Der Lebenslauf von vier Menschen wird erzählt. Alle vier treffen sich final in Minsk wieder: Zwei sterben dort, zwei werden überleben. Die vier Menschen sind Wilhelm Kube, Anita Lindenkohl (Anita Linden), Jelena Gregorjewna Masanik und Gustav Heimann. Kube wird später bekannt als „Generalkommissar von Weißruthenien“, er ist ein korrupter Beamter des NS-Staates, Anita Linden, eine Schauspielerin, wird dessen Frau, zusammen haben sie drei Kinder. Jelena Masanik ist ein weißrussisches Bauernmädchen, sie wird als Partisanin zwei Minen unter Kubes Bett anbringen und dafür den goldenen Stern einer Heldin der Sowjetunion erhalten. Gustav Heimann und seine Familie dagegen sind fiktive Figuren, die damit einen Roman aus einem Tatsachenbericht „machen“.
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Die Heimanns. Was waren das für Zeiten, damals in Berlin, in der kleinen Buchhandlung. Und die immer noch vorhandene Hoffnung, dass alles nicht so bösartig wird, in jenen Tagen, nachdem die Bücher brannten und der geliebte Heine nicht mehr gekauft wurde, nicht mehr verkauft werden durfte. Am Tag X steigen sie in einen Zug, der bringt sie nach Minsk. In das Ghetto von diesem Kube. Welches geräumt wird, als es „ineffizient“ wurde. Da gibt es einen jüdischen Ingenieur aus Wien, der hat den Deutschen geholfen, die Gaskraftwagen instandzuhalten. Die Gaskraftwagen, in denen die Abgase in den „Fahrgastraum“ geleitet wurden. In einen solchen steigen nun Gustav, Erika und Gertrud Heimann gemeinsam mit dem Ingenieur...
Keine zwei Seiten für das Ende der Heimanns. Räumung, Prügel, Gaskraftwagen, Abfahrt und AUS.
Hier zeigt sich im Besonderen die Nüchternheit dieses Romans. Eben noch die Hoffnung davon zu kommen, der Kube beschäftigte jüdische Fachleute in allen möglichen Berufen, plötzlich ist sie erloschen. Nicht, dass das Buch emotionslos wäre, was man an der Geschichte der Jelena Masanik erkennt.
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Nun dieser Roman, genau in dem Jahr, in dem das Mahnmal der Weg des Todes im Wald von Blagowschtschina eingeweiht wurde. Im Beisein des deutschen Bundespräsidenten. „Der Schritt wird schwer und schwerer, je näher man diesem Ort kommt“, sagt Steinmeier in seiner Rede. „Das Wissen um das, was an diesem Ort geschehen ist, wird zur tonnenschweren Last.“ *
Dem Leser geht es ähnlich, wenn er sich das schonungslose Buch des Paul Kohl vornimmt, wenn er von den historischen und fiktiven Menschen, die er in Minsk zusammenführt, liest. Und doch muss der Bundespräsident die Nachkommen auch der Täter vor Ort vertreten, ich bin überzeugt, das ist kein leichter Gang. Das muss auch einmal gesagt werden in einer Zeit, in der Teile der deutschen Bevölkerung die Repäsentanten dieser Republik nur noch mit Argwohn betrachten und Parteien wählen, die geneigt sind, die Geschehnisse vor 80 Jahren wenn schon nicht vollkommen zu negieren, so zumindest zu relativieren.
Wiederholt habe ich davon geschrieben, dass Romane historische Sachbücher nicht ersetzen, diese aber hervorragend ergänzen können.
Das war ein gutes Buch. Ein Buchwelches "Gegen das Vergessen" gerichtet ist. Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.
► DNB / emons: Verlag / 2018 / ISBN: 978-3-7408-0307-0 / 347 S.
© Bücherjunge
* https://www.tagesspiegel.de/politik/bundespraesident-in-belarus-steinmeier-besucht-ort-des-todes/22752766.html; 05.10.2018, 21:30 Uhr
Ich bin begeistert von der ausgearbeiteten Rezension. Hier hatte mich schon der Titel angesprochen. Nach dieser Vorstellung, werde ich es mir kaufen. LG
AntwortenLöschenFreut mich, auch wenn die Rezension sicher etwas Spoilerhaftes hat.
LöschenDen Titel finde ich als Einziges gar nicht verlockend.
LöschenDas klingt in der Tat sehr lesenswert!
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