Eduard, ein reicher Baron im besten Mannesalter, und seine Frau Charlotte sind ein liebendes Paar. In der Jugend von den Eltern getrennt, haben sie sich im reiferen Alter wiedergefunden und geheiratet. Ihr idyllisches Leben auf dem gemeinsamen Landgut wird jedoch unterbrochen durch die Ankunft des Hauptmannes, eines Freundes von Eduard, und Ottilies, Charlottes Pflegetochter, und bald ist nichts mehr so wie es war. Denn Eduard und Ottilie fühlen sich unwiderstehlich zu einander hingezogen und auch der Hauptmann und Charlotte hegen tiefe Gefühle für einander.
Während viele von Goethes Zeitgenossen "Die Wahlverwandtschaften" als unmoralisch ablehnten, gilt der Roman heute als erster psychologischer Roman der deutschen Literatur, der überaus differenzierte und tiefe Einblicke in die menschliche Seele gibt.
"Es ist unser höchster Roman: ein Gebild, so mondän wie deutsch, ein Wunderding an Geglücktheit und Reinheit der Komposition, an Reichtum der Beziehungen, Verknüpftheit, Geschlossenheit." Thomas Mann.
- Hörbuch-Download
- Spieldauer: 9 Stunden und 9 Minuten
- Format: Hörbuch-Download
- Version: Ungekürzte Ausgabe
- Verlag: Argon Verlag
- Audible.de Erscheinungsdatum: 31. März 2006
- Sprache: Deutsch
- Gelesen von: Udo Wachtveitl
- ASIN: B002TVXS3O
VON NATURGESETZEN UND MENSCHLICHEN BEZIEHUNGEN...
Szene aus einer der Verfilmungen des Buches... |
Auf diesen 1809 erschienenen Roman von Johann Wolfgang von Goethe bin ich aufmerksam geworden, nachdem ich im vergangenen Jahr "Vogelweide" von Uwe Timm gelesen habe und bei Besprechungen zu diesem Buch immer wieder auf die Parallelen zu Goethes 'Wahlverwandtschaften' gestoßen wurde.
Dieses Hörbuch in vollständiger Lesung mit Udo Wachtveitl erschien mir das geeignetes Medium, mich diesem Werk anzunähern...
Eduard und Charlotte konnten erst über Umwege und in fortgeschrittenem Alter ein Ehepaar werden, nachdem ihre vorherigen Ehepartner beide verstorben waren. Ihre Ehe beruht inzwischen vor allem auf einer tiefen Freundschaft, weniger auf einer großen Leidenschaft. Nun leben sie gutsituiert in einem Schloss mit großem Anwesen und
verbringen viel Zeit mit der sorgfältigen und durchdachten
Landschaftsgestaltung.
Da kommt es geradezu gelegen, als ein befreundeter Hauptmann beschließt, sie bis zu seiner nächsten Anstellung mit seiner Anwesenheit zu beehren, ist er doch sehr versiert darin, Landschaften zu vermessen.
Die Tage vergehen arbeitsreich und zufriedenstellend, und abends sitzt man stets noch lange gemütlich beisammen, bei geistreichen Gesprächen und dem gemeinsamen Lesen von Büchern.
An solch einem Abend kommt das Gespräch auch auf die 'Wahlverwandtschaften.' Als sie zu dritt beisammen sitzen, schneidet der Hauptmann das Thema Naturwissenschaften an und erläutert, was man in der Chemie als Wahlverwandtschaften bezeichnet. Der Begriff bezieht sich auf zwei
chemische Verbindungen, die sich auflösen, wenn sie zusammengebracht werden und sich dann über Kreuz neu verbinden.
Denken Sie sich ein A, das mit einem B innig verbunden ist, durch viele Mittel und durch manche Gewalt nicht von ihm zu trennen; denken Sie sich ein C, das sich eben so zu einem D verhält; bringen Sie nun die beiden Paare in Berührung: A wird sich zu D, C zu B werfen, ohne dass man sagen kann, wer das andere zuerst verlassen, wer sich mit dem andern zuerst
wieder verbunden habe.
Man muss kein Prophet sein, um vorherzusehen, dass diese Naturgesetze nun auch auf die zwischenmenschlichen Beziehungen Anwendung finden sollen. Denn gleich darauf zieht auch Ottilie ins Schloss, ein Mündel Charlottes, die ihr in allerlei Haushaltsdingen zur Hand gehen soll. Es kommt, wie es kommen muss: Eduard nähert sich Ottilie an, und auch der Hauptmann und Charlotte kommen sich zusehends näher.
Vor allem Eduard ist von der Idee der 'Wahlverwandtschaften' überzeugt und glaubt, sie auf zwischenmenschliche Beziehungen übertragen zu können. Dabei bedenkt er jedoch nicht das enge Korsett der gesellschaftlichen Normen, die zu jener Zeit vorherrschten. Natur vs. Normen, Emotionalität vs. Vernunft - der Stoff, aus dem Tragödien geschrieben werden. Und so mutet das Ende denn auch an wie der Tradition einer griechichschen Tragödie verpflichtet...
Obwohl der Roman nun schon über 200 Jahre alt ist, fand ich ihn faszinierend. Die Geschichte an sich verlief sehr ruhig und war doch voller innerer Dramatik, und was Goethe 'nebenher' an Ausgestaltung anmerkt, bietet ein Füllhorn an Informationen, um sich wahrhaftig ein Bild machen zu können. Obgleich Zeit und Raum der Handlung nicht näher bezeichnet werden, ist die Geschichte natürlich im Rahmen der damaligen Zeit anzusiedeln.
Architektur, Literatur, das damalige Verständnis der Naturwissenschaften, Kirche und Obrigkeit, Stände, Kleiderordnung, Speisen und Tränke, Raumschmuck, Landschaftsgestaltung - alles kommt hier zur Sprache und bietet einen umfassenden Einblick in die gesellschaftlichen Zustände zur Zeit Goethes. Interessant fand ich auch die Anmerkung, dass vieles von dem, was Goethe hier an zwischenmenschlichen Verwirrungen skizzierte, ihm durchaus nicht fremd war.
Udo Wachtveitl liest den vollständigen Roman sehr ruhig und getragen, aber keineswegs langweilig, sondern dem langsamen Lesefluss angemessen.
Für mich ein interessanter Ausflug in vergangene Zeiten - und sicher nicht mein letzter!
© Parden
Johann Wolfgang von Goethe (* 28. August 1749 in Frankfurt am Main; † 22. März 1832 in Weimar), geadelt 1782, gilt als einer der bedeutendsten Repräsentanten deutschsprachiger Dichtung.
Goethes literarische Produktion umfasst Lyrik, Dramen, erzählende Werke (in Vers und Prosa), autobiografische, kunst- und literaturtheoretische sowie naturwissenschaftliche Schriften. Daneben ist sein umfangreicher Briefwechsel von literarischer Bedeutung. Goethe war Vorbereiter und wichtigster Vertreter des Sturm und Drang. Sein Roman Die Leiden des jungen Werthers machte ihn in Europa berühmt. Gemeinsam mit Schiller, Herder und Wieland verkörpert er die Weimarer Klassik. Im Alter wurde er auch im Ausland als Repräsentant des geistigen Deutschlands angesehen. Bis heute zählen Gedichte, Dramen und Romane von ihm zu den Meisterwerken der Weltliteratur. ► Quelle Text und Bild
Imm wenn ich so etwas lese, kommt mir der Gedanke, dass man sich die "Dichterfürsten" nicht allzu sehr vom Leibe halten sollte.
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