Ausgestoßen oder aus der Prärie in den Zirkus der weißen Männer
Meine Rezension zum 2. Band der sechsbändigen Ausgabe vonDIE SÖHNE DER GROSSEN BÄRIN ► Erstausgabe
► Liselotte Welskopf-Henrich
► Band 1: Harka - Der Sohn des Häuptlings
Band 2: Der Weg in die Verbannung
► Band 3: Die Höhle in den schwarzen Bergen
► Band 4: Heimkehr zu den Dakota
► Band 5: Der junge Häuptling
► Band 6: Über den Missouri
Der ►Eulenspiegelverlag hat die sechs Bände wohlwollend als Rezensionsexemplare zur Verfügung gestellt. Links ist das Cover der schönen Hardcoverausgabe zu sehen. Schön ist auch, dass auf dem Buchdeckel der Gesamttitel genannt wird, denn um die BÄRENSÖHNE handelt es sich ja.
Auf dem Weg in die
Verbannung befinden sich der 12jährige Harka und sein Vater Mattotaupa. Jäh
endet plötzlich die Kindheit des Jungen, der seinem Vater heimlich gefolgt ist
in den Kleidern seiner jüngeren Schwester Uinonah.
Eben noch waren beide Helden. Der Kriegshäuptling der
Bärenbande hatte einen Grizzly mit seinen Händen und dem Messer bezwungen. Der
Junge hatte den Bären, welcher zuvor einige Pferde gerissen und Mattotaupas Bruder getötet hatte, mit
Steinwürfen gereizt und damit dem Vater die Gelegenheit gegeben. Bärentöter
nannten ihn seit dem die Knaben.
Auf dem Rückweg von der erfolgreichen Jagd treffen sie auf
einen jungen rothaarigen Weißen, den roten Jim. Der ist auf die Bärenbande
aufmerksam geworden als deren Geheimnismann Hawandschita den Vater eines
Negerjungen mit einem Goldkorn auslösen wollte. Nun meint Jim über diese
Dakotagruppe kommt er an Gold in den Black Hills.
Was hat er mitgebracht? Zwei doppelläufige Büchsen für die
erfolgreichen Jäger. Damit überzeugt er durchaus außer den zu Gast weilenden
obersten Geheimnismann Tatanka Yotanka. Das Unheil nimmt seinen Lauf denn
Feuerwasser hat er auch dabei. Damit macht er eine Reihe Krieger zum Gespött.
Hat er das auch mit Mattotaupa getan?
Am nächsten Morgen erhebt Hawandschita schlimme Anklage. Der
Weiße ist schon über alle Berge. Die Ratsversammlung schließt sich der Meinung
ihres ältesten Mitgliedes an und auch Tatanka Yotanka meint, dass der Häuptling
sein Geheimnis verraten hat.
Hat er dies wirklich?
Harka folgt seinem Vater in Richtung des Felsengebirges. Sie
haben zwei Pferde und zwei Messer. Sie richten sich ein und gehen auf die Jagd.
Der Junge wird von einem angreifenden Adler sehr verletzt doch die beiden
werden Freunde.[1] Der Vater ist vom Gedanken
beseelt, die Männer der Bärenbande von seiner Unschuld zu überzeugen. Da
greifen die Pani (Pawnee) an. Harka schleicht sich in das Dorf und warnt über
Uinonah die Oglalagruppe.
Mattotaupa übernimmt die Führung des Kampfes und die Krieger
sind froh, auf diese vertraute Stimme zu hören. Sie siegen unter Verlusten in
diesem Kampf. Aber dies hilft Mattotaupa am Ende nicht. Die Verbannung wird
aufrecht erhalten. Der ehemalige Häuptling tötet noch einen der ihn schmähenden
Krieger, welcher selbst unter Feuerwasser zum Gespött wurde und muss danach mit
seinem Sohn wieder hinaus in die Prärie.
Der Weg führt sie in die Städte der weißen Männer. Sie
treffen den Maler Morris und auch den Roten Jim wieder und sie verdingen sich
in einem Zirkus in der Gruppe eines gewissen Buffalo Bill. Harka erarbeitet mit
dem Clown[2] des
Zirkus eine Kindernummer, sein Vater reitet in der Indianer- und Cowboygruppe
des Buffalo Bill mit. Beide lernen englisch, der Junge zudem auch lesen und
schreiben. Der Zirkus ist in chronischen Geldsorgen. In seiner letzten
Vorstellung übernimmt Mattotaupa die Führung der Dakotagruppe aus Minnesota,
die anschließend vor der Polizei fliehen muss.[3] Den
sadistischen Inspizienten Ellis trifft am Schluss die Kugel aus Mattotaupas
Büchse.
Vater und Sohn wollen nun zu den Feinden der Dakota, den
Siksikau (Blackfeet). Die indianische Lebensweise ist, so finden sie, der der
Weißen in deren Städten unbedingt vorzuziehen.
* * *
Damit endet der zweite Band der sechsteiligen Ausgabe von
DIE SÖHNE DER GROSSEN BÄRIN, bzw. der erste Band HARKA – DER SOHN DES HÄUTLINGS
der dreibändigen Ausgabe.
Hatten die ► Oglala, welche zu den Teton ► Lakota gehören, um
die beiden Hauptfiguren bisher noch keine Weißen zu Gesicht bekommen[4], so
tauchen Mattotaupa und Harka nun direkt in die Welt der Weißen ein. Durch die Zirkusreisen
lernen sie sehr viel und vor allem auch, was die in Richtung Westen dringenden
Menschenmassen alles herstellen können und wie viele es vor allem sind. Nicht alle sind
Verbrecher. Der Maler Morris, der Clown Bob und der Raubtierdomteur Roland
spiegeln wieder, dass es durchaus vermögende (Der Maler) und weniger gut
verdienende weiße Männer gibt, die auch versuchen, die indianischen Stämme zu
verstehen. Der Junge Harka erlebt das sehr intensiv, als er bemerkt, dass weiße
Männer ihre verletzten Kameraden nach einem Sandsturm in der Prärie einfach
zurücklassen, aber das Versprechen Mattotaupas, die Gruppe an einen Fluss zu
bringen trotzdem gilt.[5]
* * *
An dieser Stelle müssen wir über eine Person reden, die in
Nordamerika aber auch in Europa sehr berühmt geworden ist. Das ist Frederick
William Frederick Cody, genannt ► Buffalo Bill. (1846 – 1917) Den Namen bekam er,
weil er als Jäger und Scout für die Eisenbahnbauer Fleisch beschaffte und dabei
eine Unmenge Büffel erlegte. Er ist damit maßgeblich, natürlich mit anderen, an
der Dezimierung riesiger Bisonherden beteiligt gewesen in deren Folge diese
Tiere fast ausgestorben wären. Den von den Bisonherden lebenden Prärieindianern
wurde so auch ihre Lebensgrundlage genommen.
Quelle |
William Cody war ein Abenteurer, der in den Jahren nach dem
amerikanischen Bürgerkrieg eine Zirkustruppe aufbaute und unter dem die USA
bereiste. Frühzeitig hatte er auch Indianergruppen dabei. Die Show wurde später
auch VÖLKERSHOW (?) genannt. Ab 1883 führte er diese Show als BUFFALO BILL´s
WILD WEST SHOW auch nach Europa. Wohl prominentestes Mitglied der Show war zu
Beginn auch Tatanka Yotanka, welcher meinte, so auf die inzwischen notleidenden
Indianer in den Reservationen und auf die Verbrechen an ihnen aufmerksam machen
zu können. Da er des Englischen aber wenig mächtig und so die Dolmetscher nicht
kontrollieren konnte, merkte er erst spät, dass die Show seinen Zielen nichts
nutzen konnte. Es ist schon verblüffend, dass sich der Oberhäuptling und
Geheimnismann der Lakota dem Mann anvertraute, der sich als Scout und Jäger für
einen Rachfeldzug nach der Schlacht am Little Bighorn der US Army zur Verfügung
stellte. Das Bild zeigt Buffalo Bill und ► Sitting Bull (Sitting Bull = Sitzendender Bisonbulle = Tatanka Yotanka)
Die Show folgte den damals gängigen Klischees die über die
sogenannten Wilden verbreitet wurden. Das sie berühmt gewesen ist, zeigen Ehrenbezeugungen
von Präsident Wilson, Kaiser Wilhem II. und auch König Georg V. nach seinem
Tod. Das ist das Eine. Das Andere und in meinen Augen damit das Erstaunlichere
ist dass ebenso die Angehörigen der ► Pine Ridge Reservation einen Nachruf
sendeten:
"Ihr sollt wissen, dass das Volk der Sioux in Buffalo
Bill einen guten und treuen Freund gefunden hatte. Unser Herz ist schwer von
Trauer über seinen Verlust. Nur ein Trost bleibt uns; der Gedanke, dass wir uns
eines Tages vor Wakatanka, vor unserem Schöpfer in den Ewigen Jagdgründen,
wiedersehen."
Sie sollen mit ihm
einen ihrer engagiertesten Führsprecher
verloren haben.[6]
Dies ist mir völlig neu und es lässt den Büffelschlächter
und Indianervorführer in einem etwas anderem Licht erscheinen. Zumindest in den
letzten Jahren vor seinem Tode. Der Buffalo Bill auf den Harka und sein Vater
Mattotaupa im Zirkus in Omaha treffen, also ungefähr 1865, war ganz bestimmt
noch kein Führsprecher der Indianer. Ansonsten ist es vielleicht nicht
uninteressant zu erwähnen, dass Cody auch ► Freimaurer gewesen ist. Im Disneyland wird zwangsläufig eine Bufallo Bills Wild West Show gezeigt.
Es lohnt sich aber noch einen Artisten zu benennen, der für
das Indianerbild der Deutschen durchaus etwas geleistet hat. Im Jahre 1876, das
Geburtsjahr wird bezeichnend sein, wird in Wien ein Junge mit dem Namen Ernst
Tobis geboren. Die Familie lebte später in Frankfurt am Main und eines Tages
gastierte im Jahr 1890 dort die BUFFALO BILL´s WILD WEST SHOW. Der 14jährige
Ernst riss aus und wurde Stallbursche. Die Mutter hat ihn schnell wieder
eingesammelt, aber er hatte das erste Exponat einer Sammlung ergattert, ein
Paar originale Mokassins, die später weltberühmt werden sollte. Ernst wurde
Artist bzw. Akrobat und nannte sich dann ► PATTY FRANK. Als Artist gastierte er
auch in den USA, Südafrika und Australien. Warum ist der nun so wichtig für
unsere Geschichte?
Zum ► Karl May Verlag bestanden bereits seit 1914 Beziehungen.
Patty Frank hatte seit 1890 eine enorme Sammlung mit indianische Ethnografica
angelegt, welche er sogar wissenschaftlich bearbeiten lies.[7] Diese
Sammlung erhielt im Jahr 1926 eine gewisse Klara May für ihr geplantes Museum.
Dafür bekam der nun fünfzigjährige Weltenbummler lebenslanges Logis. Wo? In der
Villa Bärenfett.
(Quelle) |
In Radebeul. Im Jahr 1928 wurde das ► Karl May Museum eröffnet
und Ernst Tobis wurde dessen Verwalter. In den kommenden dreißig Jahren, er
starb im Jahr 1959, erklärte der immer mal wieder in Wienerische fallende Patty
Frank über 300.000 Gästen pro Jahr das Leben der nordamerikanischen Indianer.
Im Jahr 1957 erschien aus seiner Feder DIE INDIANERSCHLACHT AM LITTLE BIGHORN ► (DNB). Aber natürlich, wenn man 1876 geboren ist, in
dem Jahr, in dem dieser letzte große Sieg der Sioux geschah als diese unter
Führung von ► Tashunka-Witko und anderen Häuptlingen die ☺7. Kavallarie des
Oberstleutnants Custer am ► Little Bighorn River vernichtend schlugen.
Patty Frank in der Villa Bärenfett (Quelle) |
* * *
Damit schließt sich ein wenig der Kreis.
"Oh herrlicher sächsischer Lügenbold. Gepriesen sei Dein vielgeschmähter
Name. Dank Dir, Du genialer Spinner aus Hohenstein-Ernstthal."[8]
(wikipedia) |
Karl
May verbreitete abenteuerliche wenn auch wenig wahrhaftige Indianergeschichten
über ganz Deutschland. Der Amerikaner Cody brachte echte Indianer im Zirkus
nach Europa und ein Frankfurter Teenager legte dadurch eine indianische
Sammlung an, welche ganz sicher durch die von Indianern begeisterte Liselotte
Welskopf-Henrich besucht wurde. In Radebeul bei Dresden. Im Karl-May-Museum.
Unbedingt einen Besuch wert. Auch und vor allem, wenn man Liselotte
Welskopf-Henrich wesentlich mehr mag als diesen Geschichtenerzähler aus
Hohnstein Ernsttal. Aber natürlich auch für Karl May Freunde, von manchen weiß ich, dass sie auch die Bärensöhne mehrfach verschlungen haben.
[1] Auf diese Geschichte
spielt Liselotte Welskopf –Henrich in ►LICHT ÜBER WEISSEN FELSEN an, als Joe
King, Nachfahre von Harka mit seinen beiden Wahlsöhnen um einen geschossenen
Adler kämpft, der in den Sumpf gefallen ist. Beim Versuch den Adler zu bergen
verletzt sich Stonehorn schwer an der Wirbelsäule. IN: LWH: Licht über weißen Felsen, Palisander, Chemnitz 2013
[2] Inya-he-yukan der Alte
erzählt 100 Jahre später seinem
Nachfahren Inya-he-yukan dem Jüngeren, dass er Lesen und Schreiben von einem
Zirkusclown gelernt hat. IN: LWH: ►NACHT ÜBER DER PRÄRIE, Palisander, Chemnitz 2013)
[3] Die Gruppe war an einem
Aufstand beteiligt. Major Smith, der später wieder eine Rolle spielen wird,
befragt diese und sie geben zu, dass zwei von ihnen beim Niederbrennen der Farm
von Smith Mutter beteiligt waren. Außerdem lernen wir Kate Smith kennen, die
später einmal einen gewissen Adam Adamson heiaten wird und auch den Indianerartisten
Harka wieder begegnen wird.
[4] Eine Ausnahme bildet der
Geheimnismann Hawandschita. Er ist um die neunzig Jahre alt und hat unter
Tecumseh gekämpft. Er kennt also die Weißen. Sein Wissen aber gebraucht er vor
allem auch zur Durchsetzung eigener Interessen.
[5] In dieser Episode tritt
zum ersten Mal der indianische Scout Tobias aus dem Stamm der Delawaren auf. Er
wird viele Jahre später gemeinsam mit der Bärenbande ÜBER DEN MISSOURI ziehen
[6] ↑ Aus: Buffalo Bill im
Wilden Westen, Arte-Geie Dokumentation, France Television, Equidia, Ere
Produktion-2012. IN: http://de.wikipedia.org/wiki/Buffalo_Bill 20.09.2013;
16:10
Uhr.
[7] http://saebi.isgv.de/biografie/Patty_Frank_(1876-1959),
20.09.2013; 16:50 Uhr
[8] Vgl. Kant, Herrmann: Die
Aula, Aufbau Verlag, 1968
© KaratekaDD
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