TRÄGE WIE EIN FLUSS...
In der Gegenwart gehalten wird sie u.a. von ihrer Enkelin Luzie, die sie täglich besucht. Luzie hat kurz vor dem Abitur die Schule hingeworfen, lebt nun alleine ein einer kleinen Hütte am Elbstrand und will Tätowiererin werden. Auch wenn sie Vertrauen zu ihrer Großmutter hat, macht Luzie bedrückende Themen eher mit sich alleine aus. Sie will sich von niemandem dreinreden lassen, doch unter der Oberfläche brodelt ein stetiger Zorn. Das Angebot ihrer Großmutter, sich von ihr tätowieren zu lassen, nimmt Luzie jedoch an.
Der dritte Charakter ist Arthur, die gute Seele in der Seniorenresidenz. Er fährt die Bewohner überall hin und hat für sie ein offenes Ohr. Gerade Margrit gegenüber, die er täglich zum Römischen Garten fährt, findet er den richtigen Ton. Er respektiert sie, hilft ihr wo nötig, aber auf eine unaufdringliche Weise, die sie nicht auf ihre Hilflosigkeit reduziert. Ich mochte diese Art des Umgangs miteinander sehr, zumal Margrit auch nicht auf den Mund gefallen ist und Arthur gegenüber immer einen lockeren Spruch auf Lager hat. Doch auch Arthur kämpft mit seinen Dämonen, die etwas mit dem Schicksal seines Zwillingsbruders zu tun haben.
"Über dem grauen Fluss liegt flacher Nebel, der unter dem Südostwind wallt und strömt wie Trockeneis."
Die Erzählung zieht sich über zwölf Tage in zwölf Kapiteln, und zu Beginn eines jeden Tages wird eine ruhige Natur-Szene betrachtet und sehr bildhaft beschrieben. Dieser poetische Einstieg in jeden neuen Tag hat mir sehr gut gefallen. Es wird aus den wechselnden Perspektiven der drei Charaktere erzählt, dabei überwiegend dem Gedankenstrom der Personen folgend, gelegentlich unterbrochen von Dialogen. Allgemeine Betrachtungen wie Erinnerungen fließen ineinander.
Ich mochte das Buch über weite Strecken, gerade diesen ruhigen Erzählfluss, die bildhaft-poetischen Naturschilderungen, den Wechsel der Perspektiven, das leise Aufeinanderzubewegen und wie sich die Geheimnisse um die Personen langsam entpuppten. Auch mochte ich den leisen Humor, der immer wieder aufblitzte, sowie die Unaufgeregtheit selbst bei schweren Themen. Aber es plätscherte für mein Empfinden dann doch zunehmend vor sich hin, und die Themenvielfalt war letztendlich für mich auch des Guten zu viel.
Klimakrise, Landschaftsveränderungen, Naturschutz, Botanik, Kunst, Lebenserinnerungen, verschiedenste Traumata und das Weiterleben danach, die Shoa, die Pandemie, Selbstfindung, Demenz, Altsein mit seinen Einschränkungen, Krieg in der Ukraine, Bild der Russen von den Europäern/Deutschen, Sprachen, Freundschaften und Beziehungen, Familie u.v.m. Alles meist nur angerissen, kaum in die Tiefe gehend, sich im murmelnden Erzählstrom verlierend, manches gar recht surreal daherkommend.
Und dazu noch die Biografie der Landschaftsgärtnerin Else Hoffa, die den Römischen Garten an der Elbe dereinst erschaffen hat. In ihrem kurz gehaltenen Nachwort verrät die Autorin, dass sie einen Roman rund um besagte Else Hoffa schreiben wollte, doch fand ich die Abschnitt zu deren Leben und Wirken leider oftmals nicht sehr harmonisch eingefügt und stellenweise auch langatmig. Katharina Hagena nutzt dabei ihre dichterische Freiheit und schafft so einen direkten Bezug zu der 102jährigen Margrit Raven - sie dichtet deren Mutter eine intime Freundschaft zu Else Hoffa an.
Ich habe den Roman nicht ungern gelesen, aber am Ende habe ich leider irgendwie zunehmend den Anschluss verloren.
© Parden
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