Freitag, 28. August 2020

Lorne, Mac P.: Der Herzog von Aquitanien

Aquitanien. Mauren. Karolinger. Merowinger. Das klingt doch gleich nach Geschichte pur. Irgendwie klingt es auch nach Gral, Katharern, nach Minne, nach Troubadouren und man denkt an das 12. und 13. Jahrhundert, weil Eleonore, Herzogin von Aquitanien, die Mutter eines gewissen Richard Löwenherz war. Die Eleonore, deren höfische Kultur eben zu den Minnesängern führte.

Nichts von alledem findet sich im Roman von Mac P. Lorne. Seine Leserinnen und Leser wandern zurück in das 8. Jahrhundert und von den vielen Begriffen da oben bleiben die ersten vier stehen. Es scheint einigermaßen schwierig zu sein, zu Herzog Eudo von Aquitanien zu recherchieren, schon der gemeine Wikipedianutzer findet nur einen zehnzeiligen Beitrag in der freien Enzyklopädie. Vielleicht erinnert man sich an Carolus Martellus und an die Schlacht bei Tours und Poitiers, an der war Eudo beteiligt. Warum dies entscheidend gewesen sein könnte, erzählt Mac P. Lorne in seinem aktuellsten Roman. Und obwohl der genannte Wikipedia-Beitrag den Roman tatsächlich grob umreißt, es findet sich soviel mehr in diesem Buch.

Eudo von Aquitanien hat ein Ziel, eigentliche derer zwei: Erstens die Unabhängigkeit seines Herzogtums, welches er zweitens zu einem Königreich machen möchte. Im Frankenreich dagegen geht Karl, Hausmeier eines der vermeintlich herrschenden Merowingers gegen Raganfried, den Hausmeier Chilperichs II., ebenfalls Merowinger vor. Eudo, unterstützt Raganfried, jedoch führt das Unternehmen 719 zu einer Niederlage. Eudo muss sich mit Karl arrangieren. 

Während der Erstgeborene, Hunold, in den Pyrenäen vermisst wird, muss sich der Herzog Aquitaniens gegen die erstmals von der iberischen Halbinsel vorstoßenden Mauren verteidigen, was ihm bereits 721 bei Toulouse gelingt. Seit die muslimischen Truppen nahe Gibraltar landeten, sind erst zehn Jahre vergangen, in sieben Jahren eroberten die Mauren die ganze Halbinsel. Natürlich beabsichtigten sie, weiter in Richtung Norden zu stoßen. Und so gibt ein Zeitraum von fünfzehn Jahren, 717 bis 732 dem Roman eine Rasanz, die mit Blick auf den Zeitstrahl erst richtig deutlich wird.


Mac P. Lorne hat mit zwei weiteren Handlungssträngen für Spannung gesorgt. Zum Einen ist da der muslimische Widersacher Abd ar-Rahman, dessen Weg zum Statthalter von Al-Andalus erzählt wird. Der Autor wird viel recherchiert haben, denn auch hier gibt der Wikipedia-Artikel nicht viel her. 

Dies gilt ebenso für einen weiteren Handlungsstrang, in dem Eudo seine Tochter Lampegia mit einem Berberfürsten Uthman Ibn Naissa, genannt Munuza, Herrscher über das Pyrenäen-Hochtal Cerdanya, verheiratet. Im Roman ist das sogar eine Liebesheirat. Dieser Strang ist doch ziemlich traurig – und historisch wohl nicht hinreichend belegt. 


Wikipedia / Zorian / CC BY-SA 3.0
Das ist ein Vorzug eines historischen Romans gegenüber Lexika und Sachbüchern: Man kann Geschichten erzählen und Zusammenhänge darstellen, die in Geschichtsbüchern nicht unbedingt zu finden sind. Bezüglich Abd.ar-Rahman beginnt die Geschichte in der Wüste, führt über eine Belagerung Konstantinopels, die abgewehrt wurde, über Nordafrika nach Iberien und endet bei der Schlacht bei Tours und Poitiers. Der Vormarsch muslimischer Truppen wird hier endgültig gestoppt, im Gegensatz zu Konstantinopel, welches 1453 Mehmed II. fällt. 

Es sind, sieht man von Karl Martell ab, eher Nebenfiguren der Geschichte, auch wenn das unfair gegenüber Mac P. Lornes Helden Eudo erscheint: Abd ar-Rahman ist einer von 23 (!) Stadthaltern in al-Andalus bis zur Gründung des Emirats von Cordoba und dem Beginn muslimischer Blütezeit auf Iberien, bis 1492 das Emirat von Granada kapitulieren musste.

Über Karl Martell gibt es Literatur noch und noch, der Herzog Aquitaniens ist ebenso ein lohnendes Subjekt für einen Roman. Wir lernen durch ihn noch so manches, zum Beispiel, was der Steigbügel für die Reiterei bedeutete, die durch ihn auch schwer gepanzert genügend halt im Reiterkampf fand. Der Autor weist die (wiederholte) Erfindung unserem Herzog Eudo zu.

Kurzzeitig bekam der Rezensent das Gefühl, dass die Grausamkeiten der Muslime im Gegensatz zu den Franken schon Kalkül waren, denn an sich ist das muslimische Andalusien für Wissenschaft, Philosophie und eine gewisse Religionstoleranz bekannt. Das gilt aber sicher nicht für die Eroberungsphase, in der die Stadthalter ständig wechselten, Abd ar-Rahman wird es sogar zweimal.

Es war ein guter Roman, spannend, informativ, er regte zum fortlaufenden Googeln an und wer den Rezensenten kennt, weiß, der mag das. Außerdem sind historische Romane, die „aus der Zeit fallen“, womit ich nur meine, dass sie „Nebenzeiten“ bedienen. Eben nicht diesen Carolus Martellus, sondern den Herzog, der sein Ziel, Aquitanien zu einem Königreich zu machen, allerdings nicht erreichte. 

Doch habe ich zu Beginn auf diese Eleonore verwiesen. Aquitanien war schon ein bedeutsames Fürstentum über Jahrhunderte. Und Mac P. Lorne hat mit Der englische Löwe vierhundert Jahre später hier wieder angesetzt.




© Bücherjunge

1 Kommentar:

  1. Wie ich sehe, liest du gleich mit "Eleonore von Aquitanien" weiter. Ich bin gespannt!

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