Sonntag, 3. September 2017

Wedding, Alex: Ede und Unku

Hörbücher. Manchmal macht man da einen Fund, den man nicht erwartet hätte. Diesmal ist es ein Kinderbuch aus meiner Kinderzeit. EDE UND UNKU, von Alex Wedding, gelesen von Heike Makatsch. Es ist ein schmales Kinderbuch und nach fast vier Stunden war das Hörvergnügen schon vorbei.

Die Geschichte ist schon ziemlich alt, sie wurde 1931 geschrieben: Der Arbeiterjunge Ede Sperling lebt mit Vater, Mutter und Schwester Lisa in Berlin. Sein bester Kumpel ist Max Klabunde. Edes Vater allerdings hat mit Kommunisten nichts am Hut und so will er, plötzlich arbeitslos geworden, die Freundschaft der Jungs beenden. Herr Sperling hat Verbesserungsvorschläge in der Metallbude gemacht, in filge dessen er nun wegrationalisiert wurde. Da kann auch der Herr Posthauptsekretär nichts ändern, der Herrn Sperling Arbeit bei der AEG verschaffen will; dass er als Streikbrecher in den Betrieb gelangen soll, sagt er ihm nicht. Vor den Toren der Fabrik steht als Streikposten auch Herr Klabunde...


Ede will nun Zeitungsausträger werden, um der Familie zu helfen und außerdem tritt ihm Unku in den Weg, ein Zigeunermädchen, deren Familie am Stadtrand lebt. In einem Pferdewohnwagen. Mit Zigarre rauchender Großmutter, was Ede nebenbei Ohrfeigen vom Vater einbringt. Unku wird ihm helfen, beim Fahrradkauf, beim Suchen nach einem Fahrraddieb, sie steht sogar Schmiere, als Ede Maxens Vater hilft...

Noch geht alles gut aus und Herr Sperling mag lieber Streikbrecher als Streikposten sein...

* * *


Noch, aber in drei Jahren wird das Buch auf Scheiterhaufen landen wie andere Bücher der Autorin Grete Weißkopf auch. Und Unku´s Familie der Sinti und Roma wird ebenfalls der kommenden zwölf Jahre dauernden Verfolgung ausgesetzt sein. Bücher voll umfänglich zu vernichten ist letztlich unmöglich gewesen und so finden sich der Arbeiterjunge Ede und das Zigeunermädchen Unku in vielen Ausgaben im Kinderbuchverlag der DDR wieder.


Die Politik zu Beginn der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts spielt im Buch keine große Rolle, sie beschränkt sich auf Arm und Reich und den Streik der Arbeiter um höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Max´ Vater erzählt den Jungs allerdings in einer Geschichte vom Fischen, dass es nicht das Netz ist, was zur Armut führt sondern der, der das Netz nur für seine eigene Fischerei einsetzt.

Grete Weißkopf (geb. 1905) lebte ab 1925 in Berlin. Sie war in der KPD aktiv und arbeitete als Sekretärin der sowjetischen Handelsvertretung. Verständlich, dass sie der arbeitenden Bevölkerung, den Proletariern zugeneigt war, was ihr erstes Kinderbuch, Ede und Unku, deutlich zeigt. Schon ihr Pseudonym weist darauf hin: Alex steht für den Alexanderplatz, Wedding für das Arbeiterviertel im Westen Berlins. In einer Szene spielen die Zeitungsjungen einmal Demonstration und singen dazu: „Links! Links! Links! – der rote Wedding marschiert...“ Zudem beruht das Buch auf persönlichen Erlebnissen: Ede wie Unku haben ein reales Vorbild. Die Familie der Unku, deren bürgerlicher Name Erna Lauenburger lautete, übrigens eine Freundin von Alex Wedding, überlebte nur ein Mitglied. Unku selber starb 1943 in Auschwitz.

Heike Makatsch scheint mir eine für solche Bücher besonders geeignete Vorleserin zu sein. Zwar arbeitet sie nicht so sehr mit der Modulation der Stimme für die einzelnen Figuren aber die einzelnen Spannungsbögen trifft sie sehr gut.

Solche Kinderbücher wurden später sehr oft verlegt. Ein ähnliches, allerdings 1954 verlegtes Buch ist Hans und Anna von Liselotte Welskopf. In diesen werden proletarische, sozialistische Ansichten kindgerecht angeboten, in früheren Jahren wurde dabei das Thema "Partei" weniger in den Fokus gestellt. Bei Ede und Unku ist dies insbesondere zu merken. Im Wedding der zwanziger und dreißiger Jahre war dies aber auch nicht notwendig: Die Armut der Arbeiter und ihre Organisationen, Gewerkschaften, KPD, RFB, SPD und die Jugendorganisationen waren allgegenwärtig.

Ich glaube ja nicht, dass dieses Buch mal wieder in den Schulunterricht einzieht, aber gut ist, dass es wieder gelesen, gehört werden kann. Eine Neuauflage des Buches gab es 2005 im Verlag Neues Leben.  Nun also dieses Hörbuch hier. Trotzdem sind Ede und Unku nicht vergessen. Der Ede-und-Unku-Weg wurde 2011 in Berlin Friedrichshain eingeweiht. Ein linker Stadtbezirk und es geschah am 27. Januar: Dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Folgerichtig.







► Alex Wedding in der wikipedia
Ede und Unku in der wikipedia
► Über Alex Wedding in KinderundJugendmedien.de
Media Net-Kassel
DNB / Media Net-Edition /  Kassel 2015 / ISBN 978-3-939988-08-3

 
PS: 1980 wurde das Buch unter dem Titel Als Unku Edes Freundin war von der DEFA verfilmt. Adaptiert wurde der Stoff, was dazu führte, dass in einer Szene Ede die Unku beim Stehlen erwischt. Ohne zu verkennen, das Sinti und Roma heute auch nicht unbedingt die allgemeinen Regeln unserer sesshaften Gesellschaft immer einhalten, Alex Wedding hat solcherlei Hinweise vermieden, gekannt hat sie sie sicherlich. der Begriff Zigeuner wurde allseits verwendet, heute gilt er als herabwürdigend. Im Vorspann des Hörbuches wurde deutlich darauf hingewiesen, dass die Verwendung des Begriffs Zigeuner der Zeit geschuldet wäre. Grete Weißkopf hatte bestimmt nichts Herabwürdigendes im Sinn, als sie die Geschichte nieder schrieb.

© KaratekaDD



3 Kommentare:

  1. Das ist doch toll, wenn man solche alten Schätze plötzlich wiederentdeckt! ☺

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  2. Es gibt eine Neuerscheinung "Ede und Unku - die wahre Geschichte". Dort wird das wahre Leben von Unku zu Ende erzählt. Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung hat eine Einleitung dazu geschrieben und sagt über das Buch: "...eine anrührende, aufrüttelnde und zartbittere Geschichte..."

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