Freitag, 15. Januar 2016

Böttcher über Tschirnhaus & Böttger


Abb 1


Zwei in einer Rezension. Denn so wurden sie mir vorgestellt. Vom Autoren persönlich, auf der SCHRIFTGUT in Dresden. Hans-Joachim Böttcher schreibt über "spezielle historische Themen des mitteldeutschen Raumes". [1] Angetan haben es ihm dem 1947 geborenen Denkmalpfleger und Heimatforscher die Sachsen. Im Dresdner Buchverlag fand er wohl seine Heimat und genau an dessen Stand lernte ich ihn bereits 2014 auf der Dresdner Schriftgut kennen.




Damals hatte ich schon "zu viele"Bücher im Sack, aber letztes Jahr war noch ein wenig Platz übrig. Während der Messe im November 2015 konnten wir plaudern über Sachsen, Dresden und eben über die beiden hier nun vorzustellenden Bücher.







Abb 2
Böttcher hat schon über Christiane Eberhardine geschrieben und über Anna, Prinzessin von Sachsen, diesmal aber sind gleich zwei andere dran. Da wäre zum erstenmal der "Namensvetter" Johann Friedrich Böttger, und der mit diesem untrennbar verbundene Ehrenfried Walther von Tschirnhaus. Tritt man dem Mann im Anzug gegenüber wird man gefangen in einer Welt sächsischer und Dresdner Geschichte und in diese will ich unsere Leser nun kurz entführen.








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Abb 3
Nicht weit von Dresden entfernt liegt Meißen. Das tausendjährige Meißen wurde von ersten deutschen König, Heinrich gegründet. Berühmt wurde es aber weniger durch diesen und auch nicht durch dessen Markgrafen Otto dem Reichen, der durch das Freiberger Silber so reich wurde, Meißen wurde berühmt durch das "Porcelaine", welches als echt sächsisches Produkt von BEIDEN Herren förmlich neu erfunden wurde. Warum betone ich das?  Man frage einen Dresdner oder einen Meißner wer das Meißner Porzellan erfunden hat, es dürfte vermutlich nur ein Name genannt werden: Johann Friedrich Böttcher, der Apothekerssohn aus dem Nachbarlande. Wer dagegen noch den Herrn von Tschirnhaus nennt, beweist schon mal profunde Kenntnisse sächsischer Geschichte. [2].


Abb 4
Ehrenfried Walter von Tschirnhaus (1651 bis 1708) war ein Universalgenie. Er forschte auf dem Gebiet der Mathematik, Mineralogie, er war Physiker, Vulkanologe, Philosoph und nicht zu letzt Techniker. Damals versuchte man Metalle mit Brennspiegeln zu schmelzen, Brennspiegel waren lange Jahre sein Forschungsgebiet. Später dann konstruierte er ganze Linsenapparate. Tschirnhaus, der seine Besitzungen in der Lausitz hatte, gab viel Geld für seine Forschungen aus und war deshalb immer knapp bei Kasse. Später dann setzte er viel Kraft für die notwendigen Brennöfen ein, die zum Porzellanbrennen notwendig waren. Er wurde erstes deutsches / sächsisches Mitglied der französischen Akademie der Wissenschaften, den Plan, eine solche sächsische Wissenschaftsakademie aufzubauen konnte er leider nicht verwirklichen. Hans-Joachim Böttcher setzt diesem Wissenschaftler ein beeindruckendes Denkmal. "Eines Tages" stößt Tschirnhaus auf einen Adepten, einen "Goldmacher", den Böttger.



Abb 5
Dieser  Johann Friedrich Böttcher allerdings war ein genialer Scharlatan. Apothekerssohn, der dem Kurfürsten von Preußen weismachen wollte, er könne das "Goldarcanum" herstellen. Ein Alchemist halt, aber mit sehr viel Talent zum experimentieren. Bei den Preußen wäre er früher oder später wahrscheinlich am Galgen geendet, aber wie die Fürsten so sind, auch der sächsische Kurfürst und damalige König von Polen war scharf auf Gold und so lieferte er den geflohenen jungen Mann nicht aus: er lies ihn gefangen nehmen und hoffte auf Gold. Was kam heraus? Letztlich Porzellan. Diese Vase ist "Böttger Porzellan", die Verzierungen, hier die Weinranken sind charakteristisch für diese Erzeugnisse. Wie es endlich zu dieser Herstellung kam, beschreibt der Autor in beiden Büchern.



Abb 6
Das wäre ohne die vorhergehenden Forschungen des Walther von Tschirnhaus wohl nicht entstanden. Im Wikipedia-Artikel zu Tschirnhaus steht, dass es strittig ist, wer von beiden das Porzellan erfunden hat. Hans-Joachim Böttcher scheint aber recht zu haben, wenn er dies beiden zuschreibt. Tschirnhaus stirbt bereits mit 57 Jahren, Böttger überlebt ihn nur um 11 Jahre und stirbt selber im siebenunddreißigsten Lebensjahr, krank und verbracht von giftigen Dämpfen, Alkohol und Tabak - aber in Freiheit. Wäre beiden ein paar Jahre mehr vergönnt gewesen, was hätte daraus werden können - wenn auch kein Gold, wie der Starke August immer hoffte, der hier als Schachfigur aus dem sogenannten Böttcher-Steinzeug, das ist rotes Porzellan gefertigt wurde. So hat der Autor der beiden Bücher vor allem eines erreicht: Er bringt beide wieder zusammen. Über Jahrhunderte wurde nur der Böttger als Erfinder das Meißner Porzellans genannt, sein Lehrer in vielen Dingen und von ihm auch geehrt, geriet ein wenig in Vergessenheit. Der Untertitel der Biografie heißt deswegen ja auch: "Das bewunderte, bekämpfte und totgeschwiegene Genie". [3]


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Abb 7
Im Jahr  1949 drehte die DEFA den Film DIE BLAUEN SCHWERTER. Da wenigstens kommt Herr von Tschirnhaus schon mal drin vor. Der steht natürlich in der Kritik, man wirft ihm eine bestimmte gesellschaftlich-historische Sicht vor. Aber ich kann mich erinnern, dass der Böttger, gespielt von Hans Quest, in seiner Hektik, Rastlosigkeit und Verzweiflung, in seiner Maßlosigkeit ganz hervorragend dargestellt wurde. Willy A. Kleinau als August der Starke war ebenfalls ein starke Figur.
Die Szenen am Brennofen entstanden vor meinem Augen wieder bei der Lektüre der beiden hier vorgestellten Biografien.







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Abb 8
Die Empfehlung, beide Bücher zu erwerben und zu lesen, war auf jedenfalls Gold wert. Oder Porzellan?  Ja, da schreibt ein Historiker, der allerdings sicher sehr viel recherchieren musste. Aber er schreibt durchaus kurzweilig und zitiert auch viel aus alten Dokumenten. Auch dies ist sehr interessant, Schreibweise und vor allem aus dem Lateinischem und Französischem abgeleitete Fremdwörter zu lesen, deren Erklärung in Fußnoten gelegentlich auch notwendig war.

Hans-Joachim Böttcher gab bei unserem Zusammentreffen durchaus kund, dass es bisher wohl kein Werk gäbe, welches auf diese Weise beiden Erfindern gerecht wird. Außerdem fand er es beschämend, dass die Meißner Manufaktur zum 300. Todestag von Tschirnhaus keine Biografie in Auftrag gab. Nun, vielleicht schafft sie dies in drei Jahren, dann jährt sich Böttgers Tod ebenfalls zum 300. Mal.

Ich geh ganz stark davon aus, dass die anderen Biografien von denen weiter oben die Rede war, ebenfalls noch den Weg in mein Dresden-Bücherregal finden werden.


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  • Ehrenfried Walther von Tschirnhaus - Das bewunderte, bekämpfte und totgeschwiegene Genie / Biografie / Dresdner Buchverlag / Dresden 2014 / ISBN: 978-3-941757-42-4 / 148 S. / DNB
  • Böttger - Vom Gold- zum Porzellanmacher / Biografie / Dresdner Buchverlag / Dresden 2011 / ISBN: 978-3-941757-31-8 / 220 Seiten / DNB
  • Neu veröffentlicht unter Litterae-Artesque-Dresda am 08.05.2023


© Bücherjunge (09.05.2023)

PS: Das Meißner Porzellan spielt auch in dieser Geschichte hier eine Rolle.



Bilder & Quellen

Abb 1: Buchcover von buchverlag-dresden.de; Schwerterbild aus Gemeinfrei; Dieses Bild enthält einen Inhalt, der Thema von Markenrechten sein könnte; File:Meissen-Porcelain-Sign-2.JPG; Hochgeladen: 5. März 2010; https://de.wikipedia.org/wiki/Mei%C3%9Fner_Porzellan#/media/File:Meissen-Porcelain-Sign-2.JPG; 15.01.2016, 19:00 Uhr

Abb 2: Bücher von H.-J. Böttcher, Coverbilder von buchverlag-dresden.de
Abb 3: Seltener Blick auf Meißens Burgberg, wo sich längere Zeit die Meißner Porzellanmanufaktur befand (von einem Schlauchboot auf der Elbe aufgenommen - eigenes Foto)
Abb 4:  CC BY-SA 3.0 File:Von Tschirnhaus - Sphärischer Brennspiegel.JPG; Erstellt: 5. Oktober 2013, https://de.wikipedia.org/wiki/Ehrenfried_Walther_von_Tschirnhaus#/media/File:Von_Tschirnhaus_-_Sph%C3%A4rischer_Brennspiegel.JPG ; 15.01.2016, 18:00 Uhr 
15.01.2016, 18:00 Uhr 

Abb 6:  CC0 File:Statuette Augusts des Starken aus Böttgersteinzeug.jpg Erstellt: 29. August 2012; https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Friedrich_B%C3%B6ttger#/media/File:Statuette_Augusts_des_Starken_aus_B%C3%B6ttgersteinzeug.jpg ; 15.01.2016, 18:00 Uhr 
Abb 8: Eigenes Foto auf der Schriftgut - Buchmesse


[2] Wer im Zusammenhang mit Böttger auf den Begriff "Goldfasan des Königs" kommt, hat "Der Goldene Reiter und sein Verhängnis" gelesen, von Arnold Findeisen. Zugeben will ich hier in der Fußnote aber, dass mir zwar der Tschirnhaus bekannt war, den Zusammenhang mit Böttger erklärte mir erst Hans-Ulrich Böttcher. 
[3] Böttcher, H.-U.: Ehrenfried Walther von Tschirnhaus, Dresdner Buchverlag, Dresden 2014

2 Kommentare:

  1. Wieder einmal ein schöner Beitrag hier. Der Post wirkt ein wenig wie ein Museumsbesuch durch die Bilder - aber eben zum Thema äußerst passend... :)

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    1. Man kann die Porzellanmanufaktur ja auch besuchen. Un im Dresdner Zwinger steht auch jede Menge von dem Zeug. ;)

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