Unbekannter Minnesänger
Meine Rezension zu Tim Piepers Roman
DER MINNESÄNGER
(zuerst veröffentlicht unter buchgesichter.de am 11.05.2010)Tim Pieper legt uns hier einen Roman über einen der bekanntesten und auch bedeutendsten Epiker der mittelhochdeutschen Klassik vor. Hartmann von Aue, dessen Lebensdaten nicht vollständig bekannt sind, lebte um 1200. Von ihm sind Verserzählungen, einige Minnelieder überliefert. Kennen lernte ich ihn aber erst durch Tim Piepers Buch.
Es beginnt mit der Geburt Hartmanns und beschreibt seine Entwicklung zum Dichter. Über die Handlung will ich erst mal nichts weiter berichten, da hier noch eine Leserrunde dazu stattfindet.
Tim, der uns hier bei den Buchgesichtern hilft, Buch, Zeit und Inhalt besser zu verstehen, als Autor hat er selbstverständlich das "meiste" Hintergrundwissen, schrieb einen Roman, der sich wohlwollend mal abhebt von "üblichen" Standards. Gewalt und Grausamkeiten, oft als symptomatisch und detailliert beschrieben, sind zwar ebenfalls vorhanden, Tim beschränkt sich aber auf ein die Handlung forttreibendes Mindestmaß. Ebenfalls überzeugend begeht er ja fast ein "Sakrileg", wenn er die fortdauernde Liebe der Eltern Hartmanns beschreibt, denn wir sind es ja eher "gewöhnt", dass Liebesheiraten im Mittelalter nicht vorkommen. Allerdings, das Gegenteil fehlt natürlich nicht. Der Einstieg in die Handlung, ein Traum der in der Wirklichkeit endet, wird als Stilmittel mehrmals verwendet. Diese Art hat mir sehr gut gefallen, endet das Buch doch tröstend auch auf eine solche Art und Weise.
Das Leben des Ministerialen (unfreier Ritter), der als Dorfschulze ein Dorf als Lehen des Herzogs von Zähringen erhalten hat, wird deutlich. Nichts mit dem Ritter der edlen Geschichten oder dem Gegenteil, dem Raubritter. Die ersten höfischen Ritterromane sind geschrieben und werden an den Höfen bekannt, die in diesen beschriebene Ritterlichkeit wird sich im Denken der zukünftigen Ritter und an den Fürstenhöfen erst nach und nach verbreiten, leider wohl nicht immer im Handeln. Hartmann wird später das Seine zu dieser Verbreitung beitragen.
Kurz, aber sehr interessant sind die wenigen Ausführungen zu den mittelalterlichen Liedern. Daher wird dieser schöne Roman mich wohl dazu bringen, was von Hartmann zu lesen, ich weiß auch schon, welches Buchgesicht den Erec in "einer Ecke" liegen hat. Schöner hätte ich es gefunden, wenn die wenigen Textauszüge anders gesetzt und außerdem mit der mittelhochdeutschen Version gekoppelt gewesen wären. Auch hätten es nach meinem Geschmack mehr sein können. Bestimmte Lieder hätten sich wohl angeboten.
Neben seinem Meisterstück, einem Vortrag auf dem kaiserlichen Reichsfest, welcher ihm einen Preis einträgt, muss Hartmann vorher zeigen, dass er wirklich ein Minnesänger ist. Leider, und dieser Zeitsprung ist wirklich schade, wird der Besuch bei Ida von Bologne, der künftigen Braut seines Herrn, des Herzogs nicht genauer erzählt. Erfolg muss er gehabt haben, das zeigt der Fortgang des Romans.
Manchmal gab Tim dem Leser Nüsse zu knacken, da dieser oder jener Zeitsprung unvermittelt kam. Das zwang zum gelegentlichen zurückblättern. Hatte ich was überlesen? Ich wüsste keine Szene, die hätte gekürzt werden sollen. Aber manche, die eine etwas breitere Darstellung verdient hätte. Dies ist Ansichtssache, einen Abbruch tut das der Geschichte ganz bestimmt nicht. (Ich hätte auch weiter gelesen, wenn der Roman 1000 Seiten lang gewesen wäre).
Der Roman ist spannend, vielseitig und informativ. Gleichzeitig überlädt Tim seine Geschichte nicht mit Fakten. Einzelne, geschichtlich interessante Themen werden gut erklärt, so dass sich öfter ein AHA! - Effekt einstellt.
Tim hat mit seinem Debütroman meinen, und wie es aussieht, auch den Nerv anderer Buchgesichter getroffen. Mach mal so weiter.
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