Es ist der letzte Sommer für Dad Lewis am Rand der Kleinstadt Holt – die
er nie verließ, im Gegensatz zu seinem Sohn Frank, zu dem es keinerlei
Kontakt mehr gibt, oder Tochter Lorraine, die nun zur Unterstützung
zurückkehrt. Aber es kommen auch neue Gesichter und mit ihnen
Geschichten: Die kleine Alice zieht im Nachbarhaus bei ihrer Großmutter
ein, und der neue Reverend Lyle hat nicht nur mit den eigenwilligen
Anwohnern, sondern auch mit der eigenen Familie zu kämpfen.
- Gebundene Ausgabe: 352 Seiten
- Verlag: Diogenes; Auflage: 2 (27. Mai 2020)
- Sprache: Deutsch
- Übersetzung: pociao
- ISBN-10: 3257071256
- ISBN-13: 978-3257071252
- Originaltitel: Benediction
- Reihe: Plainsong-Trilogie (Bd. 3)
Den dritten Band der Plainsong-Trilogie habe ich mit etwas Wehmut schon im Vorfeld gelesen, denn da der Autor bereits verstorben ist, bleibt mir jetzt nur noch ein einziger Roman, den ich noch nicht kenne. Tatsächlich gehören die Bücher von Kent Haruf zu denjenigen, die ich wenigstens noch ein zweites Mal lesen möchte. Es war sehr freundlich vom Diogenes-Verlag, mir und den anderen Teilnehmern der Leserunde bei Whatchareadin kostenlose Leseexemplare zur Verfügung zu stellen. Dafür meinen ganz herzlichen Dank!
LEBEN UND TOD...
Das Leben ist rau in Holt, Colorado. Das durften wir ja bereits in den ersten beiden Bänden der 'Plainsong-Trilogie' erfahren. Ländlich die Umgebung, karg die Landschaft, spielt die Erzählung diesmal nicht wie zuvor in den 60er oder 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts, sondern zu Beginn des neuen Jahrtausends. Erneut agieren hier nur ein paar wenige Figuren, wobei man diesmal nur noch auf Spuren 'alter Bekannter' aus den vorherigen Romanen trifft.
Im Zentrum der Erzählung steht Dad Lewis, der von seinem Arzt mit
einer tödlichen Diagnose entlassen wurde und sich nun auf seine letzten
Lebenswochen einzurichten hat. Seine Frau Mary versucht es ihm so
bequem wie möglich einzurichten und ist froh, als Lorraine, ihrer beider
Tochter, beschließt, für die letzten Wochen ihres Vaters nach Hause zu
kommen. Dad Lewis nimmt langsam Abschied vom Leben, von seinen Lieben,
von Liebgewonnenem - und versucht mit sich ins Reine zu kommen. Denn
nicht alles in seinem Leben war so, dass er es im Nachhinein nicht hätte
anders machen wollen.
Neben Dad Lewis und seiner Familie widmet sich Kent Haruf aber auch
einigen anderen Figuren, deren Perspektive immer wieder eingestreut
wird. Eine alte Nachbarin der Familie Lewis beispielsweise und ihre
Enkelin Alice, deren Mutter vor kurzem verstorben ist und die nun bei
ihrer Großmutter lebt. Oder auch die beiden Johnson-Frauen - Willa, seit
30 Jahren Witwe, und ihre ungebundene Tochter Alene, die nach ihrer
Pensionierung als Lehrerin wieder in ihr Elternhaus zurückgekehrt ist.
Eine weitere wichtige Figur ist der Prediger Rob Lyle , der von Denver
nach Holt strafversetzt wurde und mit seiner Familie seither versucht,
Teil der Gemeinde zu werden.
In dem heißen Sommer in Holt plätschert das Leben vor sich hin,
fließt langsam und träge vorbei, und aus alldem ragen einzelne Inseln an
Einsamkeit hervor. Das Leben mit einem absehbaren Ende gehört dazu, das
wird hier sehr deutlich - denn rund um den drohenden Tod fließt das
Leben weiter. Durch die wechselnden Perspektiven wirkt das ganze nicht
zu schwer, sondern macht deutlich, dass das Leben ein Fluss ist, in dem
wir vielleicht ein Stück des Wegs gemeinsam gehen können oder aber immer
wieder einmal aufeinander zutreiben, bevor jemand endgültig versinkt
oder ins Meer gespült wird.
Dennoch gibt es in diesem Roman einige berührende Szenen - und
obschon es durchaus sein kann, dass Kent Haruf eigene Gedanken und
Empfindungen hat einfließen lassen angesichts seiner eigenen
Krebserkrankung, haben diese Szenen des Abschieds vom Leben auch etwas
Allgemeingültiges. Ich musste beim Lesen sehr oft an die letzten Wochen
meines Vaters denken - oder auch daran, was in der Situation für mich
wohl wichtig wäre. Es sind Lebensthemen, die da mal so eben im
Plauderton an uns herangetragen werden, unaufgeregt, doch eindeutig
präsent, unmöglich zu umschiffen.
Unaufgeregt präsentiert Kent Haurf auch die Charaktere. Positive wie
negative Facetten treten zutage, nüchtern dargestellt ohne zu
beschönigen oder zu dramatisieren und stets ohne Wertung. Dies ist eine
Besonderheit, die sich in allen Romanen des verstorbenen Autors findet
und die mir außerordentlich gut gefällt.
Einsamkeit, Traurigkeit, (fehlende) Lebensentwürfe oder -perspektiven
- ein durchweg melancholischer Ton zieht sich durch den Roman.
Anrührend aber nicht kitschig, offen aber niemals abwertend - das
beherrscht Kent Haruf einfach. Die Begegnungen, die Akzente der
Mitmenschlichkeit - sie sind es, die die Einsamkeit zuweilen auflösen
und die selbst angesichts mancher Schrecknisse für Hoffnung und Trost
sorgen.
Als Kontrapunkt für die schweren Lebensthemen setzt der Autor Alice,
das kleine Mädchen, das die Zukunft repräsentiert. Das Leben geht
weiter. Immer. Irgendwie.
Es ist, wie Bernhard Schlink auf dem Umschlag des Romans schreibt:
"Kent Haruf nimmt uns mit, wohin wir nie wollten, und bald wollen wir
von dort nicht mehr weg."
Genau.
© Parden
Kent Haruf, geboren 1943 in Colorado, war ein amerikanischer
Schriftsteller. Alle seine sechs Romane spielen in der fiktiven
Kleinstadt Holt im US-Bundesstaat Colorado. Er wurde unter anderem mit
dem Whiting Foundation Writers’ Award, dem Wallace Stegner Award und dem
Mountains & Plains Booksellers Award ausgezeichnet. Sein letzter
Roman, ›Unsere Seelen bei Nacht‹, wurde zum Bestseller und mit Jane
Fonda und Robert Redford in den Hauptrollen verfilmt. Haruf starb 2014.
(Quelle: Diogenes Verlag)
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