Freitag, 4. September 2015

Reiss, Tom: Der Schwarze General

oder
das Leben des wahren
Grafen von Monte Christo

Wie? Was? Der wahre Graf von Monte Christo? Den gab es wirklich? Nächste Frage: Wer hatte den geschrieben? Alexandre Dumas d.Ä. oder Alexandre Dumas d.J.? Okay, ein Blick ins Lexikon: Der Ältere, der Vater schrieb die Romane, der Jünger war eher Bühnenautor. 

Auf dem Cover ein Reitergeneral der französischen Revolutionsarmee. Ein Schwarzer, ein Farbiger. Noch nie gesehen. Und so begann ein sehr interessantes Leseabenteuer.

* * *

Thomas Alexandre Dumas oder auch Thomas-Alexandre Davy de la Pailleterie; geboren am 25. März 1762 in Jérémie, Saint-Domingue (dem heutigen Haiti), gestorben am 26. Februar 1806 in Villers-Cotterêts) war ein französischer General. Er war der Vater Alexandre Dumas des Älteren und der Großvater Alexandre Dumas des Jüngeren.

Der Name weist auf eine adlige Abkunft hin. Der Geburtsort auf einen "Fehltritt" seines Vaters, einem Grafen. Die Mutter von Thomas Alexandre war die schwarze Sklavin Marie-Cessette Dumas, gekauft vom Vater, der von der Zuckerrohrplantage seines Bruders mit drei Sklaven geflohen war. Nun, das allein ist schon Stoff für einen Abenteuerroman, wenn das Schicksal eines Sklavenjungen in der Mitte des 19. Jahrhunderts jemanden interessiert hätte. Antoine-Alexandre Davy de la Pailleterie ermöglichte dem Knaben eine gediegene Ausbildung in Paris. Dazu gehört das Fechten. Dieses lernte man, wenn man gut war, vielleicht auch bei einem Mulatten, dem Chevalier de Saint-Georges, wie man sieht, aha, Chevalier: also auch ein Ritter. Was es nicht alles gab im Frankreich der Bourbonen am Vorabend der französischen Revolution.

Quelle: wikipedia
Der Kerl war riesengroß und unglaublich stark. Fechten konnte er wie kein zweiter. Er trennt sich vom Vater, der ein ziemliches Lotterleben führt und wird einfacher Soldat in einem Dragonerregiment. Der Rest wäre leicht erzählt, würde diesen Beitrag aber sprengen, der Titel sagt es: Die Karriere war wohl sehr erfolgreich und schnell. Vom Korporal über den Oberstleutnant zum General...

Er ist einer der ältesten (nicht vom Alter her) und erfolgreichsten Generäle, der mit seinen Kavallerieattacken in den Alpen die Österreicher bzw. Habsburger Gegner der Revolution mehrfach bezwingt, die ihn den "schwarzen Teufel" nennen. Aber mit einem ebenso aufstrebenden Artilleriegeneral von der Insel Korsika kommt er nicht zurecht: Mit Napoleon Bonaparte. Mit diesem geht er auf die Expedition nach Ägypten. Als er 1799 Ägypten, vor dem durch Admiral Nelson die gesamte französische Expeditionsflotte vernichtet wurde, verlässt, leckte das morsche Schiff und Dumas bat in Tarent um Hilfe. Hier geriet er in Gefangenschaft, aus der er erst 1801 wieder frei kam...

Dumas d.Ä.; Quelle: wiki
Der amerikanische Autor Tom Reiss, hat die Orte bereist, unzählige Archive gewälzt, Briefe gelesen, Militärberichte, er hat ein umfassendes Bild über einen den meisten Leuten unbekannten Mann erstellt, dessen Leben für seinen Sohn, den im Jahr 1802 geborenen Alexandre Dumas d.Ä. einige Bedeutung erlangen sollte. Als der Vater 1806 an einem Krebsleiden starb, ziemlich verarmt, weil seiner Witwe die Pension eines Kriegshelden verweigert wurde, konnte Alexandre, da er er von einem Farbigen abstammte, keine höhere Schule besuchen. Dies ist ein Umstand, der dem "normalen" Leser bekanntester Abenteuerbücher meist nicht bekannt war. In umfangreichen Memoiren erzählt der Sohn vom Vater und setzt diesem ein ewiges Denkmal, denn er ist das Vorbild für zwei der bekanntesten Literaturgestalten der Weltliteratur: d´Artagnan und Edmond Dantés. Die Freundschaft der drei, dann vier Musketiere geht auf die Freundschaft von Thomas-Alexandre mit drei Offizierskameraden zurück und die Haft des späteren Grafen von Monte Christo weist auf die Haft des Vaters in Tarent hin, wo er den wohl nicht unbegründeten Verdacht hegte, dass man ihn vergiften wolle. Oft hat der Sohn wohl auch übertrieben wenn er vom Vater schrieb, der sich angeblich mitsamt seinem Pferd zwischen den Schenkeln an einem Balken nach oben ziehen konnte.

Menschenreichte / Quelle: wiki
Selten, dass man aus einem Buch nun gleich soviel lernen kann wie aus diesem. Die Französische Revolution wird vor einem aufgeblättert mit ihren Erfolgen und ihren Grausamkeiten, die durch die Jakobiner und der so genannten Wohlfahrtsausschuss verursacht wurden, als tausende Menschen mit einer angeblich so humanen Maschine hingerichtet wurden; auch der General Dumas hat mit seinem standhaften militärischen Verhalten mehrfach kurz davor gestanden, guillotiniert zu werden. Dumas, so lesen wir, war ein glühender Republikaner, als welchen er sich auch selber sah.

Es waren die Franzosen, die als erste Europäer die Sklavenhaltung als nicht vereinbar mit den Menschenrechten ansahen und diese bekämpften. In den Kolonien, da wo auch Thomas-Alexandre herstammte, war das nicht so einfach und die Abschaffung der Sklavenhaltung führte im späteren Haiti auch zu blutigen Bürgerkriegen. In Frankreich gab es unmittelbar vor und im Beginn der Revolution keine Rassendiskriminierung; um so schlimmer, dass diese schleichend mit der Machtübernahme durch Napoleon wieder zu Tage trat. Die Verweigerung der Generalspension ist ein Beispiel dafür. Reiss zeichnet uns ein Bild der Sklavenhalterländer im ausgehenden 18. Jahrhundert, welches die eher bekannten Aspekte der Sklavenhaltung im Süden der USA aus auch europäischer Sicht  ergänzt.

Quelle: wikipedia
Es ist auch ein Abenteuerbuch, denn die Erlebnisse und Taten des Generals stechen schon deutlich hervor und seine Person, sein Charakter sind hervorragender Stoff für Abenteuerromane, wie sein Sohn sie dann schreiben wird.

Und es ist eine Liebesgeschichte. Der Korporal Dumas lernt in Villers-Cotterêts die Gastwirtstochter Marie Labouret kennen und heiratet diese 1792. Eine Liebesheirat, die die Schwiegereltern des Grafensohnes unbedingt mit einschloss. Die Briefe, aus denen der Biograf zitiert, sprechen eine beredte Sprache.  Und so schrieb Alex ihr, nachdem er aus der Gefangenschaft wieder frei kam auf der Rückreise die folgenden Zeilen:


"Adieu, Geliebte, die meinem Herzen die meinem Herzen jetzt undauf immer das Teuerste sein wird, weil alles Unglück doch nicht mehr vermag, als die Bande zu stärken, die uns beide fest umschließen. Umarme für mich mein Kind, unsere lieben Eltern und all unsere Freunde.
Dein ganz und gar,
Alex Dumas, Divisionsgeneral."
(Seite 413)

(Übrigens beantworte Marie die Briefe imm er mit der Unterschrift: "Marie, Ehefrau")

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Quelle: wikipedia
Quelle: wiki
Es gab einmal eine Statue mit dem Bild des Schwarzen Generals, doch kam diese in den Tagen des 2. Weltkrieges weg. Aber auf dem Arc de Triomphe ist sein Name verzeichnet. Doch wer hätte dort schon einen anderen Dumas erwartet, da hätte die Jahreszahlen vergleichen müssen: Alexandre Dumas d.Ä. war 1836, dem Jahr der Vollendung, bereits erfolgreich, auf den Inneseiten des Bogens sind aber Militärs genannt. So ist dem Schwarzen General zumindest nachträglich ein Denkmal gesetzt wurden, welches wohl gerechtfertig ist, auch wenn die französische Revolution mit Waffengewalt exportiert werden sollte und der General seine Taten in genau solchen Kriegen verbracht hat.


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Das Buch wurde übersetzt von Thomas Pfeiffer und Karin Schuler, es beinhaltet neun Karten zum Geschehen. Rundum ein hervorragendes Buch, welches ich, als ich es nun endlich einmal in die Hand nahm, doch ziemlich schnell verschlang. Die Recherchearbeit wird in der großen Bibliografie und in unzähligen Fußnoten deutlich.

Das Meisterstück allerdings sind die beiden Prologe, denn diese zwingen den Leser förmlich dran zu bleiben. Im kurzen ersten Prolog zitiert Reiss aus den Memoiren Alexandre Dumas d.Ä. die Zeilen über den Tod des Vaters 1806 und zeigt uns, dass es dem weltbekannten Romanautor sehr darauf ankam, seinem Vater ein Denkmal zu setzen. Die Memoiren seien der Grund, weshalb sich Reiss auf das Abenteuer begab, "das Leben des vergessenen Helden General Alexandre Dumas zu rekonstruieren." (Seite 14)

Prolog 2 gibt eine Zusammenfassung zur Person des Helden und erzählt von den Schwierigkeiten der Recherche. Eine solche Einleitung ist schon ein feines Ding und zeugt von der Arbeit eines hervorragenden Journalisten.

* * *


Tom Reiss  wurde 1964 in New York in einer Familie jüdischen Glaubens geboren. Seine ersten Spuren als Journalist verdiente er als Redakteur von Campuszeitschriften. Mit der hier vorliegenden Biografie und der Biografie über Lev Nussimbaum (Der Orientalist: auf den Spuren des Essad Bey) u.a. wurde er bekannt. Den Pulitzer Preis bekam er für The Black Count, denn im Original heist das Buch Der schwarze Graf.






► Florian Stark: Ranghöchster schwarzer General einer weißen Armee, in: Die Welt, 2. 11. 2013.
► Norbert Zähringer: Gefangener der Geschichte, in: Die Welt, 4. 01. 2014.
► Tom Reiss: Webseite
► Tom Reiss in der wikipedia
► Tom Reiss in der DNB
DNB / dtv-Verlag / München 2012 / ISBN: 978-3-423-28017-4 / 540 S.

© KaratekaDD




5 Kommentare:

  1. Das wäre sicherlich auch was für dich, TinSoldier.

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    1. Ich bin beruhigt, dass Du mich hier nicht angesprochen hast... ;) Aber wieder ein informativer Beitrag!

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  2. Hab deine Buchbesprechung auf deinen Kommentar bei mir hin direkt mal gelesen. Ich stecke ja mitten im "Schwarzen General" drin und bin erwartungsgemäß vom Buch angetan. Hast du sehr schön präsentiert, und passend mit Bildern versehen. Was für ein interessanter Mann, was für einen spannenden Hintergrund hatte Alexandre Dumas! Was ich nur ändern würde, wäre das Wort "Mulatte" im dritten Absatz. Das ist ein rassistischer Ausdruck, und den benutzt man einfach nicht mehr.

    Beste Grüße,
    Ute von buchstapelweise

    Kennst du denn auch die Dumas-Biografie, unter der du bei mir kommentiert hast?

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    1. Nee, die kenne ich nicht.
      Ich würde den „Mulatten“ stehnlassen, den der Kontrast zum Chevalier Francais wird so überdeutlich.

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