- Gebundene Ausgabe : 112 Seiten
- ISBN-10 : 3311210018
-
ISBN-13
:
978-3311210016
- Herausgeber : Kampa Verlag; 1. Auflage (4. Oktober 2018)
- Sprache: Deutsch
- Originaltitel: Lettre à ma mère
- Übersetzung: Melanie Walz
DER VERSUCH, SICH JEMANDEM ZU NÄHERN, DER ZEITLEBENS NICHT ERKANNT WERDEN WOLLTE...
Lüttich, Belgien, 1910 |
"Meine liebe Mama, es ist nun etwa dreieinhalb Jahre her, dass Du einundneunzigjährig gestorben bist, und vielleicht lerne ich Dich erst jetzt allmählich kennen. Ich habe meine Kindheit und meine Jugend im selben Haus wie Du verbracht, mit Dir, und als ich Dich verließ, um nach Paris zu gehen, im Alter von etwa neunzehn Jahren, warst Du für mich noch immer eine Fremde."
Was haben sich Mutter und Sohn zu sagen gehabt? Offenbar nicht viel, nur Oberflächliches, eine gespielte Liebe, wie Simenon es hier offenbart. Zeitlebens hat der Sohn seiner Mutter nicht genügt, viel Verletzendes ist wie im Nebensatz gefallen, die Mutter lebte ihr Leben ganz nach eigener Fasson. Dieser Brief ist der Versuch, im Nachhinein die Person der Mutter zu erfassen, sie, die zeitlebens nicht erkannt werden wollte.
Überspannt ist wohl der Ausdruck, der einem einfällt, wenn man über die Mutter und ihre Eskapaden liest. Es liegt in der Familie, eine Schwester der Mutter wurde in die Psychiatrie eingeliefert, eine andere erlag dem Alkohol. Simenon meint hierzu: "Du warst, wie Dein Vater, wie die meisten Deiner Geschwister, mit einem gewissen Hang zur Schwermut auf die Welt gekommen, heute würde man es als neurotisch bezeichnen."
Trotz aller Offenheit und auch der Schilderung heftiger Szenen scheint der Brief tatsächlich eher eine Annäherung an die Mutter zu sein denn eine Abrechnung. Es scheint um ein Verstehenwollen zu gehen. Weshalb sich Simenon letztlich entschieden hat, diesen Brief zu veröffentlichen, sei einmal dahingestellt. Vielleicht sah er sich in der Nachfolge des berühmten Franz Kafka mit seinem "Brief an den Vater"?
"Denn dieses Lächeln, in das sich auch Melancholie und Resignation mischten, kenne ich seit meiner Kindheit. Du hast das Leben ertragen. Gelebt hast du es nicht."
In jedem Fall scheint mir dieser Brief eine legitime Möglichkeit Simenons, mit der Vergangenheit abzuschließen und sich mit ihr zu versöhnen. Für den Leser bietet das Werk einen interessanten Einblick hinter die Fassade des smarten Vielschreibers und seinen Hang zu meist unverbindlichen Affären - abgesehen von seinen drei Ehen.
Wer sich für solche Hintergründe des Vaters der Kommissar Maigret Krimis interessiert, dem sei das schmale Büchlein empfohlen.
© Parden
Ein paar berühmte Namen mehr schaden dem Blog ganz sicher nicht 😉
AntwortenLöschen