Plötzlicher Gesellschaftswandel
Ist dieser Debütroman des Jungautoren Michael Tietz ein Thriller oder nicht? Ein Jahr hat Tietz an diesem Buch geschrieben, schreibt er und bedankt sich bei seiner Lektorin und seinem Verleger dafür, dass sie das dicke Manuskript des Debütanten einer intensiven Prüfung unterzogen und für gut befunden haben.
Er erzählt im Nachwort, auch die Planung und das Schreiben des Romans sei reichlich unorthodox gewesen. Die Figuren verändern sich im Schreiben, aus dem Bösewicht wird eine tragende positive Person mit Schwächen, die Charaktere verändern sich, eine kurzzeitige Nebenfigur bekommt fast schon eine Hauptrolle.
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Um was ging es? An einem 23. Mai gehen alle Lichter aus. Alle. Strom, Handy weg, Flugzeuge fallen vom Himmel (gleichzeitig), die gesamte Infrastruktur bricht zusammen, die Regierung(en) sind sofort handlungsunfähig und nicht nur weil die G8 Staaten in Wladiwostok tagen. Es ist keine Atomexplosion in der Stratosphäre als terroristischer Akt mit ausgelöstem elektromagnetischem Impuls, nein, es ist ein dreigeteilter Computervirus von prüfungsmüden Schuljungen, der 400 Tage später als geplant wirkt und sich in der Zwischenzeit in allen wichtigen Systemen der Welt eingenistet hat. Die Buben spielen auch sofort gar keine Rolle mehr.
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Geht das überhaupt? Kaum, schreibt der Autor, Experten sagen, dass
dies wegen der Vielzahl der Systeme nicht geht und sich eine
Steuereinheit in einem Atomkraftwerk von eurem Windowsrechner so
unterscheidet wie ein VW-Käfer von einem Panzer. (Aber beide brauchen
halt Benzin). Ob Katastrophenpläne so was aufhalten können, hat er alle
möglichen Institutionen gefragt und keine klare Antwort erhalten. Ach du
grüne Neune…
Es ist kein Thriller, es ist auch keine Katastrophengeschichte al la Hollywood, da gibt es nämlich einen alles überstrahlenden Helden. Okay, ein klein wenig erinnert die Story an Emmerichs THE DAY AFTER TOMORROW. Aber der Roman spielt nun mal nicht in Amerika sondern im Süden dieser Republik und die eigentlichen Helden sind die Bewohner eines kleinen Dorfes irgendwo bei Donaueschingen.
Es ist ein Buch über die sozialen Netzwerke und wie sie weg brechen, über das anschließende Chaos, die Plünderungen, Verbrechen, die Hungernot, Morde (ein Idiot sprengt die Bleilochtalsperre um die Wasser der Saale zu „befreien“) aber auch über Zusammenhalt und Hilfe, sei sie auch zuerst nur Zweckbündnis. Aber auch wie sie ziemlich archaisch wieder entstehen. Stammeswirtschaft mit dem Wissen von heute. Großes Wort: Netzwerke, besser das Zusammenleben und Zusammenarbeiten der Menschen mit- und untereinander und der schwierige Weg dorthin. Und über Kinder, Alte und Junge, Versager und Macher, Blender und Verbrecher, Verrückte und Wissenschaftler. Und eine selbstlose Samariterin mit kleiner Tochter…
Zwingend beachten bitte: Wer geneigt ist, hinten schon mal nachzusehen wie es ausgeht, der soll alle Seiten raus reißen und wirklich eine nach der anderen lesen.
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Du willst mehr wissen über Michael Tietz? Der hat eine näckische Internetseite, wo man ein wenig nach Informationen suchen muss.
Schau doch mal hier nach:
► Michael Tietz im Internet
► DNB / Ullstein Verlag / Berlin 2010 / ISBN: 978-3-548-28251-0 / 837 S.
© KaratekaDD
Am 17.02.2010 hatte ich diese Rezension bereits einmal unter buchgesichter.de veröffentlicht.
Das Buch steht schon ewig auf meiner Wunschliste - und ich konnte mich die ganze Zeit auch noch an diese Deine Rezension erinnern. Schön, noch einmal hierauf zu treffen! Irgendirgendirgendwann werde ich dieses Buch sicher auch selbst einmal lesen...
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