Der große Gesellschaftsroman aus Finnland: ein zeitloses Bild derer, die alles haben und gerade deshalb nicht glücklich sein können.
Max Paul ist Soziologe an der Universität von Helsinki und zugleich erfolgreicher Buchautor. Sein akademisches Steckenpferd sind Sexualität und Ehe – seine eigene Ehe jedoch funktioniert schon lange nicht mehr. Während Max und seine Ehefrau Katriina in eine immer tiefere Krise geraten, hadern auch ihre erwachsenen Töchter mit ihrem jeweiligen Lebensmodell: die Lehrerin und zweifache Mutter Helen genauso wie die Kunststudentin Eva, die mit knapp dreißig ihren Platz im Leben noch nicht gefunden hat. Als Eva eine Affäre mit ihrem Dozenten anfängt und Max eine mit einer jungen Journalistin, spitzt sich in einem kalten Winter in Helsinki die Situation der Familie Paul zu.
Ein brillant erzählter, psychologisch raffinierter Gesellschaftsroman über eine globale Mittelschicht auf der Suche nach dem Lebenssinn, hin- und hergerissen zwischen dem Streben nach Unabhängigkeit und der Sehnsucht nach Sicherheit.
- Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
- Verlag: Karl Blessing Verlag (15. September 2014)
- Sprache: Deutsch
- Übersetzung:
- ISBN-10: 3896675346
- ISBN-13: 978-3896675347
- Originaltitel: Vinterkriget
VON DER UNMÖGLICHKEIT DES GLÜCKS...
Winter in Helsinki |
Der Debütroman des finnischen Nachwuchsautoren Philip Teir beschäftigt sich exemplarisch am Beispiel einer Mittelschichtsfamilie mit der Fragestellung, weshalb es so schwierig ist, in der heutigen modernen Gesellschaft zu seinem Glück zu finden.
Vater Max Paul, gerade 60, Soziologieprofessor und Buchautor, verkriecht sich meist in seinem Arbeitszimmer, fühlt sich allmählich aufs Abstellgleis geschoben und zweifelt am Erfolg seines neuen Buches. Mutter Katriina sucht ihr Heil in der Flucht in die Arbeit, fühlt sich zu Hause weitestgehend überflüssig, vor allem seit beide Kinder ausgezogen sind und sie oft nur noch telefonsichen Kontakt haben. Helen, die älteste Tochter, die früh geheiratet und zwei Kinder bekommen hat, ist davon überzeugt, nur noch in Rollen gefangen zu sein - als Lehrerin sowie als Mutter im Hamsterrad zu stecken und dabei keine Chance zu haben, 'wirklich' zu leben. Und Eva, die jüngste Tochter, hat ihr Studium hingeschmissen und ist spontan nach London gezogen, um dort Kunst zu studieren, beginnt ein Verhältnis mit dem Dozenten und sucht nach ihrem Platz im Leben...
"Rousseau meinte, dass es unmöglich sei, bewusst glücklich zu sein. Man wird sich seines Glückes nur in der Rückschau bewusst, nachdem man es schon verloren hat. Wenn man es erlebt, kann man es nicht erkennen, wenn man sich seiner bewusst ist, kann man es nicht empfinden. Auch Hannah Arendt hat etwas Ähnliches gesagt: Um nach oben zu kommen, muss man vorher ganz unten gewesen sein. Das Leben ist im Grunde ein ewiger Kreislauf von Glück und Unglück, das eine setzt das andere voraus." (S. 151)
Jede der Personen, obgleich auch Familienmitglied, lebt absolut in ihrer eigenen Welt. Einsame Planeten, die einander umkreisen, sich oft nichts Wirkliches mehr zu sagen haben, alles mit sich alleine ausmachen. Keiner von ihnen glücklich. Jeder lebt nur in seinen 'Rollen', will das eigentlich nicht mehr, ist trotz der gutsituierten Lage, in der er sich befindet, im Grunde unzufrieden. Das Streben nach Glück, nach Sorglosigkeit, danach frei von Erwartungen und Verpflichtungen zu sein, scheint über allem zu stehen. Und keiner weiß, wie er es anstellen soll.
Dabei bleibt nicht nur das Verhälntnis der Charaktere untereinander distanziert und oft unterkühlt, sondern auch das zum Leser. Eingebettet ist das ganze in eine meist düstere Betrachtungsweise der Lebensentwürfe, verknüpft mit einer resignierten Lethargie - vielleicht einem finnischen Roman angemessen, mich als Leser hat es jedoch eher deprimiert.
Das war beileibe keine einfache Lektüre, und für mich konnte das Buch insgesamt leider nicht halten, was ich mir davon versprach.
Das lag jetzt nicht unbedingt an den ständigen Perspektivwechseln zwischen den verschiedenen Familienmitgliedern. Die irritierten anfangs zwar, weil einem die Personen gleich wieder aus den Fingern flutschten, wenn man sie gerade ein wenig zu fassen glaubte. Aber nach etwa einem Drittel hatte ich mich daran gewöhnt und erlebte sie nicht länger als störend. Aber, und das finde ich sehr bedauerlich, diese Wechsel waren mir inzwischen auch fast egal. Alles plätschert so vor sich hin, ich las es, nahm es zur Kenntnis, ach, jetzt kommt was anderes, auch gut, mach mal eine Pause. So gut wie dieses Buch habe ich schon lange keines mehr 'mal eben' zur Seite legen können. Schade, echt. Der flüssige Schreibstil konnte da auch nicht über die neutrale Erzählweise und das einförmige Dahinfließen der Erzählung hinwegtrösten.
Dennoch fand ich das Buch nicht durchgehend schlecht, auch wenn jetzt hier vielleicht der Eindruck gewonnen werden kann. Die Suche nach dem Glück und wie schwierig diese sich gestaltet angesichts der Gegebenheiten unserer modernen Gesellschaft ist schon ein interessantes Sujet, und ich habe jetzt auch nicht ungern Familie Paul ein Stück bei ihrer Suche begleitet. Aber diese Fragestellung ist nicht neu und spektakuläre Erkenntnisse oder Wendungen konnte Philip Teir hier für mich nicht bieten.
Trotz allem bietet das Buch dem Leser dann aber auch einen Gedankenanstoß, wo er selbst im Leben steht und ob dies dem eigenen Lebensentwurf wirklich nahe kommt...
© Parden
Der Autor über seinen Roman...
Philip Teir |
► Quelle Text
Mir scheint, wenn sich ein Romanneuling mit solchen tiefsinnigen Themen beschäftigt, dann könnte auch manches auf der Strecke bleiben.
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