Tekumseh, Keonuk, Black Hawk: Indianerbildnisse in Zeiten von Verträgen und Vertreibung
Das Indianische Museum des Ferdinand Pettrich (1798 - 1872)
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In der Woche, in welcher die Völkerschlacht bei Leipzig Tag für Tag durch die Medien tobt, bin ich den Hinweisen eines gewissen Hamburger Bloggers namens Jay gefolgt. Dieser hatte im Monat September auf eine Ausstellung mit seinem Post ► Tecumseh in Dresden hingewiesen. Es hat mich dieser Tage doch mal wieder nach Dresden verschlagen und so dachte ich, geh doch mal ins Albertinum. Eigentlich habe ich mit Kunst uns vor allem Skulpturen nicht sehr viel am Hut, kurz, ich verstehe auch nichts davon. Aber wer hier in diesem unseren Blog schon mal in meinen Posts (wollte sagen Beiträge oder auch Artikel) gestöbert hat, der weiß, momentan ist KaratekaDD auf dem Indianertripp. Dieser führt, obwohl eine Autorin namens ► Liselotte Welskopf-Henrich hierbei die Hauptsache spielt, zu Recherchen, welche immer mehr in die Tiefe gehen. Nein, nein, insgesamt soll hier kein Blog der ► Americans Native herauskommen. Das Thema wird allerdings noch eine Weile reichen, weil ja noch mindestens 10 Bücher auf dem längerfristigen Rezensionsplan stehen. Aber ich verzettele mich und komme daher auf die ► Staatlichen Kunstsammlungen Dresdens zurück.
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"Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen Skulpturen des Dresdner Künstlers Ferdinand Pettrich (1798-1872), die er selbst in ihrer Gesamtheit als „indianisches Museum“ bezeichnete. Er fertigte hierzu als einer der ersten europäischen Bildhauer, Porträts von Oberhäuptern nordamerikanischer Stämme an, darunter Tecumseh, Keokuk und Black Hawk. Pettrich lernte bei seinem Vater, Franz Pettrich, an der Kunstakademie Dresden sowie bei dem Bildhauer Bertel Thorvaldsen in Rom und ging 1835 für acht Jahre nach Washington in die USA. Dort wurden zu diesem Zeitpunkt Verträge zwischen den indigenen Stämmen und der US-Regierung zur künftigen Landnutzung ausgehandelt. Während die junge amerikanische Nation eine weitere ländliche Ausdehnung anstrebte, kämpften die Ureinwohner um ihr physisches und kulturelles Überleben. In diesem Kontext schuf der Künstler seine Porträts: vier Flachreliefs, vier lebensgroße Statuen, 16 Büsten und neun Bozzetti aus terrakottafarben bemaltem Gips. Nach seiner Rückkehr nach Europa im Jahre 1858 übergab er diese zentrale Werkgruppe Papst Pius IX. als Geschenk." [1]
Nun ist das Indianische Museum in Dresden ausgestellt. Zu den staatlichen Kunstsammlungen Dresden gehören auch völkerkundliche Museen und Institutionen. Dazu zählen das ► Museum für Völkerkunde Dresden, das ►Völkerkundemuseum Herrnhut und das ► Grassi Museum für Völkerkunde zu Leipzig. Von diesem Zusammenschluss vor einigen Jahren erwartete man "weitrechende organisatorische und vor allem inhaltliche Synergieeffekte bei Ausstellungen, Forschungsprojekten und in allen Belangen der Museumsarbeit.“[2] Da liegt es doch nahe, eine Kunstsammlung vor allem ethnografischer Art als Sonderausstellung zu initiieren. Pettrichs Indianisches Museum wurde ja nach der Missionsausstellung Pabst Pius XI. gezeigt und danach als ethnografisches Dokument in das neu gegründete ► Missionarisch-Ethnologische Museum im ► Musei Vaticani eingefügt.[3] Daraus kann man schließen, dass Pettrichs Werke eher im ethnologischen Sinne denn als Kunstwerke wahrgenommen wurden. (► Indianer aus dem Vatikan)
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Der Westen der USA wurde zusehends ab 1820 erschlossen und dann besiedelt. Zudem kamen immer größere Scharen an Einwanderern in den USA an. Zusehends wurden die mehr östlich lebenden Indianerstämme in den 1830iger Jahren in Richtung Westen umgesiedelt bzw. vertrieben. Das ist die Zeit der Indianerhäuptlinge Black Hawk und Keonuk. Es kam zu Verhandlungen, die auch in der Hauptstadt geführt wurden. Delegationsmitglieder der Indianer wurden gemalt. (► Charles Bird King). Bezeichnenderweise wurde dessen INDIAN GALLERY im Kriegsministerium ausgestellt. Ab 1837 folgte dann der hier im Blog schon mehrfach erwähnte ► George CATLIN, welcher über 450 Gemälde und Zeichnungen ausstellte. Diese zeigten Porträts, Alltags- und Ritualszenen. Vermutlich in diesem Jahr nahm Pettrich auch die ersten Arbeiten seines Indianischen Museums in Angriff, welche er während seines Aufenthaltes in Brasilien fertig stellte. Im Jahre 1867 stellte Ferdinand Pettrich diese Sammlung in London aus.[4]
Indianergallerien gab es auch später immer wieder. Vor allem die Bilder nunmehr bekannter Maler ( und die hinzukommende Fotografie wurden in immer größeren Umfang ausgestellt. Bereits im Jahre 1869 wurde über 300 Photographic Portraits of North American Indians in the Gallery of the Smithsonian Institution ausgestellt.[5] ► Maximilian Prinz zu Wied brachte bereits 1834 „eine der heute wertvollsten ethnografischen Sammlungen“ nach Deutschland. Begleitet wurde dabei von dem bereits erwähnten Maler ► Karl Bodmer.[6]
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G. Catlin: Black Hawk (Quelle) |
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Beschaut sich der Besucher die Skulpturen dann kommt schon ein wenig Verwunderung auf. Einerseits werden Kleidung und Schmuck sehr detailreich dargestellt.[8] Gürteltuch, Leggins, Mokasins, Kopfschmuck die Felldecken als Umhänge erscheinen durchaus indianisch. Die Gesichter der Häuptlinge und Krieger sind tragen ernsthafte und stolze, entschlossene Züge, sie sind sich ihrer Kraft und ihrer Wirkung bewusst. Die wenigen Gesichter der Indianerfrauen sind aber viel weniger zu unterscheiden. Sie sind immer namenlos und unterscheiden sich auf den ersten Blick nur durch den Schmuck bzw. sichtbare Kleidung. Die Haartracht ist immer gleich, deutlich zu sehen an den Zöpfen. Das mag daran liegen, dass Frauen in den Delegationen der Stämme kaum eine Rolle spielten.[9]
Was in unseren Augen aber weniger indianisch scheint, das ist die Haltung, die dargestellte Körpersprache der Indianer. Was bei den sogenannten ► Bozzetto , welche einen Entwurf, ein Modell darstellen, noch nicht auffällt, sondern vor allem bei den lebens- und überlebensgroßen Skulpturen. Zudem kommt hinzu, dass alle irgendwie "griechisch - römisch" aussehen, zumindest fiel mir das als Kunstlaie immerhin auf.
Das liegt am ► Klassizismus. Diese kunstgeschichtliche Epoche umfasst den Zeitraum von 1770 und 1840. Damit ist klar, dass Künstler wie Pettrich von dieser beeinflusst sind. Vorbild für Pettrich war der Begründer dieser Epoche ► Johann Joachim Winckelmann. Pettrich widmete diesem eine Büste. Bezeichnend sind Winckelmanns Gedanken:
„Der einzige Weg für uns, groß, ja, wenn es möglich ist, unnachahmlich zu werden, ist die Nachahmung der Alten.“
„Das allgemeine vorzügliche Kennzeichen der griechischen Meisterstücke ist endlich eine edle Einfalt, und eine stille Größe, sowohl in der Stellung als im Ausdrucke. So wie die Tiefe des Meers allezeit ruhig bleibt, die Oberfläche mag noch so wüten, ebenso zeiget der Ausdruck in den Figuren der Griechen bei allen Leidenschaften eine große und gesetzte Seele.“ [10]
Pettrich, der wie schon erwähnt in Dresden und Rom studierte, war ein Bildhauer seiner Zeit und als solcher stellte er die porträtierten Indianer in klassizistischer Art dar. Daher kommt der der griechisch Tradition entsprechende Körperbau mit wohl ausgestalteten Gliedmaßen und Muskelaufbau und auch die Proportionen von Gliedmaßen und Rumpf. Der Gedanke, dass es sich auch um anthropologische Rassenstudien handeln könnte war durchaus vorhanden, man verglich die Skulpturen sogar mit Abbildern der "kaukasischen Rasse" und den Phöniziern. Nun ja… [11]
Die Indianer, und insbesondere die Plainsindianer (Prärieindianer) waren eher schlanke Gestalten, welche zwar hervorragend durch Jagd und Kampf trainiert gewesen sind, welche aber auch im Winter oftmals schon fast hungern mussten. Erst die Jagd auf die Bisonherden im Frühjahr brachte ihnen wieder Nahrung, Kleidung, Waffen und Zelte. Die Darstellung im griechischem Stil zeigt vermutlich eine gewisse Hochachtung den Ureinwohnern gegenüber. Die bereits mehrfach erwähnten Indianergalerien "sprechen… von einer von den Dargestellten ausgehenden Faszinationskraft, von der Bewunderung für und Auseinandersetzung mit indigenem Leben und individuellen Persönlichkeiten, die z.T. mit großer Würde bildlich festgehalten wurden."[12] Ferdinand Pettrich nutzt genau dafür eben den klassizistischen Stil, er macht die dargestellten Indianer im winckelmannschen Sinne "groß", "unnachahmlich", er gibt ihnen eine "edle Einfalt, eine stille Größe".
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Beispielhaft seien noch zwei Skulpturen erwähnt: "Junge Indianerin aus dem Stamme der Sauk-Foxes" und "Vierzehnjähriger Indianer, als Jäger dargestellt, im Begriff , an den Ufern eines Flusses Enten zu schießen".[17] Die sitzende Indianerin erinnert sicher wieder viele Betrachter an bereits gesehene antike Plastiken. Elegant und weiblich wurden auch die Plastiken des Altertums auch nackt dargestellt. Ich wage doch mal zu bezweifeln, dass die die Delegationen der Stämme begleitenden Indianerinnen barbusig in Washington auftraten. für den jungen Indianer gilt ähnliches. Mit vierzehn wurden die Jungen zu Männern und mussten schon fast vollumfänglich jagen können. Auch an der gefährlichen Bisonjagd nahmen sie ab diesem Alter teil. Daher sind die runden Wangen des Jungen vor allem ein Hinweis auf eben die Jugendlichkeit. Ich finde, dass auch dessen Körperbau antiken Vorbildern entlehnt wurde.
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Zum Indianischen Museum gehören vier Flachreliefs. Gegenstand sind die Bisonjagd, Verhandlungen mit Ministern der US-Regierung, ein Kriegstanz und eine Schlacht zwischen verfeindeten Stämmen. Auffällig ist die Lebendigkeit der Szenen. Aber es fällt auch auf, dass die indianischen Verhandlungspartner auf den Stühlen rumlümmeln wie, ja wie, Bundestagsabgeordnete in einer langweiligen Debatte? Die Bisons, in der Bewegung durchaus lebendig, ähneln eher Stieren in einer spanischen Arena. Wahrscheinlich kannte Pettrich die wuchtigen Tiere nicht aus der Prärie. Es ging dem Künstler also eher nicht um die absolut genaue, eine fotografische Abbildung, wie wir heute sagen würden.
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Der Katalog schließt mit einer Betrachtung über den "Kampf der Kulturen? 'Edle Wilde' in Deutschland und Amerika". Hier reflektiert der Autor ► Frank Usbeck über die Sicht auf die Indianer im Laufe von Jahrhunderten. Zum Beispiel stellt er da, dass die Humanisten des 15. Jahrhunderts die Kampf der Germanen gegen die Römer für den "Widerstand gegen koloniale Unterdrückung heranzogen".[18] Was den ►Humanisten um und anderen die Germanen waren, das sind für spätere Generationen die Indianer Nordamerikas. Diese "Germanentümelei" und die deutsche "Selbstinzenierung als Indianer Europas", welche durch entsprechende Vergleiche wohl auch von Goethe und Herder genährt wurde , führte einerseits zu großem Interesse gegenüber den indigenen Völkern, andererseits wurde diese auch Mittel für Nationalisten bis zum Nationalsozialismus. Ferdinand Pettrich hat zu dem Indianerbild seiner Zeit mit seinen Werken beigetragen. Es liegt mir fern zu behaupten, dass er damit auch etwas für erwähn tes nationalistisches Gedankengut getan hätte.
"Auf der Suche nach Ursprünglichkeit, Freiheit und Gemeinschaft haben sich deutsche Protagonisten verschiedener ideologischer, kultureller und sozialer Strömungen seit dem 18. Jahrhundert bis heute immer wieder auf 'den Indianer' berufen und ihn und sein vermeintliches Schicksal entweder als Vorbild oder als abschreckendes Beispiel präsentiert. Letztendlich repräsentierten sie aber in diesen Bildern nicht die indigenen Amerikaner, sondern sich selbst, und damit die eigenen Ängste und Sehnsüchte."[19]
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Ich war lange nicht in einer solchen Kunstausstellung. Die Interpretation von bildhauerischen Werken insbesondere der Neuzeit fällt mir schwer und gehört auch nicht zu meinen unbedingten Interessensgebieten. Froh bin ich aber, in diese Ausstellung gegangen zu sein. Sie zeigt doch auf eine spezifische Art und Weise wie die American Native vor 150 Jahren und mehr gesehen wurden. Sie zeigt ebenso, dass sie nicht immer und nicht von jedem als barbarische Wilde und als skalpierende Rothäute gesehen wurden, auch wenn das ► Skalpieren auf einigen Bildnissen (Schlachtrelief) thematisiert wurde. Es gab immer auch Menschen, oftmals Künstler, die sich ernsthaft für die immer weiter in den Westen und dann in die Reservationen getriebenen Indianerstämme interessierten. Seien es Maler wie Catlin und Bodmer, Schriftsteller wie James Fenimore Cooper oder eben auch Bildhauer wie Ferdinand Pettrich. Es bleibt den heutigen Rezipienten überlassen, wie sie dieses Erbe in ihre Sicht auf die Geschichte und die Lage nicht nur der Indianer, sondern aller Ureinwohner in den Gegenden dieser Erde aufnehmen.
Danke lieber Jay für Ihren Beitrag in Ihrem immer interessanten Blog.
Katalog bei DNB
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[1] Staatl. Kunstsammlungen Dresden (SKSD): Begleitheft zur Ausstellung Tecumseh…
[2] SKSD: Katalog zur Ausstellung Tecumseh …, Vorwort des Gerneraldirektors, H. Fischer, Dresden 2013, S. 8
[3] Siehe SKSD: Begleitheft, Seite 11
[4] Siehe Ebenda, Seite 19
[5] In den Folgen 5 und 6 der US-amerikanischen Miniserie UNTO THE WEST wird der Einsatz der Fotografie, das Festhalten der Kultur und auch der Verbrechen an den indianischen Stämmen gezeigt.
[6] Siehe SKSD: Begleitheft, Seite 17
[7] http://www.gutenberg.org/files/7097/7097-h/7097-h.htm, 18.10.2013, 18:20 Uhr
[8] andere Künstler sind im Detail noch genauer: vgl. SKSD: Begleitheft, Seite 19
[9] SKSD: Katalog, Seite 154 ff
[10] vgl. Johann Joachim Winckelmann: Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerey und Bildhauerkunst. 2. vermehrte Auflage. Waltherische Handlung, Dresden und Leipzig 1756, S. 2; hier: http://www.wikipedia.org/wiki/Klassizismus 21.10.2013, 15:35 Uhr
[11] vgl. SKSD: Katalog, Seite 20
[12] siehe SKSD: Begleitheft, Seite 19
[13] die Verwendung von Terracotta könnte eine Referenz an die braune Hautfarbe der Dargestellten sein; vgl. SKSD: Katalog, Seite 18
[14] siehe Ebenda, Seite 38, die Skulptur ist eine von zweien, die in Marmor ausgeführt wurde
[15] in der Annahme Tecumseh wäre britischer General gewesen. vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Tecumseh 21.10.2013, 16:45
[16] vgl. SKSD: Katalog, Seite 38
[17] vgl. Ebenda; Seite 39 ff
[18] vgl. Ebenda, Seite 181 ff
[19] vgl. Ebenda, Seite 183
Ich hab mich nicht getraut, Bilder aus dem Katalog abzufotografieren. Man findet aber im Netz auch nicht viel. Fotografieren ist im Albertinum verboten. Aber sonst würden sich die Kataloge wohl nicht verkaufen.
AntwortenLöschenDas Dresden Bild zeigt die Kunstakademie vom turm der Frauenkirche aus. Das Albertinum ist rechts daneben und gar nicht zu sehen. Da das Bild mir aber gefällt, werde ich das jetzt nicht ändern.
AntwortenLöschenSpeziell bei der Marmorfigur des sterbenden Tecumseh meint man ja wirklich eine griechische Figur vor sich zu sehen.
AntwortenLöschenEin interessanter Exkurs, wie ich finde - wieder einmal mit vielen Hintergrundinformationen. Bozzetti (Bozzetto) musste ich erst einmal googeln, den Begriff kannte ich noch nicht...
Gab es eine Führung durch die Ausstellung? Gerade wenn ich mich mit einer Thematik nicht besonders gut auskenne, finde ich solche Führungen immer hilfreich...
Sicher gab es auch eine Führung. Aber ich konnte nicht warten.
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