Niederlande, 1949: Der ehemalige Widerstandskämpfer Siem Coburg lebt
nach dem Krieg und dem tragischen Verlust seiner großen Liebe
zurückgezogen und als gebrochener Mann auf einem Hausboot. Erst als ihn
der alte Bauer Tammens bittet, den Tod seines Enkels aufzuklären, kehrt
Coburg in die Stadt zurück. Der siebzehnjährige Siebold starb unter
mysteriösen Umständen in einem katholischen Heim für geistig behinderte
Kinder, und sein Großvater ist sicher, dass mehr dahintersteckt, als die
Heimleiter ihn glauben machen wollen. Während Coburg immer tiefer in
die Vergangenheit des Heims eintaucht, muss er feststellen, dass Siebold
nicht der einzige Schutzbefohlene mit ungeklärter Todesursache ist…
- Broschiert: 416 Seiten
- ISBN-10: 3328104992
- ISBN-13: 978-3328104995
- Herausgeber : Penguin Verlag; Deutsche Erstausgabe Auflage (9. Juni 2020)
- Sprache: Deutsch
- Übersetzung: Simone Schroth
- Originaltitel: Tot stof (Dust to Dust)
Wieder ein Roman, den ich im Rahmen einer Leserunde bei Whatchareadin lesen durfte - auch diesmal möchte ich mich beim Verlag herzlich für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars bedanken! Leider konnte mich der Roman nicht wirklich überzeugen, für mich war er mit 'Kriminalroman' einem falschen Genre zugeordnet worden. Alles in allem für mich ein Etikettenschwindel: garantiert kein
Krimi, dafür graue, düstere und themenüberfrachtete Einblicke in das
Kriegsgeschehen in den Niederlanden. Alles Weitere könnt Ihr hier lesen:
DÜSTER, GRAU UND KALT...
Quelle: Pixabay |
Genrebezeichnung und obiger Klappentext legen nahe, dass es sich bei
diesem Roman um einen Krimi handelt. Für mich ist diese Deklarierung
jedoch ehrlich gesagt ein Etikettenschwindel. Hier werden Erwartungen
geschürt, die das Buch nicht halten kann - fehlende Spannung, der Tod
des behinderten Jungen lediglich als Aufhänger für die Darstellung einer
Vielzahl gänzlich anderer Themen und letztlich ein arg schwammiges
Ende: Krimifans werden hier mit Sicherheit enttäuscht.
Was erwartet den Leser hier also stattdessen? Das ist wirklich nicht
einfach zu beantworten, denn tatsächlich präsentiert Felix Weber auf den
gut 400 Seiten eine ganze Palette an Themen, denen lediglich die
düster-graue Stimmung gemein ist. Ausgehend von Erinnerungen an den
gerade beendeten Zweiten Weltkrieg mit Einblicken in die
(kommunistische) Widerstandsbewegung der Niederlande, in
Euthanasiebestrebungen, in die Rolle der katholischen Kirche, in
Kollaboration und Opportunismus vieler hochrangiger Niederländer, in
Angst und Hunger, Verrat und Feigheit, Skrupellosigkeit und
Hoffnungslosigkeit, spinnt der Autor die Themen-Fäden noch weiter.
Traumatisierende Erlebnisse im Ersten Weltkrieg und deren Folgen für
die Psyche, eine hoffnungslose Liebesgeschichte, der Umgang mit
behinderten Menschen, psychische Erkrankungen, die Zusammensetzung der
Bewohner eines Klosters, die angerissenen Biografien einzelner Mönche,
der Deckmantel der Verschwiegenheit, der in aller Eile und
Selbstverständlichkeit über Skandale in der Kirche gebreitet wird,
entartete Kunst - und sicher noch weitere Themen, die mir jetzt bereits
entfallen sind.
Viel? Zu viel? Viel zu viel! Der abgedroschen klingende Grundsatz
"Weniger ist mehr" greift hier einmal mehr. Jedes der Themen für sich
genommen ist von Bedeutung, manche der Themen greifen auch durchaus
logisch ineinander. In der Vielzahl jedoch überlagern und überlappen sie
sich in ihrer großen Bedeutung, verlieren dadurch an Schärfe und
geraten so z.T. bereits beim Umblättern in Vergessenheit. Da bleibt viel
verschenktes Potential, die gewünschte Eindringlichkeit geht verloren,
zumal hier vieles nur angedeutet bleibt und/oder nicht weiter verfolgt
wird.
Auch wenn ich mich im Verlauf der Lektüre mit dem Gedanken
arrangieren konnte, hier keinen Krimi zu lesen, und für mich auch
nachvollziehbar war, dass die Geschehnisse im Kloster nicht losgelöst
gesehen werden können von der Zeitgeschichte, die der Autor hier in
epischen Schreckensbildern ausbreitet, sorgte eben diese genannte
Vielzahl der angerissenen Themen dafür, dass bei mir kaum Betroffenheit
aufkam, was ich bedauerlich fand.
Dazu kam eine Charakterzeichnung, die mich ebenfalls wenig ansprach
und die mich selbst zu der tragischen Hauptfigur Siem Coburg dauerhaft
auf Distanz hielt. Sympathisch war für mich hier niemand, tragisch so
einige, aber mitgefiebert oder mitgelitten habe ich tatsächlich kein
einziges Mal. Die düster-graue Stimmung jedoch, die sich konsequent
durch alle Zeilen windet, erfasste mich durchaus. Dadurch las ich die
Erzählung oft eher mit Unbehagen denn mit Interesse und war ehrlich
gesagt froh, als ich am Ende angelangt war.
Sicherlich beleuchtet der Autor hier umfassend eine düstere Epoche
der Niederlande, versäumt es m.E. jedoch, einzelne wesentliche Themen
prominent herauszustellen, wodurch der Leser droht in einem
düster-grauen Einheitsbrei der Hoffnungslosigkeit zu versinken. Wirklich
schade.
© Parden
Felix Weber ist das Pseudonym des preisgekrönten niederländischen
Thriller-Autors Gauke Andriesse. Für »Staub zu Staub« erhielt er bereits
zum zweiten Mal den Gouden Strop, die bedeutendste
niederländische Auszeichnung für Kriminalliteratur. Als Weber einen
Artikel über mysteriöse Todesfälle innerhalb der katholischen Kirche
las, wusste er sofort, dass dies das Thema seines neuen Romans werden
sollte.
Quelle: Verlagsgruppe Randomhouse
Irgendwie könnte mich aber neugierig machen. Es erinnert ein wenig an die hier bereits viermal dargestellten Kriminalfälle eines Max Heller, die der Kit für erzählte Geschichte sind. Schade, wenn dann, wie du darstellst, so viel im Sande verläuft, nicht ausgearbeitet, insgesamt überfrachtet wird.
AntwortenLöschenWeile Grüße aus NZ, liebe Anne.