Dienstag, 9. Januar 2024

Pieper, Tim: DER MINNESÄNGER - Hartmann von Aue und der Codex Manesse

Es war vermutlich die erste Leserunde, an der ich teilnahm, damals im Mai 2010, im zweiten Jahr der "Buchgesichter". Tim Pieper stellte sich der Leserschaft mit seinem Debütroman DER MINNESÄNGER. Die Rezension vom 11.05.2010 erschien dann gleich nach Einrichtung dieses Blogs als erste. Nun begegnete mir dieser Hartmann von Aue in der Großen Heidelberger Liederhandschrift, dem sogenannten Codex Manesse, die zwischen 1300 und 1340 entstand. Warum? Erika Weigele brachte 10 Jahre nach dieser Rezension ihren Roman DER BUCHMALER VON ZÜRICH heraus. Die digitale Blätterei erinnerte mich zwangsläufig an den Beginn der "Bloggerei".

Erstaunlich, wie viele Namen von Dichtern dieser Codex Manesse aufweist. Wir finden da natürlich den Walter von der Vogelweide, den Wolfram von Eschenbach, Tannhäuser und Heinrich III von Meißen. Ja genau der, den Sabine Ebert in DER SILBERBAUM - Die siebente Tugend porträtiert und dessen dichterische Fähigkeiten sicher noch eine Rolle spielen werden.

Besagter Erika Weigele verdanke ich es nun, diese spezielle (laienhafte) Literaturrecherche beginnen zu können und komme damit auf Hartmann von Aue zurück. Doch hier erstmal die Rezension aus dem Jahre 2013.

* * *


Die "Ur-Rezension":


Tim Pieper legt uns hier einen Roman über einen der bekanntesten und auch bedeutendsten Epiker der mittelhochdeutschen Klassik vor. Hartmann von Aue, dessen Lebensdaten nicht vollständig bekannt sind, lebte um 1200. Von ihm sind Verserzählungen, einige Minnelieder überliefert. Kennen lernte ich ihn aber erst durch Tim Piepers Buch.

Es beginnt mit der Geburt Hartmanns und beschreibt seine Entwicklung zum Dichter. Über die Handlung will ich erst mal nichts weiter berichten, da hier noch eine Leserrunde dazu stattfindet.

Tim, der uns hier bei den Buchgesichtern hilft, Buch, Zeit und Inhalt besser zu verstehen, als Autor hat er selbstverständlich das "meiste" Hintergrundwissen, schrieb einen Roman, der sich wohlwollend mal abhebt von "üblichen" Standards. Gewalt und Grausamkeiten, oft als symptomatisch und detailliert beschrieben, sind zwar ebenfalls vorhanden, Tim beschränkt sich aber auf ein die Handlung forttreibendes Mindestmaß. Ebenfalls überzeugend begeht er ja fast ein "Sakrileg", wenn er die fortdauernde Liebe der Eltern Hartmanns beschreibt, denn wir sind es ja eher "gewöhnt", dass Liebesheiraten im Mittelalter nicht vorkommen. Allerdings, das Gegenteil fehlt natürlich nicht. Der Einstieg in die Handlung, ein Traum der in der Wirklichkeit endet, wird als Stilmittel mehrmals verwendet. Diese Art hat mir sehr gut gefallen, endet das Buch doch tröstend auch auf eine solche Art und Weise.

Das Leben des Ministerialen (unfreier Ritter), der als Dorfschulze ein Dorf als Lehen des Herzogs von Zähringen erhalten hat, wird deutlich. Nichts mit dem Ritter der edlen Geschichten oder dem Gegenteil, dem Raubritter. Die ersten höfischen Ritterromane sind geschrieben und werden an den Höfen bekannt, die in diesen beschriebene Ritterlichkeit wird sich im Denken der zukünftigen Ritter und an den Fürstenhöfen erst nach und nach verbreiten, leider wohl nicht immer im Handeln. Hartmann wird später das Seine zu dieser Verbreitung beitragen.

Kurz, aber sehr interessant sind die wenigen Ausführungen zu den mittelalterlichen Liedern. Daher wird dieser schöne Roman mich wohl dazu bringen, was von Hartmann zu lesen, ich weiß auch schon, welches Buchgesicht den Erec in "einer Ecke" liegen hat. Schöner hätte ich es gefunden, wenn die wenigen Textauszüge anders gesetzt und außerdem mit der mittelhochdeutschen Version gekoppelt gewesen wären. Auch hätten es nach meinem Geschmack mehr sein können. Bestimmte Lieder hätten sich wohl angeboten.

Neben seinem Meisterstück, einem Vortrag auf dem kaiserlichen Reichsfest, welcher ihm einen Preis einträgt, muss Hartmann vorher zeigen, dass er wirklich ein Minnesänger ist. Leider, und dieser Zeitsprung ist wirklich schade, wird der Besuch bei Ida von Bologne, der künftigen Braut seines Herrn, des Herzogs nicht genauer erzählt. Erfolg muss er gehabt haben, das zeigt der Fortgang des Romans.

Manchmal gab Tim dem Leser Nüsse zu knacken, da dieser oder jener Zeitsprung unvermittelt kam. Das zwang zum gelegentlichen zurückblättern. Hatte ich was überlesen? Ich wüsste keine Szene, die hätte gekürzt werden sollen. Aber manche, die eine etwas breitere Darstellung verdient hätte. Dies ist Ansichtssache, einen Abbruch tut das der Geschichte ganz bestimmt nicht. (Ich hätte auch weiter gelesen, wenn der Roman 1000 Seiten lang gewesen wäre).

Der Roman ist spannend, vielseitig und informativ. Gleichzeitig überlädt Tim seine Geschichte nicht mit Fakten. Einzelne, geschichtlich interessante Themen werden gut erklärt, so dass sich öfter ein AHA! - Effekt einstellt.

Tim hat mit seinem Debütroman meinen, und wie es aussieht, auch den Nerv anderer Buchgesichter getroffen. Mach mal so weiter.

KaratekaDD am 21.05.2013

DNB / Heyne Verlag / München 2010 / ISBN: 978-3-453-47099-6 / 477 S. 


* * *

Nein, im "Buchmaler" wird Hartmann von Aue nicht erwähnt. Seine Lieder finden wir aber im genannten Codex Manesse wieder, und der dürfte auf den Ratsmann Rüdiger Manesse d.Ä. zurück gehen. 

Aus dem "Armen Heinrich":

Ein ritter sô gelêret was,
daz er an den buochen las,
swaz er dar an geschriben vant:
der was Hartmann genannt,
dienstman was er zouwe.

Es war einmal ein Ritter, der so gebildet war,
dass er alles, was er in den Büchern geschrieben fand,
lesen konnte.
Er hieß Hartmann
und war Lehnsmann zu Aue. (1)


Hartmann von Aue im Codex Menesse (2) 
Ich ziehe mit Eurer Erlaubnis, ihr Herren und Verwandte.
Leute und Land, die seien gesegnet!
Es tut nicht not, dass jemand nach meinen Wegen fragt,
ich sage gerne die Wahrheit über meine Reise.
Mich nahm die Minne gefangen und ließ mich auf mein Treueversprechen hin ziehen.
Jetzt hat sie mir bei ihrer Liebe befohlen, dass ich ziehe.
Es ist unabwendbar, ich muss unverzüglich dorthin.
Wie ungern bräche ich meine Treue und meinen Eid!

Viele rühmen sich, was sie um der Liebe willen täten.
Wo sind die Taten? Die Worte höre ich gut.
Doch sähe ich gern, wenn sie den ein oder anderen von ihnen bäte,
ihr so zu dienen, wie ich ihr dienen werde.
Geliebt ist, wer sich um der Liebe willen in die Fremde begeben muss.
Nun seht, wie sie mich aus dem Land meiner Muttersprache übers Meer zieht.
Herr Saladin und sein gesamtes Heer dagegen, wenn die noch lebten,
die brächten mich aus Franken keinen Fußbreit fort.

Ihr Minnesänger, ihr müsst oft Misserfolg haben,
was euch schadet, das ist die ungewisse Hoffnung.
Ich will mich rühmen, gut von der Liebe singen zu können,
seit mich die Liebe festhält und ich sie.
Was ich will, seht, das will ebenso gerne mich.
Ihr hingegen müsst mitunter viele Hoffnungen fahrenlassen.
Ihr kämpft um ein Glück, das euch nicht will.
Warum könnt ihr Armen nicht solche Liebe lieben wie ich? (3)


Wir verbinden diese Dichter ja immer mit der sogenannten Minne, dies hier ist eines der Liebesliedes aus dem Codex Manesse. Die längere Beschäftigung lässt vermuten, dass man das Lesen des Niederhochdeutschen lernen kann, hilfreich dabei "die Lyrik des deutschen Mittelalters. Auch bekommen wir hier viel Wissenswertes über den Dichter geboten. Die alten Bücher zu berühren wie Erika Weigele ist uns Interessenten nicht vergönnt und Faksimile sind teuer. So ist es zu begrüßen, dass die Universitäten solche Werke digitalisieren und wissenschaftlich beschrieben bereit stellen, soviel mal wieder zur Recherche über historische Texte und hier vor allem historische Bücher. Es bleibt viel zu stöbern...



© Bücherjunge






2 Kommentare:

  1. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich an den Namen nach all den Jahren erinnert hätte, wäre er mir nochmals untergekommen. Hut ab!

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