Donnerstag, 24. September 2015

Lelord, François: Die kleine Souvenirverkäuferin


Kann man sich verlieben, wenn einen Welten trennen? Und warum kann man sich manchmal nicht lieben, wenn doch alles zu passen scheint? Könnte es Julien doch nur gelingen, Cleas Gefühle zu erwidern. Gemeinsam arbeiten die beiden Ärzte daran, den Ausbruch einer Epidemie in Hanoi zu verhindern. Aber obwohl sie das perfekte Paar wären, muss Julien immerzu an eine junge Vietnamesin denken, der er manchmal am See des zurückgegebenen Schwertes begegnet…


  • Taschenbuch: 320 Seiten
  • Verlag: Piper Taschenbuch (16. Juli 2013)
  • Sprache: Deutsch
  • Übersetzung: Ralf Pannowitsch
  • ISBN-10: 3492302939
  • ISBN-13: 978-3492302937
  • Originaltitel: Le Petite Marchande de Souvenirs






















EINE KLEINE VERBOTENE LIEBE...



Einst geriet Vietnam unter französische Kolonialherrschaft. Doch in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, in denen dieser Roman spielt, sind vor allem noch die Auswirkungen des Vietnamkriegs spürbar. Unter kommunistischer Führung gibt es eine enorme Polizeipräsenz und eine oftmals bedrohliche Überwachungsmentalität. Sowohl die einheimische Bevölkerung steht unter Beobachtung als auch gerade Touristen oder Ausländer, die sich beruflich länger in Vietnam aufhalten.
Dies bekommt auch Julien allmählich zu spüren, ein französischer Arzt, der am Botschaftskrankenhaus in Hanoi tätig ist. Eigentlich hat er kaum Kontakt zu Einheimischen - einmal abgesehen von einem kleinen Sprachkurs und einer vietnamesischen Putzkraft. Doch an dem kleinen See im Park, wo Julien sich in seiner Freizeit gerne aufhält, trifft er nicht nur immer wieder auf Kollegen, sondern sieht gelegentlich auch eine kleine Souvenirverkäuferin, die er im Grunde erst registriert, als ihm auffällt, dass sie nicht so aufdringlich agiert wie die anderen, die eine Kleinigkeit verkaufen wollen.

Minh Thư heißt die kleine Souvenirverkäuferin, Herbstlicht. Sie ist 20 Jahre alt, hat vier jüngere Geschwister und eine kranke Mutter. Ihr Vater schuftet oft in zwei Jobs, um die Familie zu ernähren. Englisch hat sie von den Touristen gelernt und in ein paar Stunden in einer Abenschule. Der Verkauf der Andenken ist verboten, doch Minh Thư und ihre Familie sind dringend auf den zusätzlichen Verdienst angewiesen, also traut sie sich immer wieder an diesen See im Park. So wie Julien auf sie aufmerksam wird, registriert auch Minh Thư den jungen Arzt - doch sie ist vorsichtig. Denn ebenso wie der Verkauf der Souvenirs ist der Kontakt mit Ausländern den Einheimischen streng verboten. In doppelter Hinsicht droht der kleinen Verkäuferin stets die Verhaftung und Unterbringung in ein Umerziehungslager.
Während Juliens Gedanken immer wieder um Minh Thư kreisen und die beiden sich bei jeder Begegnung ein wenig mehr annähern, wird im Krankenhaus eine Nonne eingeliefert, die bald darauf verstirbt. Die  Anzeichen mehren sich, dass sie an einem seltsamen Virus gelitten hat, und es steht zu befürchten, dass eine Epidemie ausbrechen könnte. Julien und seine Kollegin Clea, mit der er immer wieder einmal ein Verhältnis hat, beschließen, zu dem Kloster in die entlegene Bergregion zu fahren, woher die Nonne ursprünglich kam. Sollten sich dort die Anzeichen einer reihenweise Erkrankung zeigen, hätten sie klare Anhaltspunkte für die Möglichkeit einer Epidemie - und damit eine Grundlage um zu verhindern, dass das vietnamesische Regime diese Bedrohung weiter leugnet und verschweigt. Doch auch dieses Unternehmen ist unerwünscht, so dass Clea und Julien zunehmend in den Fokus der staatlichen Überwachung geraten.

Eine eigentümliche Mischung präsentiert François Lelord hier - eine mysteriöse Viruserkrankung, eine kleine verbotene Liebe, zwei verschiedene Kulturen. Interessant sind die Einblicke in das Leben, die Mentalität und Kultur Vietnams, wenn sie auch aus der Sicht des französischen Arztes geschildert sind, was somit immer ein Blick von außen bedeutet. Durch die Schilderung der Ereignisse und der Zustände im Land, bringt der Autor zwischen den Zeilen auch deutliche Kritik am Regime der damaligen Zeit an.
Die Erzählweise ist, wenn auch zart, so doch stets ein wenig distanziert, so dass ich als Leser das Geschehen zwar interessiert beobachtet habe, jedoch nicht wirklich berührt wurde. Auch die Ausgestaltung der Charaktere blieb eher schemenhaft. Im Grunde passen dieser Schreibstil und die Charkaterzeichnung aber zu der doch eher distanzierten und zurückhaltenden Art der Vietnamesen, so dass ich dies auch nicht als sonderlich störend empfunden habe.

Insgesamt präsentiert Lelord hier eine nette Geschichte, die für meinen Geschmack durch die zahlreichen Verflechtungen ein klein wenig überambitioniert wirkt. Es ist keine wirkliche Liebesgeschichte, aber ebensowenig ein Thriller oder ein politischer Roman. Es ist von allem etwas und dadurch zuweilen etwas verschwommen und sprunghaft - auch das Ende kam für mich recht abrupt. Alles in allem jedoch eine angenehme, zarte Erzählung.



© Parden

























Warum sind manche Menschen trotz objektiv positiver Lebensumstände unglücklich und andere glücklich? Das ist eine typische Frage für den Psychologen Hector und damit für François Lelord, der diese literarische Figur erfunden hat. Der 1953 in Paris geborene Autor arbeitete nach einem Studium der Medizin und Psychologie zunächst als Psychiater. Auf der Suche nach Antworten auf die großen Fragen des Lebens ließ er seinen Beruf einige Jahre ruhen, um sich ganz dem Schreiben und Reisen, vor allem durch Asien, zu widmen. Sein erstes Buch um Hector erschien 2002 und wurde wie die folgenden "Hector"-Romane ein internationaler Bestseller. Der mit einer Vietnamesin verheiratete Lelord lebt in Paris und Hanoi, wo er heute auch wieder als Psychiater an einer Klinik tätig ist.

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