Gar Nix oder eine Geschichte über Nichts
von TinSoldier
(zuerst veröffentlicht auf Buchgesichter.de)
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Geschichten zu erzählen, ist mitunter ein hartes Brot. Die Konkurrenz ist groß und das Publikum wählerisch. Glaubt mir, ich weiß, wovon ich spreche! Nun gebe ich es nicht gerne zu, aber im Moment befinde ich mich in einer beruflichen Krise. Geschichten gehen derzeit nicht gut. Auch fällt mir seit geraumer Zeit einfach nichts Rechtes mehr ein, was ich den Menschen erzählen, womit ich sie unterhalten könnte.
Apropos Unterhaltung: Die meisten Menschen lassen sich heutzutage ja leider eh nicht mehr unterhalten, sondern „berieseln“: Mit „Fastfood-Unterhaltung“ unterschiedlichster Art auf möglichst geringem geistigen Niveau.
„Hochleistungs – Chillen“, neudeutsch für Intensiv-Faulenzen, liegt voll im Trend und Jugendliche, die freiwillig ein Buch gelesen haben, sind hoffnungslos in der Minderheit.
„Warum?“, dachte ich, „warum mache ich dann nicht aus meiner Not eine Tugend? Wenn Inhalt nicht mehr gefragt ist, wenn Leere die Hohlräume und
„nichts“ das Vakuum in den Köpfen ausfüllt, dann gib den Leuten, was sie wünschen. Gib ihnen „nichts“. Sie werden Dich dafür feiern!“.
Panem et circenses: Brot und Spiele ist unser Motto.
Panem et circenses: Brot und Spiele ist unser Motto.
So lasset uns beginnen, die Bühne ist bereitet und der Vorhang gleitet auf.
Doch dies zur Warnung: Euch erwartet eine Geschichte über nichts; nicht mehr und nicht weniger.
Ich möchte also nicht den Versuch machen, euch etwas zu erzählen; oder, halt, nein: besser gesagt, möchte ich den Versuch unternehmen, euch nichts zu erzählen. Eine Nichts-Geschichte, also eine Geschichte über nichts, eine Geschichte ohne Inhalt: Eine Anti-Geschichte sozusagen. Wie man das macht, weiß ich allerdings auch noch nicht. Hier haben wir also einen der Fälle, wo der Autor von der Geschichte genauso überrascht werden wird wie der Leser. Und das ist doch bemerkenswert, oder?
Und das ist auch nichts weniger als mutig, denn welcher Geschichtenerzähler hätte schon jemals über „nichts“ erzählt? Wer hätte je zuvor „nichts“ zum Thema gemacht und doch Zuhörer gefunden? Wohl niemand.
Wem also „nichts“ zu wenig ist, wem seine Zeit zu schade ist, sich mit nichts zu befassen, der mag sich getrost die Lektüre dieser Geschichte ersparen. Wer aber, wie ich, einmal schlichtweg in „nichts“ schwelgen möchte, wem also
Doch dies zur Warnung: Euch erwartet eine Geschichte über nichts; nicht mehr und nicht weniger.
Ich möchte also nicht den Versuch machen, euch etwas zu erzählen; oder, halt, nein: besser gesagt, möchte ich den Versuch unternehmen, euch nichts zu erzählen. Eine Nichts-Geschichte, also eine Geschichte über nichts, eine Geschichte ohne Inhalt: Eine Anti-Geschichte sozusagen. Wie man das macht, weiß ich allerdings auch noch nicht. Hier haben wir also einen der Fälle, wo der Autor von der Geschichte genauso überrascht werden wird wie der Leser. Und das ist doch bemerkenswert, oder?
Und das ist auch nichts weniger als mutig, denn welcher Geschichtenerzähler hätte schon jemals über „nichts“ erzählt? Wer hätte je zuvor „nichts“ zum Thema gemacht und doch Zuhörer gefunden? Wohl niemand.
Wem also „nichts“ zu wenig ist, wem seine Zeit zu schade ist, sich mit nichts zu befassen, der mag sich getrost die Lektüre dieser Geschichte ersparen. Wer aber, wie ich, einmal schlichtweg in „nichts“ schwelgen möchte, wem also
„nichts“ nicht zu langweilig ist, um selbst davon noch seine Fantasie ins Nichts befördern zu lassen, der möge mir folgen auf den verschlungenen Pfaden dieser Geschichte, die keine ist, weil sie über nichts erzählt und gerade deswegen viel offenbart ….
Nun denn, so will ich, Gar Nix, der erste sein, der frei heraus bekennt, dass er gar nichts zu erzählen hat und damit Seiten füllt!
Du, lieber Leser, findest das auch mutig?
Mut hin, mutig her, es liegt ja im Trend der Zeit, im sogenannten Mainstream sozusagen, denn gerade Menschen, die nichts, aber auch gar nichts zu sagen haben, deren Botschaft weniger als nichts, also gar nichts enthält, sind doch oft die gefeierten Stars von heute!
Andererseits muss man anerkennen, dass man schon ein gewisses Maß an Talent benötigt, um nichts mit Gewinn verkaufen zu können.
Sagte ich Talent? Na ja, nennen wir es mal Antitalent:
Du bist das genaue Gegenteil von einem Könner? Du kannst wirklich nichts, das aber so konsequent, dass dein Antitalent einen Unterhaltungswert besitzt, um den dich jeder Könner beneiden wird?
Ich rate dir:
Melde dich bei einer Casting-Show, und du kannst zum Star all derjenigen werden, die gleich dir auch nichts können, und weil du einer von ihnen bist, gelingt dir das unfassbare, das scheinbar Unmögliche: Du wirst ein Star! Ein Nichts auf dem Treppchen, ein „Über – Nichts“ sozusagen.
Wir stellen also fest, dass sich mit Schei… pardon, mit „Nichts“ Geld verdienen und Ruhm ernten lässt. Damit setzen wir die Naturgesetze außer Kraft! Du glaubst mir nicht? Dann zapp dich mal durch´ s Dschungelcamp, mach ´nen Abstecher in den Big-Brother-Container oder kauf dir einfach ´ne CD von Daniel Kübelböck!
Jeder Physiker beneidet uns um diesen Erfolg. Um Ähnliches zu leisten, müsste er nämlich einen Raumschiffantrieb erfinden, der Antimaterie als Treibstoff benutzt, und damit, meine Damen und Herren, damit würde er zweifellos den Nobelpreis, pardon, den Antinobelpreis gewinnen, der uns bereits jetzt zusteht!
Um ehrlich zu sein: Unser Physiker ist eine Null gegen uns und wäre schon mehr als glücklich, wenn er wenigstens die Antimaterie entdecken würde!
Wir haben das Kunststück vollbracht, uns mit unserer Mittelmäßigkeit noch unter das Mittelmaß zu begeben! Das macht uns einzigartig. Wir sind überdurchschnittlich unterdurchschnittlich, ungewöhnlich gewöhnlich, wir toppen die Masse glatt nach unten!
Damit wären wir bereits bei der ersten wichtigen Frage, die sich einem Autor, der über nichts erzählen möchte, über kurz oder lang zwangsläufig stellt:
Dürfen in unserer Geschichte Personen vorkommen? Und dürfen diese Personen etwas tun, oder sind sie in einer Geschichte über „Nichts“ zum „Nichtstun“ verurteilt?
Ich beantworte beide Fragen mit einem eindeutigen ja.
Leider hat dieses hochinteressante philosophische Thema in der Wissenschaft bisher nicht ausreichend Beachtung gefunden, d.h. bisher hat sich offenbar kein Philosoph mit „nichts“ befasst, oder, wenn es der eine oder andere doch tat, dann wohl höchstens in seiner Freizeit. Auf jeden Fall aber hat er es vermutlich aus falscher Scham nicht weiter erzählt, geschweige denn niedergeschrieben.
Das Dilemma mit dem Nichts ist ja, dass viele von uns nichts zu sagen haben und genau das wortreich zu verber-gen suchen!
Dabei wäre es doch weise, manchmal einfach nichts zu sagen: Man würde länger für klug gehalten!
Wir sind heute geradezu vom Nichts umgeben, ja, wir baden sprichwörtlich täglich darin; selbst in den Schulen lernen unsere Kinder offenbar heutzutage nichts: Pisa lässt grüßen. Nichts ist in, sozusagen. Politiker reden viel, aber sagen nichts. Aber wofür denn auch lernen: Auch wer nichts kann, und dies öffentlich vorführt, steigert noch die Quote:
„Kommich jetz in Fernsehn??“
Jau!
An dieser Stelle muss ich kurz innehalten und eine Lanze brechen.
Für die Null.
Betrachten wir die Null. Die Null ist ja nichts anderes als die mathematische Ausprägung von nichts! Erfunden haben´s übrigens die Araber, nicht die Schweizer. Was aber wären wir ohne die Null? Sie glauben das nicht? Doch, sie werden es glauben, spätestens wenn auf ihrem nächsten Kontoauszug z u w e n i g Nullen hinter der ersten Stelle ihres Guthabens auftauchen!
So war die Einführung der Null eine der größten Leistungen der Menschheit, mindestens so großartig wie die Erfindung des Rades: Ohne die Null kein Computer, keine Mondlandung, keine Satelliten, kein Internet, kein Handy; aber auch kein DSDS, kein Dschungelcamp und auch kein Big Brother! Die Null ist genial aber kritiklos: Sie ermöglicht das Nützliche genauso wie den Schwachsinn!
Vielleicht sollten wir unsere Redensarten überdenken? Denk mal darüber nach, wenn du das nächste Mal mit Geringschätzung über jemanden behauptest: „Der Kerl ist eine Null!“
Vielleicht tust du der Null gerade unrecht!
Der Satz „Nichts hat nur negative Seiten“ muss also aus zwei Blickwinkeln betrachtet werden. Er stimmt und stimmt gleichzeitig nicht!
Wow: Das ist literarische Quantenphysik, eine Art Heisenbergsche Unschärferelation für Literaten. Der Dualismus des Quarks (nein, wir reden hier nicht über das Molkereiprodukt!): Gleichzeitig Teilchen und Welle, Ort und Bewegungsrichtung niemals gleichzeitig bestimmbar.
In unserem Fall gilt: „ Nichts“ hat eben nicht nur negative Seiten! Aber eben auch! Und so sind sie verwandt: das Nichts und unser Quark, oder um es dualistisch zu sagen: Nichts ist Quark! Damit haben wir die philosophische Weltformel gefunden, der Anti-Nobelpreis ist uns sicher!
Vom Quark zum Urknall ist es nur ein kleiner Schritt. So stürzen wir uns also gemeinsam kopfüber in ein großes schwarzes Loch, lassen uns von der Gravitation, weil sie an unserem Kopf millionenfach größer ist als an unseren Füßen, zu kilometerlangen intelligenten Bandnudeln auseinanderziehen, während wir annähernd mit Lichtge-schwindigkeit auf das schwarze Loch zustürzen und schließlich den Ereignishorizont, jenen „point of no return“ passieren, hinter dem sich jedes schwarze Loch vor neugierigen Blicken von außen versteckt, weil die Lichtstrahlen von der gigantischen Gravitation gebogen werden: Nichts dringt nach außen!
Was uns dahinter erwartet? Nichts natürlich! Pures Nichts! Die Materie in einem schwarzen Loch, und auch die kilometerlangen intelligenten Bandnudeln, die wir ja zwischenzeitlich sind, werden von der mörderischen Schwerkraft so lange komprimiert und zusammengepresst, bis wir….verschwinden! Plop. Voila, hier entsteht das Nichts (und nicht im Big-Brother-Container, wie du vielleicht gedacht hast)!
Irgendwann aber ist alle Materie im Universum in Nichts verwandelt, und dann fressen sich die schwarzen Löcher eben gegenseitig. Bis dann, eines fernen Tages, das letzte schwarze Loch das vorletzte schwarze Loch gefressen hat. Ups… das war dann wohl ein bisschen zu viel. Das schwarze Loch bekommt Bauchgrimmen, irgendeine kritische Masse im Inneren wurde erreicht und unser gewaltiges letztes schwarzes Loch, das Urloch sozusagen, muss furchtbar fett rülpsen, und dann platzt irgendein Knoten in seinem Inneren und das ganze vollgefressene schwarze Loch, das in sich ein ganzes Universum zu Nichts verarbeitet hat, macht etwas Unerwartetes: Es explodiert mit einem gewaltigen Knall. Da es ein Urloch war, natürlich mit einem Urknall, und die ganze in Nichts verwandelte Materie wird wieder ins All geblasen. Damit stehen wir gleichzeitig am Ende und am Anfang von Raum und Zeit:
Am Anfang und am Ende war also das Nichts: So könnte der Anfang unserer Geschichte lauten. Denn an diesem sind wir jetzt endlich angekommen. Was jetzt folgt, dauert lange. Verdammt lange. Also machen wir einen kleinen Zeitsprung. Sagen wir, ein paar Milliarden Jahre:
Ein paar affenähnliche Wesen mit rudimentärer Intelligenz sitzen auf einem Planeten namens Erde in einem Dschungelcamp und mobben sich gegenseitig.
In einem Container sitzen halbintelligente Wesen zusammengesperrt und quatschen den ganzen Tag Blödsinn, während sie sich von draußen belauschen lassen. Manchmal kopulieren sie auch öffentlich miteinander. Ein junges männliches Exemplar lässt sich gesundheitsbewusst ausführlich über die Konsistenz seiner Exkremente aus. Ein anderer hält Shakespeare für einen Rockmusiker oder irgendetwas in der Art. Und zu alledem singt Daniel Kü-belböck, ohne je einen Ton richtig zu treffen.
Würde man sich da nicht wünschen, das schwarze Urloch hätte vor ein paar Milliarden Jahren nicht rülpsen müssen?
Wie auch immer, unsere Geschichte vom Nichts neigt sich nun dem Ende zu, jedoch nicht, ohne noch eine zweite Lanze zu brechen.
Ich, Gar Nix, breche eine Lanze für all die Menschen, die tapfer und unermüdlich tolle Bücher lesen und miteinander darüber sprechen. Sie lassen mich hoffen, dass Phantasie, Bildung und Wissensdurst stets Sieger bleiben über die dumpfe Blödheit des Nichts.
Und schließlich kann Nichts auch positive Seiten haben:
Wie sehr genieße ich es, wenn du, meine anbetungswürdige Schöne, mein Auge mit deinem erotischen Körper erfreust, der sich meinen Blicken nur durch den Hauch von einem Nichts verhüllt präsentiert.
Wenn ich daran denke, schließe ich die Augen und antworte auf Deine Frage: „woran denkst du gerade?“ mit einem süffisanten Lächeln und dem Satz: „An nichts mein Schatz, an nichts!“
Nun denn, so will ich, Gar Nix, der erste sein, der frei heraus bekennt, dass er gar nichts zu erzählen hat und damit Seiten füllt!
Du, lieber Leser, findest das auch mutig?
Mut hin, mutig her, es liegt ja im Trend der Zeit, im sogenannten Mainstream sozusagen, denn gerade Menschen, die nichts, aber auch gar nichts zu sagen haben, deren Botschaft weniger als nichts, also gar nichts enthält, sind doch oft die gefeierten Stars von heute!
Andererseits muss man anerkennen, dass man schon ein gewisses Maß an Talent benötigt, um nichts mit Gewinn verkaufen zu können.
Sagte ich Talent? Na ja, nennen wir es mal Antitalent:
Du bist das genaue Gegenteil von einem Könner? Du kannst wirklich nichts, das aber so konsequent, dass dein Antitalent einen Unterhaltungswert besitzt, um den dich jeder Könner beneiden wird?
Ich rate dir:
Melde dich bei einer Casting-Show, und du kannst zum Star all derjenigen werden, die gleich dir auch nichts können, und weil du einer von ihnen bist, gelingt dir das unfassbare, das scheinbar Unmögliche: Du wirst ein Star! Ein Nichts auf dem Treppchen, ein „Über – Nichts“ sozusagen.
Wir stellen also fest, dass sich mit Schei… pardon, mit „Nichts“ Geld verdienen und Ruhm ernten lässt. Damit setzen wir die Naturgesetze außer Kraft! Du glaubst mir nicht? Dann zapp dich mal durch´ s Dschungelcamp, mach ´nen Abstecher in den Big-Brother-Container oder kauf dir einfach ´ne CD von Daniel Kübelböck!
Jeder Physiker beneidet uns um diesen Erfolg. Um Ähnliches zu leisten, müsste er nämlich einen Raumschiffantrieb erfinden, der Antimaterie als Treibstoff benutzt, und damit, meine Damen und Herren, damit würde er zweifellos den Nobelpreis, pardon, den Antinobelpreis gewinnen, der uns bereits jetzt zusteht!
Um ehrlich zu sein: Unser Physiker ist eine Null gegen uns und wäre schon mehr als glücklich, wenn er wenigstens die Antimaterie entdecken würde!
Wir haben das Kunststück vollbracht, uns mit unserer Mittelmäßigkeit noch unter das Mittelmaß zu begeben! Das macht uns einzigartig. Wir sind überdurchschnittlich unterdurchschnittlich, ungewöhnlich gewöhnlich, wir toppen die Masse glatt nach unten!
Damit wären wir bereits bei der ersten wichtigen Frage, die sich einem Autor, der über nichts erzählen möchte, über kurz oder lang zwangsläufig stellt:
Dürfen in unserer Geschichte Personen vorkommen? Und dürfen diese Personen etwas tun, oder sind sie in einer Geschichte über „Nichts“ zum „Nichtstun“ verurteilt?
Ich beantworte beide Fragen mit einem eindeutigen ja.
Leider hat dieses hochinteressante philosophische Thema in der Wissenschaft bisher nicht ausreichend Beachtung gefunden, d.h. bisher hat sich offenbar kein Philosoph mit „nichts“ befasst, oder, wenn es der eine oder andere doch tat, dann wohl höchstens in seiner Freizeit. Auf jeden Fall aber hat er es vermutlich aus falscher Scham nicht weiter erzählt, geschweige denn niedergeschrieben.
Das Dilemma mit dem Nichts ist ja, dass viele von uns nichts zu sagen haben und genau das wortreich zu verber-gen suchen!
Dabei wäre es doch weise, manchmal einfach nichts zu sagen: Man würde länger für klug gehalten!
Wir sind heute geradezu vom Nichts umgeben, ja, wir baden sprichwörtlich täglich darin; selbst in den Schulen lernen unsere Kinder offenbar heutzutage nichts: Pisa lässt grüßen. Nichts ist in, sozusagen. Politiker reden viel, aber sagen nichts. Aber wofür denn auch lernen: Auch wer nichts kann, und dies öffentlich vorführt, steigert noch die Quote:
„Kommich jetz in Fernsehn??“
Jau!
An dieser Stelle muss ich kurz innehalten und eine Lanze brechen.
Für die Null.
Betrachten wir die Null. Die Null ist ja nichts anderes als die mathematische Ausprägung von nichts! Erfunden haben´s übrigens die Araber, nicht die Schweizer. Was aber wären wir ohne die Null? Sie glauben das nicht? Doch, sie werden es glauben, spätestens wenn auf ihrem nächsten Kontoauszug z u w e n i g Nullen hinter der ersten Stelle ihres Guthabens auftauchen!
So war die Einführung der Null eine der größten Leistungen der Menschheit, mindestens so großartig wie die Erfindung des Rades: Ohne die Null kein Computer, keine Mondlandung, keine Satelliten, kein Internet, kein Handy; aber auch kein DSDS, kein Dschungelcamp und auch kein Big Brother! Die Null ist genial aber kritiklos: Sie ermöglicht das Nützliche genauso wie den Schwachsinn!
Vielleicht sollten wir unsere Redensarten überdenken? Denk mal darüber nach, wenn du das nächste Mal mit Geringschätzung über jemanden behauptest: „Der Kerl ist eine Null!“
Vielleicht tust du der Null gerade unrecht!
Der Satz „Nichts hat nur negative Seiten“ muss also aus zwei Blickwinkeln betrachtet werden. Er stimmt und stimmt gleichzeitig nicht!
Wow: Das ist literarische Quantenphysik, eine Art Heisenbergsche Unschärferelation für Literaten. Der Dualismus des Quarks (nein, wir reden hier nicht über das Molkereiprodukt!): Gleichzeitig Teilchen und Welle, Ort und Bewegungsrichtung niemals gleichzeitig bestimmbar.
In unserem Fall gilt: „ Nichts“ hat eben nicht nur negative Seiten! Aber eben auch! Und so sind sie verwandt: das Nichts und unser Quark, oder um es dualistisch zu sagen: Nichts ist Quark! Damit haben wir die philosophische Weltformel gefunden, der Anti-Nobelpreis ist uns sicher!
Vom Quark zum Urknall ist es nur ein kleiner Schritt. So stürzen wir uns also gemeinsam kopfüber in ein großes schwarzes Loch, lassen uns von der Gravitation, weil sie an unserem Kopf millionenfach größer ist als an unseren Füßen, zu kilometerlangen intelligenten Bandnudeln auseinanderziehen, während wir annähernd mit Lichtge-schwindigkeit auf das schwarze Loch zustürzen und schließlich den Ereignishorizont, jenen „point of no return“ passieren, hinter dem sich jedes schwarze Loch vor neugierigen Blicken von außen versteckt, weil die Lichtstrahlen von der gigantischen Gravitation gebogen werden: Nichts dringt nach außen!
Was uns dahinter erwartet? Nichts natürlich! Pures Nichts! Die Materie in einem schwarzen Loch, und auch die kilometerlangen intelligenten Bandnudeln, die wir ja zwischenzeitlich sind, werden von der mörderischen Schwerkraft so lange komprimiert und zusammengepresst, bis wir….verschwinden! Plop. Voila, hier entsteht das Nichts (und nicht im Big-Brother-Container, wie du vielleicht gedacht hast)!
Irgendwann aber ist alle Materie im Universum in Nichts verwandelt, und dann fressen sich die schwarzen Löcher eben gegenseitig. Bis dann, eines fernen Tages, das letzte schwarze Loch das vorletzte schwarze Loch gefressen hat. Ups… das war dann wohl ein bisschen zu viel. Das schwarze Loch bekommt Bauchgrimmen, irgendeine kritische Masse im Inneren wurde erreicht und unser gewaltiges letztes schwarzes Loch, das Urloch sozusagen, muss furchtbar fett rülpsen, und dann platzt irgendein Knoten in seinem Inneren und das ganze vollgefressene schwarze Loch, das in sich ein ganzes Universum zu Nichts verarbeitet hat, macht etwas Unerwartetes: Es explodiert mit einem gewaltigen Knall. Da es ein Urloch war, natürlich mit einem Urknall, und die ganze in Nichts verwandelte Materie wird wieder ins All geblasen. Damit stehen wir gleichzeitig am Ende und am Anfang von Raum und Zeit:
Am Anfang und am Ende war also das Nichts: So könnte der Anfang unserer Geschichte lauten. Denn an diesem sind wir jetzt endlich angekommen. Was jetzt folgt, dauert lange. Verdammt lange. Also machen wir einen kleinen Zeitsprung. Sagen wir, ein paar Milliarden Jahre:
Ein paar affenähnliche Wesen mit rudimentärer Intelligenz sitzen auf einem Planeten namens Erde in einem Dschungelcamp und mobben sich gegenseitig.
In einem Container sitzen halbintelligente Wesen zusammengesperrt und quatschen den ganzen Tag Blödsinn, während sie sich von draußen belauschen lassen. Manchmal kopulieren sie auch öffentlich miteinander. Ein junges männliches Exemplar lässt sich gesundheitsbewusst ausführlich über die Konsistenz seiner Exkremente aus. Ein anderer hält Shakespeare für einen Rockmusiker oder irgendetwas in der Art. Und zu alledem singt Daniel Kü-belböck, ohne je einen Ton richtig zu treffen.
Würde man sich da nicht wünschen, das schwarze Urloch hätte vor ein paar Milliarden Jahren nicht rülpsen müssen?
Wie auch immer, unsere Geschichte vom Nichts neigt sich nun dem Ende zu, jedoch nicht, ohne noch eine zweite Lanze zu brechen.
Ich, Gar Nix, breche eine Lanze für all die Menschen, die tapfer und unermüdlich tolle Bücher lesen und miteinander darüber sprechen. Sie lassen mich hoffen, dass Phantasie, Bildung und Wissensdurst stets Sieger bleiben über die dumpfe Blödheit des Nichts.
Und schließlich kann Nichts auch positive Seiten haben:
Wie sehr genieße ich es, wenn du, meine anbetungswürdige Schöne, mein Auge mit deinem erotischen Körper erfreust, der sich meinen Blicken nur durch den Hauch von einem Nichts verhüllt präsentiert.
Wenn ich daran denke, schließe ich die Augen und antworte auf Deine Frage: „woran denkst du gerade?“ mit einem süffisanten Lächeln und dem Satz: „An nichts mein Schatz, an nichts!“
© TinSoldier (29.05.2013)
Schön... :) Witzig, wohin einen Gedankenspiele so führen können.
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