Wie das so ist: Da trifft man in den sozialen Medien auf einen Link, verfolgt das Thema auf den verschiedenen Plattformen, zum Beispiel auf YouTube, und dann bekommt man diesen Inhalt erst einmal ständig zu sehen, denn die Software meint, dass Thema gehöre zu den bevorzugten Interessen.
In diesem Fall zeigte mit das „Tablett“ einige Zeit lang bunte schmissige, akrobatische Tanzszenen, Bühnenbild, Kostüme sowie die Musik waren ganz leicht als chinesisch einzuordnen.
Wie dem auch sei, die Werbung gewann und so führte uns der Weg gestern in die Leipziger Oper. Ein Bahnstreik zwang uns zum Auto. Das Opernhaus wurde im relativ schmucklosen neoklassizistischem Stil zwischen 1954 und 1960 erbaut, und mit Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg eingeweiht. Eine Wagner-Büste ist das einzige Porträt, welches sich beim durchwandeln des Hauses findet. Keine Künstlerbilder, keine Intendanten oder Opernregisseure, Fotos von Premieren oder Gemälde…
Ungewohnt für einen, der zwar selten, aber sonst in der Dresdner Semperoper zu finden wäre. Hier ein Blick in den 2006 renovierten Leipziger Zuschauerraum. Aber dieser Post soll ja nicht die sächsischen Opernhäuser vergleichen.
Quelle |
Und genau das erleben wir auch. Verschiedene Tanzbilder mit Geschichten aus Jahrtausenden, die zum Beispiel überschrieben sind mit Der goldene Affe im Kampf mit dem Roten Kind oder Himmlische Feen im Pfirsischgarten.
Die Bühne ist leer, ein riesiges buntes Bild im Hintergrund; was aber entdecken die Zuschauer so nach und nach? Vor dem Pekinger Kaiserpalast sind Soldaten angetreten, deren Kleidung sich bewegt? Ganz leicht, die Bilder sind animiert und im Verlauf der Show sehen wir eine unerwartete Verschmelzung der Tänzerinnen und Tänzer mit diesem Hintergrund, in den sie springen können oder aus dem sie auf die Bühne fliegen. Schade, dass man nichts aufzeichnen darf… Das offizielle Video zeigt des nämlich nicht. Faszinierend und laut „Ansager“ patentiert.
A propos „Ansager“: Das Programm läuft nach einem Muster ab, welches irgendwie altmodisch erscheint. Eine Moderatorin und ein Moderator führen durch das Programm eher im Stile von Ansagern, die erklären, was als nächste Bild folgt. Diese Art von Moderation erfolgt immer vor dem geschlossenen Vorhang. Auf chinesisch und deutsch.
Ausschnitt Programmheft |
Das wird deutlich, in den beiden Liedern, die durch eine Sopranistin und einen Tenor zum Flügel vorgetragen werden. Dafa öffnet den Weg in den Himmel, heißt das erste Lied, in dem es heißt:
„Entstehen, Bestehen, Verfall und Vernichtung - das ist das kosmische Regelwerk. Die Menschen, meist sind sie vom Himmel herabgekommen, nahmen menschliche Gestalt an, um ihre Erbsünden zu beseitigen….“
Den Text kan man mitlesen auf chinesisch oder deutsch - neuere religiöse Bewegung scheint zu stimmen. Wenn allerdings dabei mehrfach die Aussage zu lesen ist, dass „Atheismus und Evolutionstheorie zur Täuschung gedacht sind“, erinnert das schon an religiösen Fundamentalismus. Die Ablehnung von Atheismus kann ich akzeptieren, die Leugnung der Evolution allerdings nicht. Doch eine Art Sekte?
In der Erklärung der Show erscheint die Moderation eher pragmatisch in den Hinweisen auf die Tausende Jahre alte Kultur der Tanztraditionen (Tanz der Männer, Tanz der Frauen), die von weichen anmutigen Bewegungen ebenso wie von Athletik und kraftvollem Ausdruck geprägt ist.
Ausschnitt Programmheft |
Was bleibt ist eine überaus bunte mitreißende Show, die Begeisterung weckt im voll gefüllten Leipziger Opernhaus, sie ist einen Besuch durchaus wert. Das Programmheft stellt die Solisten der Show natürlich vor, verblüffend ist, dass diese in der unglaublichen Synchronität der Gruppentänze gar nicht auffallen, wenn nicht eine unmittelbare Rolle getanzt wird.
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Ein Tag in Leipzig, bei schönstem Wetter mit einem Spaziergang durch die Innenstadt mit Blick in die Thomaskirche (wenn man schon mal da ist), Bewunderung des alten Rathauses und einem sächsischen gemütlichen Mittagessen in Auerbachs Keller, was will man mehr…
© Dresdner Bücherjunge
Das klingt nach einem tollen Abend - die Idee mit den Ansagern finde ich allerdings wirklich altmodisch...
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