angezeigt wurde oder/und der den Arzt Nerven und reichlich Geld kostete, wenn die Krankenkasse sich weigerte, für das Mittel der Wahl aufzukommen...

Teilweise wurde ein Weg dabei genau ein einziges Mal beschritten, entweder weil bei dem einen Patienten die Bedingungen so günstig waren wie sonst bei keinem anderen mit seinen Symptomen oder aber weil dem Arzt im Anschluss solche Steine von Behörden/Kassen in den Weg gelegt wurden, dass er in Zukunft auf weitere Schritte in diese eingeschlagene Richtung verzichtete.

Bernhard Albrecht stellt hier interessante Fälle vor, wobei er - für mich erstaunlicherweise - auch den persönlichen Hintergrund des jeweiligen Patienten ausführlich ausleuchtete. Einerseits wird so natürlich deutlich, dass es sich in jedem einzelnen Fall um ein persönliches Schicksal handelt und eben nicht nur um einen 'Fall', andererseits liegt dadurch der Schwerpunkt der Schilderungen manchmal sehr deutlich auf Seiten des Patienten, da erscheint der medizinisch innovative Weg eher nebensächlich. 

Die medizinischen Ansätze fand ich sehr interessant - und z.T. auch bedrückend. In einem Fall stellte sich beispielsweise heraus, dass es zur Behandlung einer bestimmten Erkrankung schon zig Jahre zuvor eine erfolgreiche Methode gab, dass diese aber in alten Fachzeitschriften vor sich hin moderte, auf die in der Regel kein moderner Arzt mehr zurückgreifen würde - verlorenes Wissen, das ansonsten schon unzähligen Patienten davor hätte helfen können.

Eine interessante Sammlung, die romanhafter geraten ist als ich vermutet hatte (ein erzählendes Sachbuch also), die durch die Verschiedenartigkeit der Fälle aber für reichlich Abwechslung sorgte. Im Grunde sollten angehende Ärzte Bücher wie dieses als Zwangslektüre lesen müssen - damit sie gar nicht erst in die Schiene der seelenlosen Maschinerie geraten und ihr selbständiges und kritisches Denken nicht am Krankenhauseingang beim Pförtner abgeben und dann stehen lassen wie einen vergessenen Regenschirm.

Wozu wäre wohl die Medizin imstande, wenn jeder Patient einen Arzt fände, der alles für ihn gibt?


© Parden









Produktinformation: (Quelle: Amazon.de)
  • Gebundene Ausgabe: 272 Seiten
  • Verlag: Droemer HC (1. August 2013)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3426275945
  • ISBN-13: 978-3426275948




Informationen zum Autor: (Quelle: Verlagsgruppe Droemer Knaur)

Bernhard Albrecht studierte Medizin und Publizistik in Bochum, Uppsala, Barcelona und Straßburg und promovierte zum Dr. med.. Er arbeitete zunächst als Arzt und schrieb nebenher für Tageszeitungen und Zeitschriften. Seit 2000 arbeitete er als Journalist für verschiedene Fernsehanstalten und schrieb u.a. für Spiegel und Geo. Mehrfach wurde er für seine Arbeiten ausgezeichnet, u.a. mit dem Adolf-Grimme-Preis. Bernhard Albrecht lebt heute als Redakteur des "Stern" in Hamburg und München.

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