Donnerstag, 3. Oktober 2013

Sprachliches




Nee, nee ich gann gor geen Laddein. Ich schbreche nur säggsch.
Wenn ich jemanden zuhören muss, der über die schöne sächsische Sprache lästert, fallen mir nur zwei Ausrufe ein:










 Mir Saggsn wir schbrechn den ► dhüringsch - obersäggsischn Dialeggd. Das steht so bei wikipedia. Ebenfalls bei wikipedia steht, und DAS HABEN GEFÄLLIGST ALLE NICHTSACHSEN ZUR KENNTNIS ZU NEHMEN, ein eigener (!) Artikel zur ► Sächsischen Kanzleisprache, welche die Voraussetzung für das Standarddeutsch ist, welches Martin Luther für seine Bibelübersetzung von 1522 benutzte.[1] So da habt ihrs. Immer wenn der Pastor am Sonntag von der Kanzel aus der Bibel berichtet, dann spricht er sächsisch. Nur hat das außer in Sachsen noch keiner bemerkt. Darum muss das doch mal gesagt werden.
 Gekennzeichnet ist das Thüringisch-Obersächsische zur eine Konsonantenschwächung. Auf deutsch heißt das, wir machen aus einem "hardn D ein babsches D". Glor?
Ansonsten behaupten die Sprachwissenschaftler wir würden "meißenisch" sprechen. 

"Der Dialekt, eigentlich Obersächsisch und Osterländisch, findet gelegentlich Anwendung im Kabarett sowie bei Comedians. Es wird eingesetzt, um die nicht wenigen kulturell-mentalen, meist politisch-historisch bedingten Differenzen zwischen dem ehemaligen Preußen (im Sinne von Berlin und Brandenburg) und Kursachsen (mit den kulturellen Zentren Dresden, Leipzig und Chemnitz) oder zwischen dem Osten und dem Westen Deutschlands sketchhaft zu skizzieren. Nicht selten sind die Sprecher jedoch keine gebürtigen Sachsen und imitieren das Meißenische oder Osterländische in unterschiedlicher Qualität, dadurch wird ein falsches Bild dieses Sprachgebietes auf der Bühne und in den Medien gezeigt. Dabei galt das Thüringisch-Obersächsische – insbesondere das Anhaltische, Nordthüringische und Eichsfeldische – in den vergangenen Jahrhunderten lange Zeit als vorbildlich für die hochdeutsche Aussprache." (wikipedia)

IST DENN DAS DER GIPFEL? Wir werden ständig verarscht. Jeder macht uns nach. Dabei haben wir tolle Dichter hervorgebracht. Die ► Lene Voigt zum Beispiel. die hat sich mit folgenden Worten gegen den Vorwurf des Kulturbolschewismus gewehrt:

Lene Voigt (1891 - 1962)
"Ne Mundart lässt sich nich verbieten,

weil blutsgebunden bis ins Mark,

dr Volksmund selwer weeß zu hieten
sei Vätererbe drei un stark.
Ich mußte neie Mundartlieder
Landsleiten uff e Zettel schreim,
denn meine Schwestern,
meine Brieder
wolln fest mit mir verbunden bleim."
Lene Voigt[2]








Gedenktafel am Akademixerkeller Leipzig
Noch een Gedicht:
Wo de Bleiße bläddscherd durchs Gelände
und der Gnoblauch duftet ohne Ende,
dort bei Leibzich in den sumbfchen Aun
schbugn nächtlich sächsche Wasserfraun.

Wo de wilden Schrudel gorcheln, wärbeln,
sieht bei Mondschein mr de Nixen schärbeln.
Manche wedeln midn lilan Schleier,
daß mr schbierd, hier isses nich geheier.
...
Darum wenner wolld, daß eire Ehe
bis zur goldchen Hochzeit hibsch beschdehe.
Un daß niemals eier Gligg zerreiße -
dann gehd ja nich nächtlich an de Bleiße.[3]

Heute finden wir bei SZ-Online, dass das beliebteste Wort 2013 das Wort "Hitsche" ist. (Fußbank). Das schönste Wort ist "Forhohnebibeln". Das macht er nur über sich. Wenn andre ihn verarschen, dann wird er itzsch (zornig).

"Zum Lieblingswort ist in diesem Jahr die Hitsche gewählt worden. Die Begründung: Die Hitsche ist eine Fußbank für den täglichen Gebrauch im Haushalt. Mit der Hitsche kann sich der Sachse selbst erhöhen, um die Oberlichter von Fenstern zu reinigen, hoch gelegene Regalbretter zu erreichen oder von Schränken Koffer zu zerren. Für Kinder bietet die Fußbank beste Aufstiegsmöglichkeiten und die Chance, sich über das Waschbecken zu beugen oder endlich mal im Spiegel zu betrachten. Auch bei Fußballspielen im Stadion haben vorzugsweise kleinere Männer Hitschen dabei, um mit ihrer Hilfe über die Köpfe der Vordermänner schauen zu können. Aber die Bank dient nicht nur dazu, sich darauf zu stellen, sie bietet zudem einen hervorragenden Sitzplatz. Immer in der ersten Reihe. Die Sächsin oder der Sachse hockt sich auf die Hitsche, um Beeren abzubäbeln, Schuhe zu putzen oder die Füße in eine Schüssel mit waren Wasser zu stecken. Gesprochen wird je nach Region Hitsche, Hitsch, Hitschl, Hutsche oder Hütsche. Das Wort kommt ursprünglich vom Hocken oder vom Rutschen. Denn die Fußbank wurde und wird ja ständig hin und her geschoben. Eine alte Hitsche kann aber auch ein klappriges Auto oder ein uralter Kinderwagen sein. Und eine Käsehitsche ist ein aus schmalen Stahlrohren gebauter Schlitten mit Holzsitz. Mit dem kann man wunderbar rutschen. 

 Forhohnebibeln lässt sich der Sachse nicht, das macht er schon alleene. Denn er lacht nicht über die anderen, er lacht über sich. Jeder Sachse lacht sich selbst am nächsten. Nur wenn andere über ihn lachen, wenn sie ihn veralbern, wenn sie ihn forgageiern wollen, dann wird er itzsch, also zornig. Forhohnebibeln oder auch verhohnepipeln oder verhohnipeln heißt jemanden verschmähen, verfluchen, verachten, verspotten, veralbern, veräppeln, verhöhnen. Das Verb kommt vom Hohn und ist ein Witz, den der Sachse stets auf sich bezieht. So wird er schnell zum Lachopfer, weil er sich selbst opfert. Er macht sich lächerlich, um mit vorgetäuschter Schwäche durchzukommen. Sein Humor ist sein Überlebensmittel. Schlitzohrig, doppelbödig, defensiv und fatalistisch. Es geht um ironische Selbstschau. Schon immer. Der Sachse hat Witz und ist ein Witz und forhohnebiebln hilft ihm."[4]

Ich finde das alles "bomforzionös".[5]
Eines der bekanntesten Säk´schen Balladen ist die Lorelei. Es gibt auch noch die Säk´schen Glassigger. Da werden die GROSSEN forhohnebibeld. Auch durch ► Lene.


De Säk´sche Lorelei 
Ich weeß nich, mir isses so gomisch 
Un ärchendwas macht mich verschtimmt. 
Sís meechlich, das is anadomisch, 
Wie das ähmd beim Mänschen oft gimmt. 
 
De Älwe, die bläddschert so friedlich, 
Ä Fischgahn gommt aus dr Tschechei. 
Drin sitzt ´ne Familche gemiedlich, 
Nu sinse schon an dr Bastei. 
 
Un ohm uffn Bärche, nu gugge, 
Da gämmt sich ä Freilein ihrn Zobb. 
Se schtriecheltn glatt hibbsch mit Schbugge, 
Dann schtäcktsn als Gauz uffn Gobb. 
 
Dr Vader da unten im Gahne 
Glotzt nuff bei das Weib gans entzickt. 
De Mudder meent draurich: „Ich ahne, 
Die macht unsern Babbah verrickt."
 
Nu fängt die da ohm uffn Fälsen 
Zu sing ooch noch an ä Gubbleh. 
Dr Vader im Gahn dud sich wälsen 
Vor Lachen un jodelt: „Juchheh!"
 
„Bis schtille", schreit ängstlich Ottilche.
Schon gibbelt gans forchtbar dr Gahn, 
Un blätzlich versinkt de Familche... 
Nee, Freilein, was hamse gedan!"



Nun werden sich alle fragen, was hat der denn nun mit Latein? Na nischt. Naja nicht ganz. Okay, ich wiederhole mich: Ich kann kein Latein. Der Umberto Eco ist schuld. Von dem las ich, vermutlich im Jahr 1989 den Roman DER NAME DER ROSE. Und der war mit Latein nur so gespickt. Da waren tolle Sachen drunter. Am besten gefiel mir der Spruch:

"Habeat librarius et registrum omnium liborum oedinatum secundum facultates et autores, reponatque eos separatim et ordinate cum signatoris per scripturam applikatis."

(Der Bibliothekar habe ein Verzeichnis aller Bücher, geordnet nach Themen und Autoren, und er bewahre sie einzeln auf und wohlgeordnet mit schriftlich aufgebrachten Signatoren.)


Oder für Brille: Oculi de vitro cum capsula : Augen aus Glas mit Einfassung. Da fällt einem doch gleich das nichtlateinische Wort REPARO! ein, für den Fall, dass die Brille mal kaputt gegangen ist. Obwohl es diese Sprache 1989 noch gar nicht gab. Außerdem geht noch vitrei ab oculos ad legendum für Augengläser zum lesen.

Sogar Erotisches gab es:

Pulchra enim sunt ubera quae paulum supereminent et tument modice, nec fluitantia licenter, sed leniter restricta, repressa non depressa.
(Denn schön sind die Brüste, die ein wenig hervorstehen und maßvoll schwellen, nicht zügellos (über)fließend, sondern sanft zurückgebunden, zurückgedrängt, aber nicht eingedrückt.)

Da kann man wirklich nur sagen: Superimenent!

Noch eines?

O sidus clarum puellarum, o porta clausa, fons hortorum, cella custos unguentorum, cella pigmentaria!

(Oh reiner Stern der Mädchen, oh verschlossene Pforte, Quelle der Gärten, versiegelter Born wohlriechender Salben, duftende Zelle!"

Wen stört es da, das es Mönche sind die solches sprechen. Sie sind ja auch der Auffassung dass jedes Lebewesen nach dem Koitus traurig wäre: Omne animal triste post coitum! Naja, trist ist das ja meist doch nicht.

Jedenfalls fand ich mal ein Buch welches Latein für Angeber heißt. Da ich es gelegentlich mit Schülern zu tun habe, welche viel Recht lernen müssen, gibt’s auch mal was lateinisches. Nicht von mir aber von den Rechtslehrern. Jeder kennt doch wohl das Pacta sunt servanda, nachdem Verträge gefälligst eingehalten werden müssen. Oder dass In dubio pro reo gilt. Immer alles zu Gunsten des Angeklagten. Zumindest im Zweifelsfalle. Einmal hab ich auch eine Geschichte geschrieben in der es um den Philosophen Descartes ging. Die hänge ich unten dran.
 Jedenfalls suchte ich das Buch Latein für Angeber und meinte, wenn es einer der Schüler finden würde, soll er es in meine Richtung schmeißen. Das haben sie anlässlich meines Geburtstages getan mit der Bitte, den Inhalt nicht allzu oft im Unterricht zu verwenden. Das hab ich getan. Und nun hat mich die ► Sächsische Zeitung mit ihrerm Artikel über DIE WAHL DES WORTES zu diesem text hier animiert. Wohl bekomms…

Post scriptum: Ich finde, dass es durchaus ein Casus belli ist, wenn mich einer wegen meiner Mundart beleidigt. Allerdings werde ich wohl nicht auf die ultima ratio zurück greifen. Schließlich bedeutet KaratekaDD Die lehre Hand aus Dresden. Und die reicht!


[1] Das das sächsische oder Meißner Kanzleideutsch nicht mit der sächsischen Sprache verwechselt werden soll, steht da dummerweise auch.
[2] http://www.mdr.de/damals/archiv/8161888.html
[3] http://www.leipzig-lese.de/index.php?article_id=164
[4] http://www.sz-online.de/sachsen/hitsche-ist-das-beliebteste-saechsische-wort-2676859.html
[5] Schau doch selber mal den Link zur SZ-online.

1 Kommentar:

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