Dienstag, 14. Januar 2014

Sington, Philip: Das Einstein-Mädchen


Als in den dreissiger Jahren in den Wäldern von Berlin ein nacktes Mädchen, nur mit einer Ausgabe der Quantentheorie, gefunden wird, erhält es von der Presse sofort den Namen Einstein-Girl . Ein Psychiater begibt sich auf eine Spur von Serbien bis in eine psychiatrische Klinik in Zürich. 



















Beeindruckende Mischung aus Historie und Fiktion...

(auch veröffentlicht von parden auf Buchgesichter.de am  10.01.2014)


Berlin 1932

Berlin 1932. Eine junge Frau wird im Wald bei Caputh bewusstlos aufgefunden. In der Nähe entdeckt man den Programmzettel eines Vortrag von Albert Einstein: "Der gegenwärtige Stand der Quantentheorie". Die Presse tauft sie daraufhin das "Einstein-Mädchen". Als sie aus dem Koma erwacht, hat sie keine Erinnerung an ihr früheres Leben, weiß nicht einmal ihren Namen.
Martin Kirsch, Psychiater an der Charité, ist fasziniert von diesem ungewöhnlichen Fall. Im Lauf der Zeit fühlt er sich immer mehr zu seiner Patientin hingezogen. 
Bei seinen eigenen, heimlichen Nachforschungen zur Identität der "Patientin E." stößt er auf ein Notizbuch mit mathematischen
Mileva Einstein-Maric und Söhne
Formeln und einen Brief, adressiert an Mileva Einstein-Maric, die erste Frau Albert Einsteins. Um Mileva aufzusuchen, reist er nach Zürich und lernt dort auch ihren und Einsteins Sohn Eduard kennen, der sich im Burghölzli, einer Nervenheilanstalt befindet. Weiß Eduard, wer das geheimnisvolle "Einstein-Mädchen" ist? Kirsch ahnt noch nicht, dass die "Patientin E." sein letzter Fall sein wird - denn während er sich in Zürich aufhält, ergreifen in Deutschland die Nazis die Macht...

 

Vordergründig geht es in diesem Buch darum, dem "Einstein-Mädchen" seine wahre Identität wiederzugeben, herauszufinden, was ihren Gedächtnisverlusst bewirkt hat und woher sie überhaupt stammt. Eingebettet ist das Ganze in
NS-Zeitung "Der Angriff"
einen historischen Kontext des Jahres 1932, den der Autor atmosphärisch dicht und glaubhaft präsentiert. Deutschland zwischen den Kriegen, die Machtergreifung durch die Nazis, die sich verändernde politische Stimmung - all dies schlägt sich nieder auf die Geschehnisse rund um das "Einstein-Mädchen".
Die Erzählung erweist sich als eine interessante Mischung aus psychologischem und physikalischem Hintergrund, aus historischer Realität und Fiktion. Für den Leser gestalten sich diese Ansätze sowohl informativ als auch unterhaltsam. Sington bietet sozusagen nebenher einen
Relativitätstheorie
interessanten Einblick in den Stand der Psychiatrie und ihrer Behandlungsmethoden zu der damaligen Zeit sowie den Versuch einer populärwissenschaftlichen Erläuterung von Relativitätstheorie und Quantenmechanik - nichtsdestotrotz habe ich diese physikalischen Phänomene auch nach der Lektüre dieses Buches immer noch nicht verstanden.

 

Entsprechend streift Singtons Geschichte auch berühmte Persönlichkeiten wie Sigmund Freud oder S. G. Jung - von vorrangigem Interesse ist dabei jedoch die Person Albert Einsteins. Hier wirkt die Mischung aus historischen Fakten
Albert Einstein
und schriftstellerischer Freiheit für mich besonders gelungen. Während sich Einstein ansonsten eher mit einem oberflächlichen Bild von Brillianz, Humor und Schrulligkeit in den Köpfen von heute verankert hat, versteht Sington es, der Persönlichkeit Einsteins Tiefen zu geben, helle und dunkle Seiten, einen Hintergrund. So wie es hätte sein können.
 


 
Wird bald gelesen...
Die Geschichte selbst ist ruhig erzählt, die Spannung kann oft nur unter der Oberfläche erahnt werden. Dennoch ist die Entwicklung interessant, auch wenn die Geschehnisse um den Psychiater Martin Kirsch gerade im letzten Drittel des Buches zeitweise ins Absurde und Kafkaeske abdriften, was mir weniger gut gefiel. Das Ende war letztlich vorhersehbar aber passend, und v.a. die "Historische Anmerkung" am Schluss des Buches erinnerte mich daran, dass im Regal schon seit Jahren eine ungelesene Biografie von Albert Einstein vor sich hin staubt. Das muss ich dann wohl bald mal ändern...

 

Insgesamt ein Buch, das sich keinem Genre klar zuordnen lässt, trotz der ruhigen und manchmal auch spannungslosen Erzählweise ein interessanter und unterhaltsamer Mix, wobei die Atmosphäre des Berlin von 1932 für mich hervorragend getroffen ist.

 
© Parden 



 



Philip Sington
Philip Sington, geb. 1962 in Cambridge, studierte Geschichte am Trinity-College in Cambridge und arbeitete als Journalist und Magazinherausgeber, Drehbuch- und Theaterautor. Er lebt mit seiner deutschen Frau und seinem kleinen Sohn in London.
Unter dem Pseudonym Patrick Lynch, hinter dem sich das Autorenduo Philip Sington und Gary Humphreys verbirgt, hat er mehrere Wissenschaftsthriller veröffentlicht, die sich weltweit millionenfach verkauft haben und von denen zwei auf Deutsch erschienen sind.




3 Kommentare:

  1. Das Buch ist ja nun hier verewigt. Da kann ich zu gegebener Zeit drauf zurück kommen.

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  2. Das ist mal wieder ein äußerst interessantes Buch, das du hier behandelst - übrigens in deiner gewohnt gekonnten Weise. Übrigens bist du mit der Erkenntnis, die Einstein´sche Relativitätstheorien (ja, Plural, denn es sind ja zwei Theorien, zwischen deren Entstehung Jahre liegen) sowie die Quantenmechanik nicht verstanden zu haben, bei weitem nicht allein: Ein prominenter Forscher hat einmal geschrieben, es gäbe nach seiner Erkenntnis nur eine "Handvoll" Menschen auf der ganzen Welt (einschließlich aller Wissenschaftler), die das überhaupt verstehen.
    Ganz offensichtlich ein tolles Buch, das genau meine "Kragenweite" haben dürfte. Weiter so Anne!

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    1. Ja, von dieser Erkenntnis mit der "Handvoll" Menschen, die überhaupt nur in der Lage sein soll, diese Theorie(en) zu verstehen, habe ich auch gelesen. Auch in dem Buch wird darauf hingewiesen.
      Ich freue mich, dass Dich Buch wie Rezension ansprechen, Rudi - aber es darf nun nicht erwartet werden, dass ich meinen Schwerpunkt ab sofort auf Historische Romane verlege... Ab und an gerne, aber das ist eben kein Genre, das zu meinen Favoriten gehört.

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