Dienstag, 1. Oktober 2013

LWH: Der Weg in die Verbannung

Ausgestoßen oder aus der Prärie in den Zirkus der weißen Männer

Meine Rezension zum 2. Band der sechsbändigen Ausgabe von

DIE SÖHNE DER GROSSEN BÄRINErstausgabe
Liselotte Welskopf-Henrich

Band 1: Harka - Der Sohn des Häuptlings
Band 2: Der Weg in die Verbannung
Band 3: Die Höhle in den schwarzen Bergen
Band 4: Heimkehr zu den Dakota
Band 5: Der junge Häuptling
Band 6: Über den Missouri 


Der ►Eulenspiegelverlag hat die sechs Bände wohlwollend als Rezensionsexemplare zur Verfügung gestellt. Links ist das Cover der schönen Hardcoverausgabe zu sehen. Schön ist auch, dass auf dem Buchdeckel der Gesamttitel genannt wird, denn um die BÄRENSÖHNE handelt es sich ja.



 Auf dem Weg in die Verbannung befinden sich der 12jährige Harka und sein Vater Mattotaupa. Jäh endet plötzlich die Kindheit des Jungen, der seinem Vater heimlich gefolgt ist in den Kleidern seiner jüngeren Schwester Uinonah.
Eben noch waren beide Helden. Der Kriegshäuptling der Bärenbande hatte einen Grizzly mit seinen Händen und dem Messer bezwungen. Der Junge hatte den Bären, welcher zuvor einige Pferde gerissen und  Mattotaupas Bruder getötet hatte, mit Steinwürfen gereizt und damit dem Vater die Gelegenheit gegeben. Bärentöter nannten ihn seit dem die Knaben.

Auf dem Rückweg von der erfolgreichen Jagd treffen sie auf einen jungen rothaarigen Weißen, den roten Jim. Der ist auf die Bärenbande aufmerksam geworden als deren Geheimnismann Hawandschita den Vater eines Negerjungen mit einem Goldkorn auslösen wollte. Nun meint Jim über diese Dakotagruppe kommt er an Gold in den Black Hills.
Was hat er mitgebracht? Zwei doppelläufige Büchsen für die erfolgreichen Jäger. Damit überzeugt er durchaus außer den zu Gast weilenden obersten Geheimnismann Tatanka Yotanka. Das Unheil nimmt seinen Lauf denn Feuerwasser hat er auch dabei. Damit macht er eine Reihe Krieger zum Gespött. Hat er das auch mit Mattotaupa getan?
Am nächsten Morgen erhebt Hawandschita schlimme Anklage. Der Weiße ist schon über alle Berge. Die Ratsversammlung schließt sich der Meinung ihres ältesten Mitgliedes an und auch Tatanka Yotanka meint, dass der Häuptling sein Geheimnis verraten hat.
Hat er dies wirklich?

Harka folgt seinem Vater in Richtung des Felsengebirges. Sie haben zwei Pferde und zwei Messer. Sie richten sich ein und gehen auf die Jagd. Der Junge wird von einem angreifenden Adler sehr verletzt doch die beiden werden Freunde.[1] Der Vater ist vom Gedanken beseelt, die Männer der Bärenbande von seiner Unschuld zu überzeugen. Da greifen die Pani (Pawnee) an. Harka schleicht sich in das Dorf und warnt über Uinonah die Oglalagruppe.
Mattotaupa übernimmt die Führung des Kampfes und die Krieger sind froh, auf diese vertraute Stimme zu hören. Sie siegen unter Verlusten in diesem Kampf. Aber dies hilft Mattotaupa am Ende nicht. Die Verbannung wird aufrecht erhalten. Der ehemalige Häuptling tötet noch einen der ihn schmähenden Krieger, welcher selbst unter Feuerwasser zum Gespött wurde und muss danach mit seinem Sohn wieder hinaus in die Prärie.

Der Weg führt sie in die Städte der weißen Männer. Sie treffen den Maler Morris und auch den Roten Jim wieder und sie verdingen sich in einem Zirkus in der Gruppe eines gewissen Buffalo Bill. Harka erarbeitet mit dem Clown[2] des Zirkus eine Kindernummer, sein Vater reitet in der Indianer- und Cowboygruppe des Buffalo Bill mit. Beide lernen englisch, der Junge zudem auch lesen und schreiben. Der Zirkus ist in chronischen Geldsorgen. In seiner letzten Vorstellung übernimmt Mattotaupa die Führung der Dakotagruppe aus Minnesota, die anschließend vor der Polizei fliehen muss.[3] Den sadistischen Inspizienten Ellis trifft am Schluss die Kugel aus Mattotaupas Büchse.

Vater und Sohn wollen nun zu den Feinden der Dakota, den Siksikau (Blackfeet). Die indianische Lebensweise ist, so finden sie, der der Weißen in deren Städten unbedingt vorzuziehen.
* * *
Damit endet der zweite Band der sechsteiligen Ausgabe von DIE SÖHNE DER GROSSEN BÄRIN, bzw. der erste Band HARKA – DER SOHN DES HÄUTLINGS der dreibändigen Ausgabe.
Hatten die ► Oglala, welche zu den Teton ► Lakota gehören, um die beiden Hauptfiguren bisher noch keine Weißen zu Gesicht bekommen[4], so tauchen Mattotaupa und Harka nun direkt in die Welt der Weißen ein. Durch die Zirkusreisen lernen sie sehr viel und vor allem auch, was die in Richtung Westen dringenden Menschenmassen alles herstellen können und wie viele es vor allem sind. Nicht alle sind Verbrecher. Der Maler Morris, der Clown Bob und der Raubtierdomteur Roland spiegeln wieder, dass es durchaus vermögende (Der Maler) und weniger gut verdienende weiße Männer gibt, die auch versuchen, die indianischen Stämme zu verstehen. Der Junge Harka erlebt das sehr intensiv, als er bemerkt, dass weiße Männer ihre verletzten Kameraden nach einem Sandsturm in der Prärie einfach zurücklassen, aber das Versprechen Mattotaupas, die Gruppe an einen Fluss zu bringen trotzdem gilt.[5]
* * *
An dieser Stelle müssen wir über eine Person reden, die in Nordamerika aber auch in Europa sehr berühmt geworden ist. Das ist Frederick William Frederick Cody, genannt ► Buffalo Bill. (1846 – 1917) Den Namen bekam er, weil er als Jäger und Scout für die Eisenbahnbauer Fleisch beschaffte und dabei eine Unmenge Büffel erlegte. Er ist damit maßgeblich, natürlich mit anderen, an der Dezimierung riesiger Bisonherden beteiligt gewesen in deren Folge diese Tiere fast ausgestorben wären. Den von den Bisonherden lebenden Prärieindianern wurde so auch ihre Lebensgrundlage genommen.

Quelle
William Cody war ein Abenteurer, der in den Jahren nach dem amerikanischen Bürgerkrieg eine Zirkustruppe aufbaute und unter dem die USA bereiste. Frühzeitig hatte er auch Indianergruppen dabei. Die Show wurde später auch VÖLKERSHOW (?) genannt. Ab 1883 führte er diese Show als BUFFALO BILL´s WILD WEST SHOW auch nach Europa. Wohl prominentestes Mitglied der Show war zu Beginn auch Tatanka Yotanka, welcher meinte, so auf die inzwischen notleidenden Indianer in den Reservationen und auf die Verbrechen an ihnen aufmerksam machen zu können. Da er des Englischen aber wenig mächtig und so die Dolmetscher nicht kontrollieren konnte, merkte er erst spät, dass die Show seinen Zielen nichts nutzen konnte. Es ist schon verblüffend, dass sich der Oberhäuptling und Geheimnismann der Lakota dem Mann anvertraute, der sich als Scout und Jäger für einen Rachfeldzug nach der Schlacht am Little Bighorn der US Army zur Verfügung stellte. Das Bild zeigt Buffalo Bill und ► Sitting Bull (Sitting Bull = Sitzendender Bisonbulle = Tatanka Yotanka)

Die Show folgte den damals gängigen Klischees die über die sogenannten Wilden verbreitet wurden. Das sie berühmt gewesen ist, zeigen Ehrenbezeugungen von Präsident Wilson, Kaiser Wilhem II. und auch König Georg V. nach seinem Tod. Das ist das Eine. Das Andere und in meinen Augen damit das Erstaunlichere ist dass ebenso die Angehörigen der ► Pine Ridge Reservation einen Nachruf sendeten:

"Ihr sollt wissen, dass das Volk der Sioux in Buffalo Bill einen guten und treuen Freund gefunden hatte. Unser Herz ist schwer von Trauer über seinen Verlust. Nur ein Trost bleibt uns; der Gedanke, dass wir uns eines Tages vor Wakatanka, vor unserem Schöpfer in den Ewigen Jagdgründen, wiedersehen." 

Sie sollen mit ihm einen ihrer engagiertesten  Führsprecher verloren haben.[6]
 
Dies ist mir völlig neu und es lässt den Büffelschlächter und Indianervorführer in einem etwas anderem Licht erscheinen. Zumindest in den letzten Jahren vor seinem Tode. Der Buffalo Bill auf den Harka und sein Vater Mattotaupa im Zirkus in Omaha treffen, also ungefähr 1865, war ganz bestimmt noch kein Führsprecher der Indianer. Ansonsten ist es vielleicht nicht uninteressant zu erwähnen, dass Cody auch ► Freimaurer gewesen ist. Im Disneyland wird zwangsläufig eine Bufallo Bills Wild West Show gezeigt.

Es lohnt sich aber noch einen Artisten zu benennen, der für das Indianerbild der Deutschen durchaus etwas geleistet hat. Im Jahre 1876, das Geburtsjahr wird bezeichnend sein, wird in Wien ein Junge mit dem Namen Ernst Tobis geboren. Die Familie lebte später in Frankfurt am Main und eines Tages gastierte im Jahr 1890 dort die BUFFALO BILL´s WILD WEST SHOW. Der 14jährige Ernst riss aus und wurde Stallbursche. Die Mutter hat ihn schnell wieder eingesammelt, aber er hatte das erste Exponat einer Sammlung ergattert, ein Paar originale Mokassins, die später weltberühmt werden sollte. Ernst wurde Artist bzw. Akrobat und nannte sich dann ► PATTY FRANK. Als Artist gastierte er auch in den USA, Südafrika und Australien. Warum ist der nun so wichtig für unsere Geschichte?
Zum ► Karl May Verlag bestanden bereits seit 1914 Beziehungen. Patty Frank hatte seit 1890 eine enorme Sammlung mit indianische Ethnografica angelegt, welche er sogar wissenschaftlich bearbeiten lies.[7] Diese Sammlung erhielt im Jahr 1926 eine gewisse Klara May für ihr geplantes Museum. Dafür bekam der nun fünfzigjährige Weltenbummler lebenslanges Logis. Wo? In der Villa Bärenfett

(Quelle)
In Radebeul. Im Jahr 1928 wurde das ► Karl May Museum eröffnet und Ernst Tobis wurde dessen Verwalter. In den kommenden dreißig Jahren, er starb im Jahr 1959, erklärte der immer mal wieder in Wienerische fallende Patty Frank über 300.000 Gästen pro Jahr das Leben der nordamerikanischen Indianer. Im Jahr 1957 erschien aus seiner Feder DIE INDIANERSCHLACHT AM LITTLE BIGHORN ► (DNB).  Aber natürlich, wenn man 1876 geboren ist, in dem Jahr, in dem dieser letzte große Sieg der Sioux geschah als diese unter Führung von ► Tashunka-Witko und anderen Häuptlingen die ☺7. Kavallarie des Oberstleutnants Custer am ► Little Bighorn River vernichtend schlugen.  

Patty Frank in der Villa Bärenfett (Quelle)
* * *
Damit schließt sich ein wenig der Kreis.

"Oh herrlicher sächsischer Lügenbold. Gepriesen sei Dein vielgeschmähter Name. Dank Dir, Du genialer Spinner aus Hohenstein-Ernstthal."[8] 

(wikipedia)
Karl May verbreitete abenteuerliche wenn auch wenig wahrhaftige Indianergeschichten über ganz Deutschland. Der Amerikaner Cody brachte echte Indianer im Zirkus nach Europa und ein Frankfurter Teenager legte dadurch eine indianische Sammlung an, welche ganz sicher durch die von Indianern begeisterte Liselotte Welskopf-Henrich besucht wurde. In Radebeul bei Dresden. Im Karl-May-Museum. Unbedingt einen Besuch wert. Auch und vor allem, wenn man Liselotte Welskopf-Henrich wesentlich mehr mag als diesen Geschichtenerzähler aus Hohnstein Ernsttal. Aber natürlich auch für Karl May Freunde, von manchen weiß ich, dass sie auch die Bärensöhne mehrfach verschlungen haben.


[1] Auf diese Geschichte spielt Liselotte Welskopf –Henrich in ►LICHT ÜBER WEISSEN FELSEN an, als Joe King, Nachfahre von Harka mit seinen beiden Wahlsöhnen um einen geschossenen Adler kämpft, der in den Sumpf gefallen ist. Beim Versuch den Adler zu bergen verletzt sich Stonehorn schwer an der Wirbelsäule. IN: LWH: Licht über weißen Felsen, Palisander, Chemnitz 2013
[2] Inya-he-yukan der Alte erzählt 100 Jahre später seinem Nachfahren Inya-he-yukan dem Jüngeren, dass er Lesen und Schreiben von einem Zirkusclown gelernt hat.  IN: LWH: ►NACHT ÜBER DER PRÄRIE, Palisander, Chemnitz 2013)
[3] Die Gruppe war an einem Aufstand beteiligt. Major Smith, der später wieder eine Rolle spielen wird, befragt diese und sie geben zu, dass zwei von ihnen beim Niederbrennen der Farm von Smith Mutter beteiligt waren. Außerdem lernen wir Kate Smith kennen, die später einmal einen gewissen Adam Adamson heiaten wird und auch den Indianerartisten Harka wieder begegnen wird.
[4] Eine Ausnahme bildet der Geheimnismann Hawandschita. Er ist um die neunzig Jahre alt und hat unter Tecumseh gekämpft. Er kennt also die Weißen. Sein Wissen aber gebraucht er vor allem auch zur Durchsetzung eigener Interessen.
[5] In dieser Episode tritt zum ersten Mal der indianische Scout Tobias aus dem Stamm der Delawaren auf. Er wird viele Jahre später gemeinsam mit der Bärenbande ÜBER DEN MISSOURI ziehen
[6] ↑ Aus: Buffalo Bill im Wilden Westen, Arte-Geie Dokumentation, France Television, Equidia, Ere Produktion-2012. IN: http://de.wikipedia.org/wiki/Buffalo_Bill   20.09.2013; 16:10 Uhr.
[8] Vgl. Kant, Herrmann: Die Aula, Aufbau Verlag, 1968

© KaratekaDD

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