Es ist eine Weile her, dass in Thrillern, die ich las, Atomsprengköpfe eine Rolle spielten. Also solche, die auch wirklich Gefahr laufen, sich durch Zündung von Menschenhand abzuschaffen. Okay, Das Manhatten-Projekt oder zuletzt erst Oppenheimer führen einem das Szenario eines Atomschlages wieder vor Augen, aber gelesen habe ich davon vor vielleicht 20 Jahren in Tom Clancys „Das Echo aller Furcht“ und da war es keine Rakete, sondern eine Art schmutzige Terroristen-Bombe.
Im vorliegenden Roman, den ich kürzlich zum Hören bestellte, führt uns Ken Follett vor Augen, was das sein könnte, so eine Spannungsperiode...
Während in der Sahara zwei Geheimagenten den Spuren eines groß angelegten Kokainschmuggels folgen, der keinesfalls zufällig mit einer Schleusung von Afrikanern in Richtung Europa zusammenfällt, scheint in den USA noch alles zu laufen und Präsidentin Green muss sich nur gegen die Attacken ihres republikanischen politischen Widersachers zur Wehr setzen. Währenddessen putscht eine Gruppe Militärs in Nordkorea und der junge chinesische Chef des Auslandsgeheimdienstes versucht alles, die Kriegstreiberei der chinesischen Generalität abzuwehren, die brisant wird, als zwischen beiden Koreas der Krieg ausbricht. Die südkoreanische Präsidentin scheint entschlossen, den 38. Breitengrad zu einem Relikt der Geschichte zu machen und Präsidentin Green scheint ohnmächtig zu sein; in Korea sterben auch stationierte Amerikanerinnen und Amerikaner.
Während dessen folgen die Leser auch Kiah, die mit ihrem zweijährigen Sohn in dem Bus sitzt, der plötzlich halt macht mitten in der Wüste... Zum Glück ist da noch Abdul, der keine Verbindung mit seiner Führungsoffizierin der CIA im Tschad mehr hat, welche sich gerade mit ihrem französischen Pedanten einlässt.
Der Handlungsraum |
Während Russland und Europa im Roman und den Köpfen der Leserinnen und Leser bzw. der Hörerinnen und Hörer irgendwie an Bedeutung verlieren und in Vergessenheit geraten, steigen in Fernost die ersten Raketen in die Luft...
Über weite Strecken bleibt das Inszenario beherrschbar, siebenundzwanzig Stunden Hörzeit entsprechen 877 Seiten. Im letzten Viertel steigt die Spannung ins unerträgliche und es kommt der Punkt, an dem „alle diplomatischen Mittel ausgereizt sind“. Ein glückliches afrikanisches Paar und eine Hochzeit einer Amerikanerin und einem Franzosen, ist das das Ende der Welt?
Ken Follett zeigt uns, wie etwas funktionieren könnte, was man Spannungsperiode nennt. Die tritt zum Beispiel ein, wenn Schurken meinen, sie könnten siegen und die scheinbar oder eigentlich vernünftigen Staatenlenker letztlich ihren Doktrinen verhaftet sind. Kein Wirtschaftskrieg, keine Taiwan-Auseinandersetzung, keine Wirtschaftssanktionen, aber den Überfall auf die Ukraine unternahm Russland auch erst ein Jahr nach dem Erscheinen des gewohnt langsam beginnenden und dann vor Spannung schier berstenden Roman des Altmeisters. Dass aber sowohl Russland und Europa so gar keine Rolle spielen, während die Welt einem Untergangsszenario entgegen schlittert, ist nicht einfach nur unglaublich, es ist unglaubwürdig. Keiner der Staatschefs aus Europa ruft die US-Präsidentin an?
NEVER sei "die fesselndste Geschichte", die Follett je geschrieben hätte, erklärt der Autor in einem Brief an die Leser. Wenn schon der 1. Weltkrieg, den niemand wollte, so der Autor in einem Hinweis auf "Sturz der Titanen", ein europäischens Inferno darstellte, wie wäre es dann mit einem Konflikt der nuklear zu werden droht? Ken Follett geht der Sache in diesem Roman nach.
Wo führt das hin? Das könnte die Frage sein, die sich die meisten Rezipienten ständig und vor allem immer häufiger fragen.
Klingt irgendwie bedrückend - die Realität reicht mir da schon...
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